Wir sind drei Trainees, die im letzten Herbst den Berufseinstieg im Traineeprogramm der EnBW gewagt haben. Wir durchlaufen in etwas mehr als einem Jahr fünf Bereiche, um einen breiten Einblick in den Konzern zu bekommen.
Wir kommen frisch von der Universität in eine Branche, die den Wandel vom klassischen Energieversorger zum modernen Energieunternehmen meistern muss. Hier ein kleiner Erfahrungsbericht von unseren ersten vier Monaten im Spannungsfeld Energiebranche.
Das Traineeprogramm als Einstieg
Warum haben wir uns für ein Traineeprogramm bei einem EVU entschieden? Vielleicht ist es der Drang nach Veränderung und Abwechslung. Unter Umständen auch die Hoffnung, frischen Wind in einen großen Konzern zu bringen. Mit Sicherheit aber die Möglichkeit, an etwas Großem mitzuwirken: dem Wandel der Energiewirtschaft.
Unsere Generation wurde massiv durch den Klimawandel und damit einhergehende Naturkatastrophen, den Ausbau von erneuerbaren Energien und den Atomausstieg geprägt. Dadurch hat sich bei uns das Bewusstsein geschärft, unseren nachfolgenden Generationen keinen Scherbenhaufen zu hinterlassen. Der Klimawandel ist ein globales Problem und muss ganzheitlich betrachtet werden. Genau diese Möglichkeit sehen wir bei einem großen EVU wie der EnBW. Hier können wir auf vielen Ebenen mitgestalten und durch große Projekte Einfluss nehmen.
Hierfür rüstet uns das Traineeprogramm mit dem nötigen Handwerkszeug. Ebenso erhalten wir die Möglichkeit, neue Geschäftsfelder mitzugestalten. Wir können uns in einem geschützten Umfeld entwickeln, um uns für die relevanten Themen der Energiewirtschaft zu wappnen. Darüber hinaus können wir als Multiplikatoren für u.a. agile Arbeitsmethoden und einen Kulturwandel wirken.
Die Kultur
Als Neulinge im Energiesektor und in einem großen Konzern überhaupt, überrascht uns immer wieder, wie schwer es für einige Kollegen ist, Veränderungen anzunehmen. An einigen Stellen scheinen noch immer nicht die Chancen erkannt zu werden, die der neue Energiemarkt mit sich bringt.
Neue Geschäftsmodelle müssen gefunden werden. Dazu muss die Zusammenarbeit zwischen Bereichen neu gedacht und manchmal auch auf liebgewonnene Privilegien verzichtet werden. Dazu gehört auch, dass eingeschliffene Verhaltensweisen durchbrochen werden müssen. Das setzt die Akzeptanz von Querdenkern voraus. Trotzdem nehmen wir an einigen Stellen noch lähmendes Lager- und Liniendenken und vielerorts Skepsis gegenüber neuen Arbeitsmethoden wahr.
Doch genauso wie das kulturelle Erbe der alten Energiewelt ist auch an vielen Stellen der Wille zum Umbruch und zur Entwicklung eigener Visionen zu spüren. Das Spannungsfeld, das aus dem Gegensatz zwischen Wandel und „Weiter so“ entsteht, macht die EVU zu einem hochspannenden Arbeitgeber – denn als Trainees bekommen wir die gesamte Bandbreite mit.
Der Kulturwandel ist ein schmerzhafter und anstrengender Prozess, der aber zugleich befreiend sein kann. Wir haben den Eindruck, dass die Transformation vom Energieversorger zum modernen Energieunternehmen begonnen hat. Die Belegschaft begleitet diesen Wandel mit einer Gefühlslage irgendwo zwischen Enthusiasmus, Skepsis und Ungeduld.
Die Vision
Beim Einstieg in die Arbeitswelt kommt die Frage auf, wohin der persönliche Berufsweg führt. Wird es Energieversorger in der Form von heute in zehn bis 20 Jahren überhaupt noch geben? Zweifelsfrei hat sich die Geschäftsausrichtung in den letzten Jahren stark gewandelt.
Historisch sind EVUs als reine Commodity-Lieferanten aufgetreten. Für die Zukunft könnten wir uns eine Konzentration der Unternehmensaktivitäten auf einer Plattform vorstellen. Das EVU könnte dann als Service-Provider für modular kombinierbare Dienstleistungen im Bereich Software, Hardware und Energiebereitstellung auftreten. Somit wird es verstärkt zum Vermittler von Angebot und Nachfrage. Dennoch wird mit hoher Wahrscheinlichkeit die Erzeugung aus erneuerbaren Energien in Kombination mit Erdgas ein wichtiger Geschäftsbestandteil bleiben.
