Weil der Anteil der Energie aus erneuerbaren Quellen in den vergangenen Jahren gestiegen ist, wird immer weniger konventioneller Strom benötigt. Das ist im Prinzip genau das Ziel der Energiewende und der einzige Weg, unsere selbst gesetzten Klimaziele zu erreichen. Ganz ohne die konventionellen Kraftwerke werden wir aber noch eine ganze Weile nicht auskommen. Wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, müssen wir mittelfristig insbesondere noch auf Gas- und Kohlestrom zurückzugreifen. Ich meine, dass diese schnelle Reserve insbesondere aus modernen und möglichst effizienten konventionellen Kraftwerken kommen muss.
Doch gerade die haben es auf unserem heutigen Energy-only-Markt schwer. Dort hat zum Beispiel günstige Energie aus schwerfälligen und abgeschriebenen Braunkohlekraftwerken Vorzug vor Strom aus effizienteren und klimaschonenderen Gas- und Dampf-Kraftwerken. Der grüne Strom aus Erneuerbaren verdrängt also zuerst die modernsten konventionellen Alternativen, in die deshalb nicht weiter investiert wird.
Wie können wir nun dafür sorgen, dass uns die notwendigen Kapazitäten im Bedarfsfall zur Verfügung stehen? Kapazitätsmechanismen können in unterschiedlichem Ausmaß in den künftigen Energiemarkt integriert werden – Experten sprechen etwa von umfassenden und fokussierten Kapazitätsmärkten, je nachdem wer bei den Auktionen bieten darf und nach welchen Kriterien die vorgehaltenen Kapazitäten entlohnt werden. Eine Alternative ist eine „stille“ oder „strategische Reserve“ fossiler Kraftwerke, die einmalig über eine Auktion eingekauft wird.
Die Bundesregierung hat nun entschieden, die Sicherheit der Stromversorgung langfristig über Preisspitzen sowie eine strategische Reserve gewährleisten zu wollen. Ich bin skeptisch, ob das Experiment der Bundesregierung tatsächlich langfristig und vor allem kostengünstig die Versorgungssicherheit gewährleisten kann. So sind vergleichbare Pläne im Ausland bereits gescheitert. Auch Kalifornien hatte zum Beispiel vor Jahren darauf vertraut, dass hohe Preise in Zeiten mit knappem Stromangebot ausreichende Anreize für notwendige Investitionen in neue Kraftwerkskapazitäten schaffen würden. Das Ergebnis war, dass Kalifornien im Sommer 2000 kurz vor dem Blackout stand und daraufhin einen flexiblen Kapazitätsmarkt eingeführt hat.
Gefährdet die geplante Reform des Strommarktes die Versorgungssicherheit?
Selbst wenn die Prognosen der Bundesregierung eintreffen und der Strompreis in einem Energy-Only-Markt künftig in Spitzenzeiten tatsächlich stark nach oben ausschlagen sollte, müssen Investoren erst noch darauf vertrauen, dass dieser Effekt auch langfristig erhalten bleibt. Renommierte Wissenschaftler haben bereits erhebliche Zweifel an dieser Annahme geäußert. In Anbetracht von langjährigen Planungs-, Genehmigungs- und Bauzeiten ist mir zudem nicht klar, wie die Bundesregierung auch in der Zwischenzeit die gewohnte Versorgungssicherheit gewährleisten möchte.
Kritisch sehe ich auch die geplante „Kapazitäts- und Klimareserve“, die zunächst unter anderem aus alten Braunkohlekraftwerken bestehen soll. Ich bezweifele, dass sich alte, klimaschädliche Braunkohlekraftwerke für eine Reserve im Strommarkt eignen. Denn zum einen verfügen sie nicht über eine ausreichende Flexibilität, um kurzfristig einspringen zu können. Und zum anderen ist ihre Bereithaltung in der Reserve im Vergleich zu anderen Kraftwerken besonders teuer.
Die Pläne der Bundesregierung bergen daher aus meiner Sicht die Gefahr, das in Deutschland vorhandene und für unsere Gesellschaft unverzichtbare hohe Niveau an Versorgungssicherheit langfristig nicht ausreichend gewährleisten zu können.
Einig bin ich mit der Bundesregierung, dass wir keine unnötigen Kosten für überflüssige Kapazitäten erzeugen dürfen. Ich bin aber davon überzeugt, dass ein fokussierter Kapazitätsmarkt mit einer intelligenten Ausgestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen eine möglichst kosteneffiziente Stromversorgung gewährleisten kann. Ich habe mich daher für einen solchen fokussierten Kapazitätsmarkt ausgesprochen. Dort lässt sich bereits mit dem Vorhalten von Erzeugungskapazitäten Geld verdienen. Dann sind nicht nur Kraftwerke im Betrieb ein Erlösmodell, sondern auch Kraftwerke, die betriebsbereit stehen, um in Hochlastphasen Versorgungslücken zu füllen. Mit diesen Einnahmen lassen sich Investitionen in moderne Technologien gegenfinanzieren.
Übrigens können in einem solchen Modell auch Stromspeicher und abschaltbare beziehungsweise steuerbare Lasten einen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten, der Marktmechanismus stellt dabei Transparenz sicher. So könnten künftig Kraftwerkskapazitäten ausgeschrieben werden und jener Betreiber bekommt den Zuschlag, der Kriterien wie Preis, Effizienz oder Klimafreundlichkeit am besten erfüllt.
Thorsten Zoerner
vor 9 JahrenWas passiert, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, kann man ganz gut erkennen.
Dann erzeugen wir in Deutschland noch immer (laut Übertragungsnetzbetreiber):
- 548.354 MWh Strom aus Sonnenenergie und Windkraft.
- 330.339 MWh aus Laufwasser
- 363.509 MWh aus Biomasse
und damit mehr, als am gleichen Tag in Gaskraftwerken (70.790 MWh) erzeugt wurde.