Wie wollen wir in Zukunft leben? – Mit nachhaltiger Quartiersinfrastruktur Gestaltungschancen nutzen

Gastautor Portrait

Verena Gehrmann-Linnerth

Produktmanagerin „Urbane Infrastruktur“, EnBW Energie Baden-Württemberg AG

Verena Gehrmann-Linnerth arbeitet seit 2009 bei der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW). Nach Ihrem Diplom in Innenarchitektur an der FH Darmstadt, war sie bei der EnBW zunächst im Marketing tätig, kam aber bald über die Elektromobilität zum Produktmanagement mit Fokus auf energienahe Lösungen. Seit 2019 ist die Wirtschaftsingenieurin als Produktmanagerin im neuen Geschäftsfeld „Urbane Infrastruktur“ tätig und zudem Teil des Projektteams zur Entwicklung des Quartiers „Der neuen Stöckach“´. Ihre thematischen Schwerpunkte liegen dabei unter anderem auf Quartiersmobilität, Quartiersmanagement und den begleitenden Partizipationsprozessen.

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29. Oktober 2021

Mit Veränderung geht zudem eine mangelnde Planbarkeit einher und löst teilweise Verunsicherung aus [...]

Verena Gehrmann-Linnerth

Wie wollen wir in Zukunft leben? Das ist eine gute Frage und verleitet zu einer Folgefrage: Warum eigentlich anders? Warum sollten wir uns für die Zukunft etwas anderes vorstellen als heute?

Die Antwort darauf ist naheliegend und doch nicht ganz einfach: Weil sich die Welt um uns herum ändert und wir alle uns darauf einstellen müssen. Leben und Gesellschaft heißt Veränderung, das ist ein stetiger Prozess. Aktuell durchleben wir einen gesellschaftlichen Wandel, der uns alle (be)trifft. Klimawandel, Pandemien, Digitalisierung, vielfältigere soziale Lebensmodelle, das alles sind aktuelle Themen, auf die wir unser Zusammenleben in der Zukunft einstellen werden (müssen).  So merken wir z.B. schon heute, dass die vielfältigeren Formen des sozialen Zusammenlebens auch heterogene Ansprüche an Wohnungen und Grundrisse setzen.

Mit Veränderung geht zudem eine mangelnde Planbarkeit einher und löst teilweise Verunsicherung aus:“ Worauf muss ich mich einstellen? Was bedeutet das für mich persönlich? Worauf muss ich womöglich verzichten? Meiner Meinung nach, der beste Weg damit umzugehen ist, sich einen Überblick zu verschaffen, worin denn genau die anstehende Veränderung besteht und Zusammenhänge zu hinterfragen. Sich selbst zu fragen, was einem für die Zukunft wichtig ist und unbedingt mit anderen dazu austauschen. Das hilft einem sehr sich auf Neues einzustellen. Und vor allem dabei, dieses nicht als Risiko oder Bedrohung, sondern als Chance zu sehen und diese auch als solche zu begreifen.

Gestalten heißt immer auch Chancen zu nutzen.

Wenn wir uns nun also fragen, „Wie wollen wir in Zukunft leben“, dann ergreifen wir damit eine riesige Chance: Wir können unsere Zukunft aktiv gestalten und proaktiv darauf hinwirken, dass es uns dann gut geht. Bereits seit einigen Jahren beschäftige ich mich aktiv mit der Thematik, und zwar im Kontext der Quartiersentwicklung aus Sicht eines Energieversorgers. Es geht mir dabei nicht primär um die neuesten technologischen Entwicklungen, stattdessen darum, welche Herausforderungen wir als Versorger und Infrastrukturbetreiber in der Zukunft lösen müssen. Die Hauptfragestellung: Wie können wir diese Gestaltungschancen aus gesellschaftlicher Sicht sinnvoll und effizient nutzen?

Ein Quartier ist heute viel mehr als nur der Ort, an dem wir wohnen. Es ist der Ort, in dem vielfältige Angebote und Möglichkeiten einen Raum schaffen, an dem wir in vielerlei Hinsicht komfortabel leben und arbeiten können. Im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit müssen dabei sehr viele Themen intelligent miteinander verzahnt werden.

