Treiben Energie-Startups die Energiewende voran?

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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23. März 2015
Hier kommt die Auswertung unserer letzten Umfrage zu aktuellen Energiepolitik, Umfrage, Energiewende aktuell
Treiben Energie-Startups die Energiewende voran?

Das wollten wir bei unserer letzten Umfrage in der Reihe Energiewende aktuell von Ihnen wissen. Exakt Dreiviertel der Teilnehmenden, 75 Prozent, hat die Frage mit Ja beantwortet; mit Nein stimmten 17 Prozent und acht Prozent vermochten den Sachverhalt nicht einzuschätzen.

Über 100 Jahre lang hat sich die Energiewirtschaft in eine Richtung entwickelt: Von einer sehr dezentralen, erst von Firmen, dann auch von Verbünden und Kommunen geprägten Erzeugungsstruktur hin zu einer immer zentraleren, oligopolen Struktur. Die Preisbildung folgte damals sehr einfachen Mechanismen. Alle Kosten der Erzeugung und des Vertriebs sowie die Renditen wurden auf die Verbraucher umgelegt. Weil der an seinen Versorger über das Netz gebunden war, blieb dem Verbraucher auch nichts anderes übrig. Von einem Strom-„Markt“ konnte weder hinsichtlich des Angebots noch bei der Nachfrage die Rede sein.

Mit der 1998 begonnenen Liberalisierung und dem EEG, das nächste Woche 15 Jahre alt wird, hat sich das grundlegend gewandelt. Wir können unseren Stromlieferanten frei wählen und uns selbst zum Energieerzeuger werden. Die zuvor primitiven Preisbildungsmechanismen wurden abgelöst von einem komplexen sowie staatlich hoch regulierten System, das zudem noch in den europäischen Markt und die dort geltende Marktordnung integriert wurde.

Was hat das mit den Startups und ihrer Rolle bei der Energiewende in Deutschland zu tun? Im alten System war der Bedarf an Innovationen relativ gering, die Phase der Umstellung, in der wir uns jetzt befinden, wirft jeden Tag neue Fragen auf, auf die es noch keine Antworten gibt. Ein paar Beispiele: Kann es bei bestimmten Marktsituationen preiswerter sein, den Stromverbrauch nach unten zu fahren als die Erzeugung nach oben? Ab wann lohnt es sich den Sonnen- oder Windstrom zu speichern, statt ihn bei einem Überangebot ins Netz einzuspeisen? Lohnt sich der virtuelle Zusammenschluss zu einer Erzeuger- und Verbrauchergemeinschaft von Energie? Wie können die notwendigen Prozesse organisiert und gesteuert werden?

Mögliche Antworten lassen sich nur mit Hilfe vernetzter Informationstechnologien ermitteln, die Verbrauchs-, Erzeugungs- und Marktdaten in Echtzeit ermitteln und auswerten und die in der Lage sind, per Simulation einen Blick in die Zukunft zu werfen. Das sind Technologien, die in der Internetwelt schon lange Einzug gehalten haben und die jetzt den Energiemarkt und die gesamte Wirtschaft, von der Gesundheitsbranche bis hin zum Maschinenbau, revolutionieren.

Wir haben in den letzten Wochen eine Reihe von Startups vorgestellt, die die Energiewende mit Innovationen anfeuern. Bei uns im Blog hatte Jörg Jaspers die Möglichkeit angedeutet, Innovationen aus der Startup-Szene könnten einen Kapazitätsmarkt überflüssig machen, weil sie marktfähige Lastflexibilisierungs- und Verlagerungsoptionen entwickeln. Mit Next-Kraftwerke hat sich ein Startup in wenigen Jahren auf dem Markt etabliert. Der Ausgründung aus dem Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität zu Köln (EWI) gehören jetzt 86 Mitarbeiter an. Bei Next sind 2.786 einzelne Erzeugungsanlagen zu einem virtuellen Kraftwerk zusammengeschlossen.

Die Digitalisierung unseres Lebens führt immer häufiger zur disruptiven Innovationen. Das sind Neuerungen, die den Stand der Technik von heute binnen eines kurzen Zeitraums völlig alt aussehen lassen. So haben digitale Datenträger das Tonband abgelöst und die Schallplatte in eine winzige Nische gedrängt, ähnlich ist es den Röhrenfernsehern und den klassischen Handys ergangen. Mit den Produkten verschwanden in diesen Märkten Firmen, die einst technisch den Maßstab setzten und dann mit der Geschwindigkeit der technischen Innovationen selbst nicht mehr Schritt halten konnten. Bei der Energiewende stehen wir noch ganz am Anfang einer Entwicklung, die uns – auch Dank der Energie-Startups – noch so manche Überraschung bringen wird. Eine gelebte Innovationskultur wird der Energiewende gut tun –  dieser Meinung gaben 75 Prozent der Teilnehmenden in der Umfrage Ausdruck.

Unsere Umfrage lief vom 10. bis zum 22. März. An ihr nahmen 65 Personen teil.

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