Warum wir einen Kapazitätsmarkt brauchen

Gastautor Portrait

Hans-Joachim Reck

Verband kommunaler Unternehmen

Der Jurist Hans-Joachim Reck ist seit dem 1. September 2007 Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) in Berlin und seit dem 12. Dezember 2011 Präsident des Europäischen Zentralverbandes der öffentlichen Arbeitgeber und Unternehmen in Europa (CEEP). Er war lange Zeit in der Politik in verschiedenen Funktionen aktiv: u. a. von 1993 bis 1996 als Bundesgeschäftsführer der CDU und 2003 bis 2005 als Generalsekretär der CDU in Nordrhein-Westfalen. Seine privatwirtschaftliche Erfahrung kommt aus dem Engagement im Management der Deutschen Telekom AG und als Partner bei der Heidrick & Struggles Unternehmensberatung GmbH & Co. KG.

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08. Mai 2014

Bei der Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) hat die Bundesregierung ein ordentliches Tempo vorgelegt. Die vorgesehenen technologiespezifischen Ausbaukorridore und insbesondere der Wechsel zur Direktvermarktung sind wichtig, um den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien besser zu steuern und das Angebot stärker an die Nachfrage anzupassen.

Für die Versorgungssicherheit, die entscheidend für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist, brauchen wir aber mehr: Um ausreichend gesicherte Leistung zur Verfügung stellen zu können, muss diese Bereitstellung auch entsprechend honoriert werden.

Die Lage auf dem Erzeugungsmarkt hat sich dramatisch zugespitzt. Aktuell können selbst konventionelle Anlagen, die hocheffizient Energie erzeugen, kaum wirtschaftlich betrieben werden. Dabei brauchen wir mehr von diesen hochflexiblen Kraftwerken für eine optimalere Markt- und Systemintegration der erneuerbaren Energien. Derzeit laufen aber gerade diese Anlagen nur wenige Stunden jährlich und können so ihre Kosten nicht am Strommarkt refinanzieren. Zukünftig wird sich dieses Problem bei steigender fluktuierender Erzeugung und gleichbleibender Spitzenlast noch verschärfen. Von den Kraftwerken, die die rund 80 bis 85 Gigawatt (GW) Spitzenlast (kurzzeitig auftretende hohe Leistungsnachfrage im Stromnetz, vor allem im Winter) abdecken müssen, sind Berechnungen der energiewirtschaftlichen Unternehmensberatung enervis zufolge bis 2030 etwa 25 GW und bis 2050 etwa 35 bis 40 GW sehr flexibel einsetzbar, aber mit wenig Einsatzstunden. Diese Anlagen erreichen in den Modellierungen keine ausreichende Wirtschaftlichkeit im bestehenden Marktdesign. Dies wird auch von der Bundesnetzagentur so gesehen, die in ihrem aktuellen Versorgungssicherheitsbericht deshalb die Einrichtung eines Kapazitätsmechanismus angeregt hat.

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) hat zur Auflösung dieses Dilemmas bereits im vergangenen Jahr einen dezentralen Leistungsmarkt vorgeschlagen, hinter dem sich inzwischen die gesamte Energiewirtschaft versammelt hat. Als umfassender Kapazitätsmarkt für das Gut gesicherte Leistung flankiert er den bestehenden Strommarkt.

Konventionell Klein[1]

Der Bedarf an zusätzlich gesicherter Leistung wird spätestens ab Anfang bis Mitte der 2020er Jahre entstehen, weil große Anlagen im konventionellen Bestandskraftwerksparks, insbesondere die Kernkraftwerke, stillgelegt werden. Berücksichtigt man die Projektierungsphasen von neuen Kraftwerken, dann braucht es zeitnah einen Kapazitätsmechanismus, der wettbewerblich organisiert und technologieoffen sein muss. Ohne einen Kapazitätsmarkt wird es mittelfristig keine für den Verbraucher bezahlbare, sichere und nachhaltige Energieversorgung geben können. Aufgrund der fluktuierenden Einspeisung der erneuerbaren Energien brauchen wir auch für windstille und sonnenarme Tage eine flexible und umweltfreundliche Energieerzeugung. Im Kraftwerkspark der Zukunft sind daher ausreichend konventionelle Kraftwerke notwendig. Hochmoderne, effiziente Gas- und Steinkohlekraftwerke können auf die Volatilität der erneuerbaren Energien schnell reagieren und damit sicherstellen, dass jederzeit ausreichend Strom zur Verfügung steht. Versorgungssicherheit ist das entscheidende Stichwort.

