Importkohle aus Kolumbien: Reden ist Silber – Handeln ist Gold

Gastautor Portrait

Sebastian Rötters

PowerShift e.V.

Sebastian Rötters arbeitet als Referent für Klima- und Ressourcengerechtigkeit bei PowerShift e.V. in Berlin. Er kennt Kolumbien seit mehr als 15 Jahren und hat in Kolumbien für die Menschenrechtsorganisation Peace Brigades International gearbeitet. Durch diese Tätigkeit wurde ihm ein sehr umfassender Einblick in den kolumbianischen Bürgerkrieg gewährt. Nach seiner Rückkehr aus Kolumbien arbeitete er für die Menschenrechtsorganisation FIAN in Köln und beschäftigt sich seither mit dem Thema Kohleimporte.

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22. Oktober 2014

Lange war alles ganz einfach: Die EnBW und andere Stromversorger kauften billige Steinkohle im Bürgerkriegsland Kolumbien und niemand stellte kritische Fragen. Doch auf einmal wurde es kompliziert: Zwei wichtigen Kohlelieferanten (Drummond und Prodeco) wurde vorgeworfen, über viele Jahre paramilitärische Einheiten finanziert zu haben, die für mehr als 3.000 Morde und 55.000 Vertriebene verantwortlich seien.

Zuvor war bereits bekannt, dass ein kolumbianisches Gericht Ermittlungen gegen mehrere ranghohe Drummond-Mitarbeiter und den Firmenboss anmahnte, um ihre MitverantwortungP1100153 für den Mord an zwei Gewerkschaftsführern aufzuklären. Und schon seit fünf Jahren werden die Minenbetreiber in zahlreichen Aufsätzen und Studien beschuldigt, mit den paramilitärischen Einheiten zusammen gearbeitet zu haben. All diese Neuigkeiten lassen die üblichen Probleme wie zahlreiche Umwelt- und Steuervergehen, verschleppte Umsiedlungen, erkrankte Arbeiter, bedrohte und ins Exil geflohene Gewerkschafter geradezu verschwinden.
Wie reagieren die Energiefirmen? Obwohl schwer vorstellbar ist, dass die Geschäfte mit solchen Partnern einfach weiter gehen, geschieht genau das! EnBW & Co beteuern lediglich, einen Dialog mit den Beschuldigten zu führen; substanzielle Verhaltensänderungen gibt es nicht.

Offenbarungseid zu Lasten der Opfer

Seit Jahren fordern europäische Nichtregierungsorganisationen, dass die Energieversorger ihre Kohle-Bezugsquellen offenlegen und ihrer besonderen Sorgfaltspflicht innerhalb ihrer Lieferkette nachkommen sollen. Dazu gehört, bei schwersten Menschenrechtsverletzungen die Notbremse zu ziehen und den Bezug von Kohle dieser Unternehmen – auch über Zwischenhändler – einzustellen. Alles andere ist für einen verantwortungsvollen Konzern unglaubwürdig. EnBW hält jedoch hartnäckig an seinen Lieferanten fest, wohl auch deshalb, weil Drummond aktuell zu den günstigsten Steinkohle-Anbietern gehören dürfte. Durch seine Untätigkeit sendet das Unternehmen ein fatales Signal an die Bergbaukonzerne: „Geschäftsinteresse geht vor Moral.“ Aus menschenrechtlicher Sicht ist dies ohne Zweifel ein Offenbarungseid zu Lasten der Opfer.
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Die Angst vorm faulen Ei im Lieferantenkörbchen
Wir begrüßen, dass sich die EnBW AG für einen Dialog zum Thema Importkohle geöffnet hat. Nur: vom Reden allein wird die Welt nicht besser und das Unternehmen nicht grüner. Für viele andere Wirtschaftszweige gehört eine Offenlegung der Lieferkette längst zum Nachhaltigkeitsstandard. Die EnBW scheut jedoch vor diesem Schritt zurück. Vielleicht weil dann zu Tage treten könnte, dass sich noch so manch anderes faule Ei im Lieferantenkörbchen befindet? Denn auch in Russland, Südafrika, den USA oder anderen kolumbianischen Minen ist der Kohleabbau oft mit Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen verbunden.

Syndicat

Darum sind auch Nachweise über die Prüfungen der Lieferanten notwendig. Denn Audits, über die man nur erfährt, dass der Geprüfte sie bestanden hat, sind wertlos und bestätigen nur, dass eine kuschelige Nähe zwischen Lieferant und Stromversorger vorherrscht. Wer sägt schon gern am Ast, auf dem beide gemütlich sitzen? Wenn die Lieferketten der EnBW und anderer Energieversorger auch in Zukunft intransparent bleiben und sie in so gravierenden Fällen wie Drummond klare Konsequenzen scheuen, werden wir weiterhin von „Blutkohle in deutschen Kraftwerken“ reden müssen. Denn die Opfer vor Ort warten noch immer auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung, während hierzulande ein Schiff nach dem anderen Drummond-Kohle den Rhein hochschippert.
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Wir danken Pax Niederlande für die Fotos.
Der Bericht der Organisation über paramilitärische Gewalt in Kolumbien (The dark side of coal) kann hier heruntergeladen werden.
Die Antwort von Drummond auf die Vorwürfe des Reports von Pax finden Sie hier.
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In dieser Reihe erschienen bisher:
Kohle – ein Baustein der sicheren Energieversorgung
Die Steinkohle im Energiemix
Infografik: Der Weg der Kohle
Verantwortliche Rohstoffbeschaffung beginnt vor Ort

