Die Möglichkeiten der Moderation und des Interessensausgleichs

Gastautor Portrait

Ralf Eggert und Kevin Zdiara

IFOK GmbH

Ralf Eggert ist Mitglied der Geschäftsleitung der IFOK GmbH und berät Kunden zur Strategie des Stakeholdermanagements. Im Energiebereich berät er das Bundeswirtschaftsministerium, die Bundesnetzagentur, Energieversorger, Übertragungsnetzbetreiber und Firmen der Erneuerbaren Energien. Kevin Zdiara ist Berater für Bürgerbeteiligung und Kommunikation im Bereich Infrastruktur bei der IFOK GmbH und unterstützt hierbei unter anderem Stromnetzbetreiber bei Dialogprozessen.

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10. Oktober 2018
Diskussionen im Panel der UCT2018
Foto: Stiftung Energie und Klimaschutz

Mehr Toleranz für Infrastrukturprojekte

Noch nie zuvor haben Bürgerinnen und Bürger in Deutschland über so viel direkte Mitsprache- und Mitgestaltungsmöglichkeiten verfügt wie heute. Dies führt zum Beispiel im Bereich der Stadtentwicklung zu kreativen und fruchtbaren Partizipationsprozessen. Die dort gefundenen Lösungen erreichen zuweilen umfassende Zustimmung. Bei großen Infrastrukturprojekten im Energiebereich bleiben trotz professioneller Beteiligung häufig kritische Stimmen. Wenn eine absolute Akzeptanz nicht erreicht werden kann, welche Chancen ergeben sich dann aus einem Dialogprozess?

Dialog macht Projekte besser und sicherer

Konkret schafft ein guter Dialog, dass am Ende des Beteiligungsverfahrens die entsprechenden Vorhaben besser für die Umsetzung aufgestellt sind, als sie es zu Beginn waren. Die Hinweise der Menschen vor Ort helfen den Vorhabenträgern die Projekte optimaler auf die lokalen Gegebenheiten anzupassen, sie sind zeit- und kostensparender und die Menschen werden ernst genommen. Das bedeutet auch, dass es bei solchen dialogintensiven Vorhaben keine Überraschungen am Ende gibt. Sie erweisen sich als deutlich rechtssicherer, weil sie mögliche Hindernisse und Einwände bereits frühzeitig in der Planung berücksichtigt haben. Dadurch tritt ein weiterer Punkt hinzu: ein guter informeller Beteiligungsprozess entlastet das formelle Verfahren deutlich und ermöglicht eine beschleunigte Bearbeitung. Denn Bedenken und Einwände, die bereits vorab eingebracht und in der Planung berücksichtigt wurden, müssen dann nicht noch einmal im Rahmen des Verfahrens behandelt werden.

Die grundsätzliche Akzeptanz des Projektes bleibt daher das Ziel. Bei großen Infrastrukturen mit Vorteilen für die Allgemeinheit aber deutlichen Nachteilen für Einzelne, kommt ein weiteres Ziel hinzu – die Toleranz.  Toleranz[1] lässt Ablehnung zu („Ich will keine Stromtrasse in meiner Nähe“), solange diese durch eine höherrangige Akzeptanzkomponente ausgestochen wird („Aber ich weiß, dass wir zukünftig mehr erneuerbare Energien nutzen wollen und deshalb Stromnetze brauchen, die diese transportieren können“).

Ein wichtiges kommunikatives Ziel ist es daher die Notwendigkeit und den Nutzen des Projektes verständlich zu vermitteln. Daneben sind die Entscheidungen des Vorhabenträgers nachvollziehbar der Öffentlichkeit zu vermitteln.

[1] Hierzu unter anderem Forst, Rainer (2000): Toleranz, Gerechtigkeit, Vernunft. In: Ders. (Hg): Toleranz. Philosophische Grundlagen und gesellschaftliche Praxis einer umstrittenen Tugend, Frankfurt am Main/New York, S. 120ff.

Fünf Bausteine für einen erfolgreichen Dialog

Dafür gibt es nicht den einen allgemeingültigen Beteiligungsprozess. Jedes Vorhaben hat eigene Herausforderungen, die individuelle Antworten brauchen. IFOK arbeitet seit vielen Jahren für Kunden und Projekte aus dem Infrastrukturbereich, die ganz unterschiedliche Branchen, Größen und Beteiligungsintensitäten umfassen. Über alle Formate haben sich fünf entscheidende Bausteine herauskristallisiert, die den Rahmen für einen erfolgreichen Dialog ermöglichen.