Nach der EEG-Novelle ist die Bundesregierung deshalb gefordert, in einem zweiten Schritt einen Kapazitätsmechanismus einzurichten. Das Ziel dauerhafter Versorgungssicherheit zum geringstmöglichen Preis kann nur erreicht werden, wenn Kostenanreize sowohl auf Angebots- als auch auf Nachfrageseite gesetzt werden. Dies leistet der vorgeschlagene dezentrale Leistungsmarkt, den der VKU in die Debatte um Kapazitätsmechanismen einbringt, die – nach Aussage des Bundeswirtschaftsministers – die nächste große energiepolitische Frage sein wird. Daher sollte die Bundesregierung einen entsprechenden Gesetzesentwurf unseres Erachtens schon diesen Sommer vorlegen.

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Lesehinweise der Redaktion:

Eine gute verständliche Erklärung des Kapazitätsmarktes

Eine Übersicht der Vorschläge zum Marktdesign

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  1. Dirk Kaiser

    vor 11 Jahren

    Herr Wagner, Herr Windmüller,
    .
    ich glaube, Sie haben vergessen zu erwähnen, dass es Presseberichte über eine Umwandlung in "bad-EVU" ' s gibt :-)
    .
    (P.S. Ich habe darauf an anderer Stelle bereits geantwortet)

  2. Windmüller

    vor 11 Jahren

    Was ich gar nicht verstehe Herr Kaiser:
    http://www.youtube.com/watch?v=0_MJD2khmsY
    Wer zwingt EnBW, in solchen Ökospökenkieker zu investieren ?
    Pauker Winni Kretschmann - oder noch Steinewerfer Fischer ?
    Als ob wir nicht schon genug Zappelstrom hätten.

    0 0
  3. Dirk Kaiser

    vor 11 Jahren

    "RWE investiert in Großbritannien in Windkraft, wie kein anderes Unternehmen. Das betrifft sowohl Offshore, als auch Onshore. Wie bringt RWE denn diesen "Zappelstrom" ins britische Stromnetz ?"
    ***
    Sie haben in der Vergangenheit nicht verstanden, was der Unterschied ist zwischen dem, was man sieht und dem, was dahinter steht. Das, was Sie als "Wahrheit" hinstellen, ist lediglich das, was Sie von Ihren (beschränktem) Standpunkt aus sehen:
    .
    http://www.rwe.com/web/cms/mediablob/de/2320250/data/105818/4/rwe/investor-relations/RWE-Geschaeftsbericht-2013.pdf
    .
    "Am 22. März 2013 hat RWE einen 49,9 %-Anteil an der Rhyl Flats Wind Farm Ltd., Swindon, Großbritannien... veräußert. Mit gleichem Datum hat RWE einen 41 %-Anteil an der Little Cheyne Court Wind Farm Ltd., Swindon, Großbritannien...veräußert. "
    .
    Firmen investieren, um daraus Ertrag zu generieren, stellt sich dieser erwartete Ertrag nicht mehr ein, muss geprüft werden, ob die Investitionen noch werthaltig sind und müssen gegebenenfalls außerplanmäßig abgeschrieben werden. Die höchsten außerplanmäßigen Abschreibungen hat RWE in 2013 auf seine niederländischen konventionellen KW vornehmen müssen - Grund: Wegen politischer Eingriffe (Bervorzung Erneuerbare) wurden die Anlagen unwirtschaftlich.
    .
    Viel Interessanter sind aber andere Posten:
    "...außerplanmäßige Abschreibungen in Höhe von 92 Mio. €... für Onshore-Windparks in den Niederlanden."
    .
    "Auf einen deutschen Offshore-Windpark im Segment Erneuerbare Energien entfielen außerplanmäßige Abschreibungen in Höhe von 260 Mio. € "
    .
    "Auf spanische Onshore-Windparks im Segment Erneuerbare Energien entfielen außerplanmäßige Abschreibungen in Höhe von 270 Mio. €"
    .
    alle Textstellen: siehe Link oben RWE GEschäftsbericht...

  4. Dirk Kaiser

    vor 11 Jahren

    Herr Windmüller,

    Sie haben doch Luftsprünge gemacht, wenn RWE (oder sonst irgendwer) irgendwo in der Welt eine Windmühle aufgestellt hat und haben dies als "Beweis" für die Wirtschaftlichkeit der Windmühlen angesehen... Ich habe Ihnen nur zeigen wollen, dass man irgendwie versucht, sich ein neues GHeschäftsfeld zu erschließen und dass es nur durch Subventionen - wenn überhaupt - wirtschaftlich ist.
    .

