Komplizierter als Strom: Der Wärmemarkt

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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21. Januar 2016

2015 stellten die Erneuerbaren Energien wieder einen Rekord auf: 32, 5 Prozent des Stroms, fast jede dritte Kilowattstunde, wurde erneuerbar produziert. Offenbar macht die Energiewende große Fortschritte. Doch der Eindruck täuscht. Während im Strommarkt monatlich neue Rekordmarken verkündet werden, läuft in den anderen Sektoren des Energiemarktes wenig in Richtung Energiewende. In Deutschland werden 56 Prozent der gesamten Energie im Wärmemarkt verbraucht. Fortschritte gibt es hier kaum zu vermelden. Denn einfache Lösungen gibt es nicht, dafür ist der Wärmemarkt ein zu kompliziertes Wesen.

Wo die Energie im Wärmemarkt verbraucht wird

Damit es schön warm ist: Fast ein Drittel aller Energie, die wir verbrauchen, dient diesem Zweck. Und schon früh begann die Politik, sich diesem Bereich regulativ zu widmen. Bereits 1977 trat die erste Wärmeschutzverordnung für Wohngebäude in kraft. Über 60 Prozent des Bestandes an Wohngebäuden ist aber älter als 40 Jahre und daher wahrscheinlich energetisch ineffizient. 68 Milliarden Euro gaben wir für die Wärme in 2013 aus, 53 Mrd. entfielen davon auf die Raumwärme, der Rest auf das warme Wasser.
Nach der Raum- ist die industrielle Prozesswärme mit einem Anteil von fast einem Viertel unseres gesamten Energieverbrauchs der Sektor mit dem größten Energiehunger im Wärmemarkt. Prozesswärme braucht es in vielen Industrien – in der Milchverarbeitung ebenso wie in der Kläranlage, bei der Stahlproduktion ebenso wie bei der Produktion von Halbleitern und Silizium für PV-Anlagen.

energieverbrauch nach Anwendungen

Warum die Wärmewende so kompliziert ist

Damit die Energiewende auch in den Gebäuden und in der Industrie Platz greifen kann, muss die Komplexität des Wärmemarktes berücksichtigt werden, denn:

  • Millionen von Eigentümern und ihre Struktur – von der Eigentumswohnung bis zu Hotelkette – machen die Ansprache schwierig.
  • Jedes Gebäude ist individuell zu betrachten.
  • Jeder industrielle Prozess dito.
  • Es gibt ein paar Dutzend Technologien und Kombinationen davon, eine jede muss nicht nur auf das Gebäude, sondern auf die spezifische Nutzung abgestimmt sein.
  • Der Wärmeverbrauch schwankt sehr stark zwischen den Jahreszeiten und zwischen den Heizperioden.
  • Die Entwicklung der Preise von Gas und Öl unterliegt Bewegungen auf den internationalen Märkten und ist langfristig nicht prognostizierbar. Das behindert größere Investitionsentscheidungen und erschwert die politische Steuerung.

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Primärenergieverbrauch2014

14 Jahre nach Einführung des EEG liegt der Anteil der Erneuerbaren am Primärenergieverbrauch bei bescheidenen 11,3 Prozent. Und wie in der Steinzeit handelt es sich hauptsächlich um Biomasse. Fotovoltaik deckte 2014 gerade einmal ein Prozent unseres Energiehungers.

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Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren auf die spezifischen Herausforderungen der Wärmewende reagiert und mit dem Marktanreizprogramm (MAP, Heizen mit Erneuerbaren Energien), dem Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE), dem Gebäudesanierungsprogramm sowie einem breiten Fächer an Förderprogrammen auf die Herausforderung reagiert. Allein im Bereich der Immobilien hält die bundeseigene KfW 42 verschiedene Maßnahmen – von der Dachdämmung bis zur Brennstoffzelle – im Förderangebot.

Wir haben uns vorgenommen, in den nächsten Wochen einzelne Aspekte des Wärmemarktes mal genauer unter die Lupe zu nehmen. Vertiefende Lektüre haben wir rechts neben dem Beitrag verlinkt.

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