1. Offenheit und Erwartungsmanagement
Dialog lebt von Offenheit. Es ist von herausragender Bedeutung, dass alle am Dialogprozess Beteiligten ihre Anliegen einbringen können. Natürlich bildet dabei das geltende Recht die Grundlage, es ist aber nicht der alleinige Maßstab für die Erörterung der Bedenken und Anregungen. Eine wichtige Voraussetzung für einen Erfolg ist zudem, dass allen Beteiligten von Beginn an klar ist, was ein Dialog leisten kann und was nicht.

2. Gemeinsame Klärung der Faktenlage
Gerade bei Infrastrukturvorhaben geht es zumeist schnell um sehr fachspezifische Fragen, die dann mit Gutachten und Gegengutachten beantwortet werden sollen. Diese kosten alle Beteiligten Zeit, Geld und Nerven. Daher sollte am Anfang eines jeden Dialogverfahrens die gemeinsame und verbindliche Klärung der Faktenlage in Form eines „Joint Fact Finding“ stehen, von der aus weitere Fragen angegangen werden können.

3. Zuhören und ernst nehmen
Mit der Einladung zum Dialog sendet der Initiator ein klares Zeichen an die Öffentlichkeit: Er ist bereit, kritische Meinungen anzuhören und sie offen zu diskutieren. Das darf keine Theorie bleiben, sondern muss in die Dialogrealität umgesetzt und dort gelebt werden.

4. Transparenz
Verhandlungen ausschließlich hinter verschlossenen Türen führen zu Gerüchten und Spekulationen. Transparenz muss somit nicht nur gegenüber den unmittelbar Beteiligten des Dialogs umgesetzt werden, sondern eine kontinuierliche Information der Medien und eine nachvollziehbare und ehrliche Darstellung der (Zwischen)-Ergebnisse in der Öffentlichkeit zeigen, dass der Vorhabenträger nichts zu verbergen hat.

5. Professionalität und Methodenvielfalt
Schließlich kommt einer souveränen Moderation und der intelligenten Gestaltung des gesamten Verfahrens eine entscheidende Rolle für ein erfolgreiches Dialogverfahren zu. Denn jedes Infrastrukturvorhaben hat seinen eigenen Projektkontext, für den es nie eine Lösung nach Schema F gibt. Der Moderator muss ein breites Repertoire an Methodenkompetenz, Konfliktmanagementstrategien und Mediationstechniken beherrschen, um die Beteiligten abzuholen und einzubinden.

Eine neue Beteiligungskultur

Wichtig ist es, gemeinsam mit allen Akteuren eine neue Beteiligungskultur zu entwickeln, die einen fairen und transparenten Prozess ermöglicht.

Ralf Eggert & Kevin Zdiara von der IFOK GmbH

Beteiligung sollte nicht als Pflichtprogramm der Vorhabenträger wahrgenommen werden. Dialog darf keine Lösung von der Stange sein, sondern muss den vorhabenspezifischen Besonderheiten, Herausforderungen und Bedenken Rechnung tragen. Für den Erfolg ist es entscheidend, dass ein Prozess entworfen wird, der sich in den Kontext einfügt und gleichzeitig diesen für das Aufzeigen von Lösungen nutzbar macht. Wichtig ist es, gemeinsam mit allen Akteuren eine neue Beteiligungskultur zu entwickeln, die einen fairen und transparenten Prozess ermöglicht, der wiederum zu mehr Toleranz gegenüber den wichtigen Veränderungen der Energieinfrastruktur in Deutschland führt.  Am Ende ist es entscheidend, dass eine Lösung für eine Infrastruktur nicht deswegen schlecht ist, weil nicht alle zustimmen. Transparente nachvollziehbare Dialogergebnisse zu Projekten im Interesse des Allgemeinwohls brauchen dann auch die Unterstützung wesentlicher Stakeholder und insbesondere der Politik.
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Redaktion: Dieser Beitrag ist Teil unserer Reihe zur Akzeptanz der Energiewende. Weitere Beiträge finden Sie hier.

 

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