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  5. Windmüller

    vor 11 Jahren

    Herr Kaiser - was möchten sie denn nun erklären ?
    Wollen sie uns erklären, dass RWE von Jürgen Tritt ihn oder Claudia Roth gezwungen wurden, hunderte Mio € in Spanien oder den Niederlanden in Windräder zu stecken ?
    Was RWE abliefert, ist doch nur noch peinlich.
    RWE Essent bietet niederländischen Stromkunden 100% Windstrom aus niederländischer Produktion zu 23 cent an. Dort geht das, bei uns geht das natürlich gaaa nich.
    RWE hat auf zwei Schulen PV Anlagen mit 109 KW errichtet, und bietet den Partnerkommunen an, mit diesen Anlagen ihre Stromkosten zu senken.
    Wenn RWE das macht, ist das voRWEgehen, ansonsten muss das verhindert werden.
    Als Gipfel der Peinlichkeit möchte man nun den Rückbau der KKW und die Endlagerung in einen VEB umwandeln.
    Bei dem, was die etablierten Stromkonzerne abliefern, wendet sich doch selbst die CDU dankend ab.

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  6. Dirk Kaiser

    vor 11 Jahren

    Da wir auf absehbare Zeit leider keine adäquaten Stromspeicher zur Verfügung haben werden, werden wird um Kapazitätsmärkte wohl nicht herum kommen.
    Das wird den Strompreis leider wieder erhöhen... und diesmal werden die Betreiber von Kohlekraftwerken die Vergütung erhalten - reich wird man dadurch sicher nicht werden, muss auch nicht sein, dennoch - ein Fest für Verschwörungstheoretiker wie Herrn Wagner, der sicher wieder ignorieren wird, dass wir keinen Kapazitätsmarkt bräuchten, wenn wir nicht diesen unsinnigen ungezügelten EE-Zubau betreiben würden.

  7. Windmüller

    vor 11 Jahren

    Herr Kaiser - sie besitzen ein skuriles Weltbild. Wer ihnen mit der Wahrheit kommt, ist ein "Verschwörungstheoretiker"
    Wenn die großen Stromkonzerne etwas machen, ist das in Ordnung, machen Stadtwerke etwas, ist das Sozialismus..
    Im April 2010 traf sich die CSU in Wildbad Kreuth, um zu beschließen, dass die KKW in Bayern unbegrenzt länger am Netz bleiben sollen. Bei der anschließenden Pressekonferenz saß der Eon Chef dem bayerischen MP Seehofer auf dem Schoß, um ihm einzuflüstern, was er denn der versammelten Presse erklären soll.
    Das ist in Ordnung, und entspricht wahrscheinlich ihrem Verständnis von Marktwirtschaft.

    RWE investiert in Großbritannien in Windkraft, wie kein anderes Unternehmen. Das betrifft sowohl Offshore, als auch Onshore. Wie bringt RWE denn diesen "Zappelstrom" ins britische Stromnetz ?
    Wenn Bauer Piepenkötter eine PV Anlage auf dem Stalldach hat, produziert sie Zappelstrom, baut RWE in Hürth eine 3 MW Anlage, ist das voRWEgehen.
    Herr Kaiser - offensichtlich sind sie es, der schon mehrfach eine sozialistische Kaderschulung erfahren hat.

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  8. Dirk Kaiser

    vor 11 Jahren

    "die Bundesregierung legt in Sachen Energiewende schon seit Jahren die Rolle rückwärts hin – und die geplanten Ausbaukorridore (Sie meinen wohl die Mamutstromtrassen) "
    ***
    "... ich denk mir meine Welt, wie sie mir gefällt... lalalalala..." - Nix verstehen... aber egal... die anderen sind eh Schuld und haben sich alle gegen die armen Erneuerbaren verschworen! - bei den "Ausbaukorridoren" ist der Zubau von Zappelstromanlagen gemeint und nicht "Stromtrassen"!...Planwirtschaft pur! (Wir sollten alle in rhytmischens Beifallklatschen, unterbrochen von dreimaligen Hochrufen verfallen!)

    Also die Anlagen, die für die größte Vermögenvensumverteilung von unten nach oben in der Geschichte Deutschlands stehen.
    .
    Wir wissen nicht wohin mit unnützen Zappelstrom, der uns häufig dann fehlt, wenn wir ihn brauchen... aber je mehr solcher Anlagen wir subventioniert errichten, umso besser, denn eine größere Zahl (EE-Anlagen) mal "null" (Erzeugung) hilft, diese Stromlücken zu schließen...

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