Die Unternehmensstrukturen in der Energiewirtschaft werden sich mit Sicherheit weiterhin wandeln. Dadurch entsteht Raum zum Gestalten und Lenken. Der Umbruch schafft somit ein äußerst interessantes Berufsumfeld. Wir sind gespannt, wo die Reise zukünftig hingeht und sind stolz, Teil dieser vielfältigen Branche im Rahmen eines Traineeprogramms zu sein.
Gerhard Riether
vor 7 JahrenAuf den ersten Blick gefällt mir der Erfahrungsbericht.
Die im Bericht genannten Erfahrungen kann man soweit sicherlich mehr oder weniger nachvollziehen.
Aber nach einem zweiten Blick gilt es das Ganze zu relativieren:
Folgende Aussage, die vom Verfasser des Berichts gemacht wurde, ist hervorzuheben:
"Wir können uns in einem geschützten Umfeld entwickeln, um uns für die relevanten Themen
der Energiewirtschaft zu wappnen."
Sehr richtig.
Viele
- der "Stellen, die noch immer nicht die Chancen erkannt haben",
- derjenigen, die "auf liebgewonnene Privilegien verzichtet" sollten,
- derjenigen, bei denen "eingeschliffene Verhaltensweisen durchbrochen werden müssen" und
- der "Stellen, an denen noch lähmendes Lager- und Liniendenken" und "Skepsis gegenüber
neuen Arbeitsmethoden wahrgenommen wird"
sorgen mit ihrem Einsatz für das "geschützte Umfeld" und beackern die aktuellen Themen der Energiewirtschaft, die nicht weniger relevant sind als die Zukünftigen. Diese Themen stellen das Fundament der aktuellen Energiewirtschaft dar und sind die Basis des Unternehmenserfolgs.
Zudem hat in der Energiewirtschaft die Aufbruch-Stimmung schon vor 20 Jahren mit der Liberalisierung des deutschen Strommarktes begonnen. Und dies war nur der Anfang eines sich seither ständig vollziehenden Wandels und Veränderungsprozesses, mit dem sich alle "Stellen" seither auseinandersetzen müssen und dies auch erfolgreich tun.
Alles das setzt außer "der Akzeptanz von Querdenkern" auch die Akzeptanz derjenigen voraus, die "für das geschützte Umfeld sorgen".
Wir brauchen alle Kollegen, sowohl diejenigen, die unseren aktuellen Erfolg sichern, als auch diejenigen, die an unserer Zukunft arbeiten - die Meisten sind an Beidem beteiligt.
Alle verbindet der im Bericht genannte "Wille zum Umbruch und zur Entwicklung eigener Visionen".
Karina Gschnaller, Nils Falkenhorst, Jens Zoll
vor 7 JahrenHallo Herr Riether,
wir finden toll, dass Sie das Thema unseres Artikels bewegt und Sie diesen auch kommentiert haben, vor allem weil Sie entscheidende Punkte ansprechen.
Natürlich haben Sie recht damit, dass der Wandel in der Energiewirtschaft seit mindestens zwanzig Jahren ein ständiger Begleiter ist und selbstverständlich ist es richtig, dass auch Kollegen, die wir in unserem Artikel etwas provokativ als Bewahrer dargestellt haben, am bisherigen und aktuellen Erfolg des Konzerns entscheidend beteiligt sind. Wir glauben aber, dass dies nicht ewig reichen wird.
Wir meinen mit unserem Artikel nicht, dass einzelne Geschäftsfelder – oder die Arbeit der Kollegen, die in diesen Geschäftsfeldern beschäftigt sind – plötzlich nichts mehr wert sind. Vielmehr möchten wir ausdrücken, dass die EVU neue Zielstellungen und Methoden sowie eine Kultur der Offenheit benötigen, um ein Umfeld zu schaffen, in dem Ideen entstehen können. Dies ist eine Voraussetzung dafür, das teilweise wegbrechende Geschäft ersetzen zu können. Wir sind der Ansicht, dass dieses Selbstverständnis jeden betrifft; völlig unabhängig von der Tätigkeit des Einzelnen.
Dieses neue Selbstverständnis ist zwar definiert und kommuniziert, hat den Konzern aber noch nicht völlig durchdrungen.
Viele Grüße,
Karina Gschnaller, Nils Falkenhorst, Jens Zoll