Diskutieren Sie mit

  1. Alejandro Rodriguez

    vor 9 Jahren

    Es gibt nichts zu handeln wenn es bereit Terroristen involviert sind, das gleiche passiert in Syrien, in Irak aber auch in Russland wegen der Ukraine Konflikt. Wieso ist es hier anders? Die kolumbianische Paramilitärischen Gruppen sind Terroristen und noch aktiv, immer wieder gibt es gezielte Attentate gegen Soziale und politische Persönlichkeiten, Indigenen und Campesinos die in der Region wohnen, so wohl auch gegen die Gewerkschaftler. In Kolumbien herrscht eine Gewaltige Krieg und jedes mal wenn die Indigenen und die Campesinos auf die Straßen zum protestieren gehen, heißt es, dass sie guerrilleros sind; zu folge wird man direkt sogar von der Polizei geschossen . Also besser den Mund Still halten und wer profitiert davon? Die Multinationale Konzerne, die machen was sie wollen und jede Stück Land bekommen ohne Rücksicht auf die Bevölkerung. Die Regionen wo diese Minen sich befinden sind die ärmsten und gewaltige des Landes.
    Also es ist einfach unverschämt bis auf kriminell Mitschuldigt, das Verhalten von den deutschen Unternehmen die von diesen Massakern profitieren und profitiert haben. Es ist eine Schande von eine Nation, die einen man wie Hitler erlitten hat. Eine ungeheure Schande für ein Nation mit so viele Opfer schon auf dem Konto. Ich als Deutsch-Kolumbianer schäme mich von Leute die einfach kein Respekt und kein Bewusstsein habe gegenüber den Mitmenschen.

  2. Kai Decker

    vor 9 Jahren

    Die Vorwürfe der Verletzung von Menschenrechten beim Abbau von Steinkohle nehmen wir ernst. Aus diesem Grund engagieren wir uns vor Ort aktiv, wie bereits im Beitrag von Dr. Zimmer (https://www.dialog-energie-zukunft.de/verantwortliche-kohlebeschaffung/#inhalt) bzw. meinem Kommentar (s.u.) geschildert. Wir sind davon überzeugt, dass der Boykott einzelner Länder nicht zielführend ist, sondern dass wir nur gemeinsam mit allen Beteiligten an der Kohle-Lieferkette und den Stakeholder-Gruppen zusammen an einer Verbesserung der Abbau- und Lebensbedingungen arbeiten können.

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  3. Kai Decker

    vor 9 Jahren

    Die von Herrn Rötters geäußerte Kritik greife ich auf, um anhand von ein paar Beispielen zu zeigen, wie konkret die EnBW bereits direkt vor Ort in Kolumbien handelt.
    Im März fand unter Beteiligung des Vorstands der EnBW eine Informationsreise nach Kolumbien statt. Als ein Ergebnis dieser Reise haben wir im Mai eine eigene Vor-Ort-Präsenz etabliert.
    Vor ein paar Wochen, im September, hat die EnBW gemeinsam mit der Friedrich-Ebert-Stiftung und der IG BCE eine hochrangig besetzte Konferenz mit zentralen Stakeholdergruppen (auch unterschiedliche Gewerkschaften und NGOs) in Bogota veranstaltet (https://www.enbw.com/unternehmen/konzern/ueber-uns/verantwortung/aktuelles/index.html). PowerShift hat an dieser Konferenz leider nicht teilgenommen.
    Boykottforderungen wurden bei der Konferenz nicht geäußert, denn alle Beteiligten waren sich einig, dass dauerhafte Verbesserung nur im Dialog miteinander erreicht werden kann. Auf Grundlage dieser Konferenz werden derzeit weitere konkrete Projekte in den Abbauregionen geplant.
    Die EnBW befindet sich auch weiterhin im ständigen Austausch mit den Stakeholdergruppen vor Ort und in Deutschland und setzt die Erkenntnisse daraus aktiv um (https://www.enbw.com/unternehmen/konzern/ueber-uns/verantwortung/verantwortliche-kohlebeschaffung/faq.html).

  4. Kai Decker

    vor 9 Jahren

    Den genauen Ablauf der Konferenz und die Redner finden Sie hier: https://www.enbw.com/media/konzern/docs/nachhaltigkeitsbericht/agenda_responible_coal_colombia-english-final.pdf
    Eine ausführlichere Nachberichterstattung und Zusammenfassung der Veranstaltung wird derzeit noch erstellt und anschließend auf unser Homepage in der Rubrik „Verantwortung“ veröffentlicht.

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  5. Mats Hosan

    vor 9 Jahren

    Wo finde ich die genannte Konferenz ("Conferencia: Minería del Carbón, responsable y sostenible en Colombia"?) transparent dokumentiert inkl. der teilnehmenden Organisationen bzw. VertreterInnen? Mit Mühe finden sich Hinweise über ein Foto auf Twitter, einen Text aus 'El Tiempo' via Facebook und nicht einmal auf der Webseite der FES Colombia (ok, das ist nicht Ihre Baustelle) taucht etwas auf. Unter dem von Ihnen verbreiteten Link findet sich dann jenseits des PR-Levels leider nichts Tiefschürfendes zur Konferenz.

    Der Artikel aus EL TIEMPO (http://www.eltiempo.com/opinion/columnistas/dialogo-minero-manuel-rodriguez-becerra-columnista-el-tiempo/14565722) erwähnt übrigens kritisch die nur marginale Beteiligung des kolumbianischen Bergbauminsteriums an der Konferenz und die völlige Abwesenheit von VertreterInnen des Umwelt- und Arbeitsministeriums - Abwesenheiten, die sich gut symbolisch lesen lassen.

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