In den letzten Jahren haben sich in Deutschland die Zeiten für die Kohleverstromung grundlegend geändert. Noch 2007 wollten Energiekonzerne und Stadtwerke hierzulande über 40 neue Kohlekraftwerke bauen. Heute sind diejenigen froh, deren Projekt durch Proteste von Umweltorganisationen und Bürgerinitiativen gestoppt wurden. Denn derzeit verdienen die Betreiber von fossilen Kraftwerken aufgrund der niedrigen Großhandelspreise kaum mehr Geld. Dies liegt vor allem an den massiven Überkapazitäten bei den fossilen Kraftwerken. Und das ist die gute Nachricht. Viele klimaschädliche Kohlekraftwerke, die noch am Netz sind, werden dank des erfolgreichen Ausbaus der erneuerbaren Energien nicht mehr benötigt.
Doch die schlechte Nachricht lautet, dass aufgrund niedriger CO2– und Kohlepreise und hoher Gaspreise vor allem Gaskraftwerke aus dem Markt gedrängt werden und damit die emissionsärmsten und flexibelsten Anlagen. Während sich die Braun- und Steinkohleverstromung auf hohem Niveau hält und immer noch über 46 Prozent der Stromerzeugung ausmacht, hat sich die Produktion in Gaskraftwerken seit Anfang des ahrzehnts nahezu halbiert.
Der Trend weg vom Gas hin zu Kohle ist eine große Hürde für den Klimaschutz in Deutschland. Denn die Stromerzeugung aus Kohle versursacht mit Abstand die höchsten CO2-Emissionen pro Energieeinheit: Braunkohlekraftwerke emittieren pro produzierte Kilowattstunde (kWh) durchschnittlich 1.161 Gramm CO2 und Steinkohlemeiler 902 Gramm CO2. Mit Erdgas befeuerte Kraftwerke emittieren fast zwei Drittel weniger. Weil hierzulande zu viel Strom aus Kohle erzeugt wird ist es in den vergangenen Jahren nicht gelungen, die Klimaverschmutzung auf das nötige Maß zu beschränken. Den erneuerbaren Energien ist es zu verdanken, dass der Emissionsanstieg im letzten Jahr trotz Kohle-Boom mit einer Steigerung von 1,2 Prozent nur moderat ausfiel.
Klar ist: Ohne eine Reduzierung der Kohleverstromung, die für über 40 Prozent der gesamten deutschen CO2-Emissionen verantwortlich ist, wird Deutschland beim Klimaschutz scheitern. Allein die neun größten Braunkohlekraftwerke verursachen fast ein Fünftel aller nationalen CO2-Emissionen. Die Steinkohleverstromung emittierte im vergangenen Jahr aufgrund steigender Produktion satte 9 Millionen Tonnen mehr CO2 im Vergleich zum Vorjahr.
Doch nicht nur klimapolitisch besteht dringender Handlungsbedarf. Denn für die Anforderungen der Energiewende sind Kohlekraftwerke schlecht gerüstet. Schon jetzt macht den Betreibern von Kohlemeilern zu schaffen, dass sie immer flexibler eingesetzt werden müssen, um die wachsende Menge fluktuierender Einspeisung aus Wind- und Sonnenstrom auszugleichen. Auf die unstete Fahrweise mit einem ständigen Hoch- und Runterfahren sowie einem häufigen Ein- und Ausschalten sind weder Braun- noch Steinkohlekraftwerke technisch oder betriebswirtschaftlich ausgelegt. Gaskraftwerke haben auch hier die Nase vorn, weil sie nicht nur sehr schnell Lastrampen fahren können, sondern auch quasi von null auf hundert hochgefahren werden können.
Kohlekraftwerke stoßen zudem einen wahren Giftcocktail aus gesundheitsgefährdenden Luftschadstoffen (wie Schwefeldioxid, Stickstoffoxid), giftigen Metallen (wie Blei, Arsen und Quecksilber) und Feinstaub aus. So stammten in Deutschland von 2010 bis 2012 rund 70 Prozent der hochgiftigen Quecksilberemission aus dem Energiesektor, vor allem aus den mit Braun- und Steinkohle befeuerten Kraftwerken. Durch Klimaverschmutzung und Luftschadstoffemissionen der Kohlemeiler entstehen erhebliche Schäden für Umwelt und Gesundheit. Das Umweltbundesamt beziffert die daraus erwachsende Kostenbelastung durch die Braunkohle auf 10,75 ct/kWh und durch die Steinkohle auf 8,94 ct/kWh. Bei Erdgas liegt der Wert deutlich darunter, bei 4,91 ct/kWh. Die „billige Kohle“ ist also ein Mythos, der darauf beruht, dass deren versteckte Kosten der Gesellschaft aufgebürdet werden.
Ein weiteres Problem ist der Kohleabbau. Die Braunkohleverstromung basiert auf der Verwüstung ganzer Landstriche, der Zerstörung von Dörfern und der großflächigen Vernichtung von Jahrtausende alten, wertvollen Naturräumen und Kulturlandschaften. Sowohl der Steinkohle- als auch der Braunkohleabbau beinhaltet erhebliche Eingriffe in den Wasserhaushalt und verursacht massive Bergschäden. Die dramatischen Folgenlasten reichen noch weit über den Abbau der Kohle hinaus. Mit dem zunehmenden Import von Steinkohle werden die damit verbundenen Probleme nur ins Ausland verlagert und gehen darüber hinaus noch mit Menschenrechtsproblemen einher .
Mit der Energiewende ist das Auslaufen der Kohleverstromung nicht nur möglich, sondern auch unumgänglich. Die drastische und kontinuierliche Reduktion der Kohleverstromung ist zudem Voraussetzung für die Einhaltung unserer Klimaschutzziele. Der EU-Emissionshandel wird aber auf absehbare Zeit nicht die Lenkungswirkung haben, um hier voranzukommen. Deshalb sind zusätzliche ordnungspolitische Maßnahmen nötig. Als erster Schritt müssen jetzt die überflüssigen, alten und besonders klimaschädlichen Anlagen abgeschaltet werden. Es ist deshalb nur konsequent, dass die Bundesregierung hier entsprechende Maßnahmen diskutiert. Der BUND hat dazu bereits einen Vorschlag für die Abschaltung der 24 ältesten Braunkohleblöcke (10 Gigawatt) bis 2020 vorgelegt. In einem zweiten Schritt muss in Deutschland nach dem Atomausstieg auch der Kohleausstieg eingeleitet werden. Die gesellschaftliche Diskussion, wie dies am besten gelingen kann, ist längst überfällig.
Zusätzliche Informationen im UBA Sachstandsbericht Braun- und Steinkohle, Oktober 2014.
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In dieser Reihe erschienen bisher:
Nachhaltiger und verantwortlicher Kohlebergbau ist möglich
Importkohle aus Kolumbien: Reden ist Silber – Handeln ist Gold
Kohle – ein Baustein der sicheren Energieversorgung
Infografik: Der Weg der Kohle
Verantwortliche Rohstoffbeschaffung beginnt vor Ort
Ingo
vor 4 Jahren"Deiser Artikel ... "
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