Mehrwert für den Menschen entsteht erst im Zusammenspiel von Quartiersinfrastruktur und Nutzung.

In konstruktiven und partizipativen Prozessen setze ich mich alltäglich damit auseinander. Gemeinsam mit meinen Kolleg*innen versuche  ich  den genannten Herausforderungen auf den Grund zu gehen. Allein durch eine intensive Auseinandersetzung und Einbeziehung unterschiedlichster Blickwinkel gelingt so ein tiefgreifendes Verständnis. Egal ob es dabei um klimaneutrale Quartiersversorgung, autoreduziertes Wohnen oder vernetzte Nachbarschaften geht. Nach unserem Verständnis meint Quartiersinfrastruktur nicht nur Energie- oder Telekommunikationsinfrastruktur, sondern auch Lage, Zustand, Zuschnitt und Gestaltung der Räume. Erst im intersektoralen und ganzheitlich betrachteten Zusammenspiel miteinander entsteht dadurch ein langfristiger Mehrwert für Quartiersbewohner*innen und Nutzer*innen.

Besonders deutlich wird mir das bei der eigenen Quartiersentwicklung der EnBW: „Der neue Stöckach“. Auf dem mehr als vier Hektar großen ehemaligen Betriebsgelände „Stöckach“ in Stuttgart-Ost entwickelt die EnBW ein zukunfts- und anpassungsfähiges Quartier, das nutzungsorientierte und umweltgerechte Wohn- und Mobilitätsformen für Generationen mitten in der Stadt schafft. Die Grundlage dafür legen wir durch eine sinnvolle, zukunftsfähige sowie sektorenübergreifende Infrastruktur.

Der neue Stöckach – Ein gutes Stück Stuttgart | EnBW

Quartiersinfrastruktur muss flexibel und adaptiv gestaltet sein.

Eine der großen Herausforderung: Wenn wir Infrastrukturen heute planen und langfristig betreiben wollen, dann müssen wir sicher gehen, dass diese für die nächsten Jahrzehnte sicher, zuverlässig und bedarfsgerecht funktionieren können. Doch wie können wir heute schon wissen, was der Bedarf sein wird, wenn die Welt sich um uns herum so rasant und grundlegend ändert? Auch wir können nicht in die Zukunft schauen, aber wir können die Systeme, die wir heute planen, so auslegen, dass sie flexibel und adaptiv sind. Offen genug, um Gestaltungsspielräume zu zulassen und dennoch solide (heutige) Bedürfnisse umfänglich abzubilden.

Im Kern geht es darum, von Anfang an alles auf eine Weise aufzubauen und zu implementieren, dass maximal viele der heutigen als auch zukünftigen Nutzungsszenarien ermöglicht werden können, und zwar jedes zu seiner Zeit und nicht alles vollumfänglich von Anfang an. Dies wiederum macht die Thematik überaus komplex. Im Quartier als zentraler Baustein einer urbanen Infrastruktur, wird diese Komplexität sinnbildlich in ein kleineres, aber besser überschaubares Teilstück gebracht.

Wir müssen in der Komplexität den einfachen Nenner finden.

Durch eine gute interdisziplinäre Verzahnung können wir es schaffen, Quartiere auf flexible, sich kontinuierlich wandelnde Nutzungssituationen auszulegen. Dadurch ermöglichen wir es über den Lebenszyklus hinweg viele unterschiedliche Nutzer*innen anzusprechen und unterschiedliche Bedürfnisse zu erfüllen. Nutzer*innenzentrierte und Use-Case basierte Betrachtungen sind hierbei ein zentrales Element. Daraufhin kann eine Ableitung der Anforderung z.B. an Architektur und auch an Quartiersinfrastruktur heute und in Zukunft getroffen werden. Wir müssen jedoch innerhalb der gesamten Komplexität den einfachen Nenner finden und dies ist schwierigste Aufgabe

Legen wir diese Denklogik bei der Konzeption und Planung von Quartieren zu Grunde, ermöglichen wir Gestaltungsspielraum in der Zukunft, schaffen eine resiliente Basis für Veränderungen, Erneuerungen und Verbesserungen. Wir legen damit eine Grundlage für Zukunftschancen und leisten einen nachhaltigen Beitrag für unsere Gesellschaft und nachfolgende Generationen.

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