Im Zusammenhang mit der Energiewende dominieren aktuell Themen wie Netzausbau, Reservekraftwerke, EEG und die Kosten der Energiewende die Diskussion. Der Energiewende-Blog hat sich daher in den letzten Wochen ganz bewusst ein Thema gesucht, das in der Debatte bisher eher zu kurz kam: Wasserstoff.
Unsere Gastautoren haben dabei Themen wie die Energiespeicherung und Energierückgewinnung, Brennstoffzellentechnik in Linienbussen, Grüner Wasserstoff für den Verkehr, Wasserstoff als alternativer Kraftstoff oder die grundlegende Wasserstoffinfrastruktur beleuchtet und vorgestellt. Zum Abschluss dieser Reihe führte der DEZ ein Interview mit Dr. Alexander Conreder, EnBW Projektleiter der Clean Energy Partnership und Senior Manager der Geschäftsentwicklung von Energielösungen.
DEZ: Welche Rolle spielt Wasserstoff für die Energiewende?
Wasserstoff hat den Vorteil, dass er sowohl als Kurzzeitspeicher als auch als Langzeitspeicher fungieren kann. Vergleichbar mit Erdgas kann er in Kavernen gespeichert werden, die heute schon ca. vier bis sechs Wochen den gesamten Gasbedarf in Deutschland abdecken können. Mit einem solchen Speichervolumen könnten mit Wasserstoff also auch die oftmals zitierten zwei Wochen mit wenig Sonne und ohne Wind überbrückt werden. Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Synergien zwischen Mobilität und Speicherbedarf. Um die benötigten Energiemengen z.B. in 2050 zu speichern, werden in der Spitze ca. 45 GW Speicherleistung benötigt, so ein Szenario der Leitstudie des BMUB. Diese Leistung wird jedoch nur für wenige Stunden im Jahr gebraucht, wodurch die Bereithaltung sehr teuer wird. Der Strompreis würde entsprechend steigen. Im Kontext der Mobilität könnte diese installierte Leistung jedoch nun als zweiten Job den Wasserstoff für die Mobilität erzeugen, wenn sie nicht gerade zur Stützung des Energiesystems benötigt wird. Die Anlagen wären also ausgelasteter und würden kontinuierlicher laufen, der Strompreis würde weniger belastet.
DEZ: Warum beschäftigt sich die EnBW mit Wasserstoff?
Die gesamte deutsche Energiewirtschaft befindet sich in einem grundlegenden Wandel, den wir nicht nur als Herausforderung, sondern auch als Chancen verstehen. Bei der EnBW betrachten wir sehr intensiv, welche neuen Möglichkeiten sich auftun und wie wir unser Portfolio weiterentwickeln können. Konkret ergeben sich im Zusammenhang mit Wasserstoff für uns drei wichtige Aktivitätsfelder, die wir zusammen mit unseren Partnern aktiv angehen: Die Rolle von grünem Wasserstoff für eine nachhaltige Mobilität, die Speicherung von Energie aus fluktuierenden Erneuerbaren Energien und die dezentrale Erzeugung von Wasserstoff vor Ort beim Kunden, zum Beispiel für die Nahrungsmittelindustrie.
DEZ: Was für konkrete Wasserstoff-Projekte gibt es bei der EnBW?
Aktuell führen wir mehrere Projekte durch, bzw. beteiligen uns als Partner an deren Umsetzung. Im Bereich der Mobilität betreiben wir derzeit zwei Wasserstofftankstellen, eine in Karlsruhe und eine in Stuttgart. Bei der Tankstelle in Stuttgart wird der Wasserstoff durch Elektrolyse vor Ort mit Strom aus Wasserkraft hergestellt. In diesem Kontext haben wir auch mehrere Wasserstoff-Fahrzeuge bei uns im Fahrzeugpool in Betrieb. Begleitet werden diese Aktivitäten durch das Projekt Clean Energy Partnership, in dem wir mit weiteren Partnern an einer breiten Markteinführung der Wasserstoffmobilität arbeiten. Hierbei müssen auch Standards wie Abrechnungsmodelle oder Abnahmetests geklärt werden.
DEZ: Können Sie uns ein paar konkrete Ergebnisse aus diesem Projekt nennen?
Eine wichtige Erkenntnis ist, dass die Tücke meist im Detail steckt. Oft sind es eher untergeordnete Systembestandteile wie Ventile, die im Gesamtsystem ein Verhalten aufweisen, wie wir es nicht erwartet haben. Auch müssen wir weiter an den Betriebsweisen arbeiten. Ein Elektrolyseur beispielsweise ist eher für einen Vollzeitbetrieb ausgelegt. Da die Nachfrage nach Wasserstoff für Fahrzeuge heute jedoch noch nicht sehr hoch ist, stehen die Tankstellen oft still. Das dadurch oftmalige Wiederhochfahren des Systems reduziert dann den Wirkungsgrad der Anlage. Auf Basis des Projektes können wir heute viel besser die Wirtschaftlichkeit einschätzen und die Hebel für weitere Verbesserungen benennen. Hier arbeiten wir eng mit den Herstellern zusammen, damit die Anlagen künftig den Anforderungen aus dem Praxisbetrieb gerecht werden können.
DEZ: Welche konkreten Angebote ergeben sich für Kunden?
Aktuell können Kunden bei uns einfach mit einer entsprechenden Tankkarte die Wasserstoffsäule freischalten und ihr Wasserstofffahrzeug tanken. Auch die Stuttgarter Straßenbahn Gesellschaft (SSB) tankt heute bereits ihre Busse bei uns. Bisher gibt es jedoch keine Wasserstofffahrzeuge in Großserie. Zwei Anbieter haben dies für 2015 jedoch angekündigt. Perspektivisch wollen wir sowohl für Tankstellen als auch für Flotten eine grüne Wasserstoffversorgung anbieten, die dann natürlich auch für andere Zwecke eingesetzt werden kann, z.B. als technisches Gas in der Industrie.
DEZ: Vielen Dank für das Gespräch.
Zur Person
Dr. Alexander Conreder fand bereits als Praktikant/Diplomand Ende der 90er den Einstieg bei der heutigen NuCellSys in die Brennstoffzellenwelt, die ihn bei der MVV Energie in Mannheim weiter begleitete, auch bei der Bewertung von Start-Up Unternehmen. Nach acht Jahren in der Schweiz, wo er an der Universität St. Gallen zum Thema Innovationsmanagement promovierte, selbst ein Start–Up mit aufbaute und andere Unternehmen im Kontext Innovation und Unternehmensentwicklung beriet, kehrte er nach Deutschland zur EnBW zurück. Heute arbeitet er dort als Senior Manager der Geschäftsentwicklung von Energielösungen und ist EnBW-Projektleiter der Clean Energy Partnership.
_______________________________________________
Zu diesem Standpunkt sind bisher folgende Beiträge erschienen:
Wasserstoff-Elektrolyse
Die Brennstoffzelle im ÖPNV
Alternative Kraftstoffe: Herausforderungen für zufriedene Kunden
Grüner Wasserstoff für den Verkehr
Auf dem Weg in die Wasserstoffgesellschaft
Wasserstoffinfrastruktur: Über die Mobilität in andere Märkte
Diskutieren Sie mit