Unter den zahlreichen Stiftungen in Deutschland ist die Stiftung 2 Grad, Deutsche Unternehmer für Klimaschutz, eine Besonderheit. Hier bekennen sich Unternehmer (nicht Unternehmen!) und leitende Manager persönlich zum Klimaschutz und der Erreichung des 2-Grad-Ziels. Seit einem Jahr führt Sabine Nallinger die operativen Geschäfte der CEO-Initiative. Sie forderte vehement „eine gesellschaftliche Koalition der Klimaschützer“ ein. Dazu müssten, so Nallinger im Gespräch mit klimaretter-info, „auch die Klimavorreiter der deutschen Wirtschaft in die Bresche springen.“ Wir sprachen mit der engagierten Klimaschützerin über die Stiftung und deren Ziele im Jahr des Weltklimagipfels in Paris.
DEZ-Blog: Frau Nallinger, Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Klimaschutz einsetzen, gibt es schon sehr viele. Warum bedurfte es mit der Stiftung 2° eines weiteren Akteurs?
Sabine Nallinger: Um das 2°-Ziel einzuhalten, müssen alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen aktiv werden – gerade auch Unternehmen. In der Stiftung 2° engagieren sich Vorstandsvorsitzende, Familienunternehmer, Geschäftsführer und CEOs aus unterschiedlichen Branchen, um durch ihr persönliches Engagement unternehmerischen Klimaschutz ernsthaft anzugehen; durch eigene Initiativen in ihren Unternehmen und durch den Dialog mit der Politik. In dieser Form ist es die einzige Initiative, die es in Deutschland gibt, was sie umso wichtiger macht.
Derzeit hat die Stiftung Unternehmer für Klimaschutz gerade einmal elf Mitglieder. Spielt der Klimaschutz bei den Chefs der deutschen Wirtschaft nur eine untergeordnete Rolle? Oder will die Stiftung 2° sich auf einen kleinen elitären Zirkel beschränken?
Bei der Stiftung 2° stehen das persönliche Engagement der CEOs sowie die Vorreiterrolle der jeweiligen Unterstützer in ihrer Branche im Vordergrund. Die Größe der Stiftung ist keine Einschränkung, sondern erhöht unsere Schlagkraft und Fähigkeit, Lösungen des unternehmerischen Klimaschutzes anzubieten. Unser Ziel ist es, Klimaschutz branchenübergreifend und über Partikularinteressen hinaus voranzutreiben; praktisch im konkreten Handeln unserer Förderunternehmen, als auch im politischen Raum, damit Nachhaltigkeit und Klimaschutz zum Standard werden. Wir zeigen Wege für ein erfolgreiches Wirtschaften auf, die nicht auf der Zerstörung des Klimas und der Umwelt beruhen.
Im Grundsatzpapier der Stiftung lautet eine Ihrer Kernforderungen: „Ausgestaltung eines globalen, rechtlich verbindlichen Klimaabkommens bis 2015.“ Wie bewerten Sie die aktuelle Entwicklung – glauben Sie, dass im Dezember in Paris ein Klimaschutzabkommen unterzeichnet wird, das diesen Namen verdient?
Einige große Wirtschaftsnationen machen sich erstmals ernsthaft auf den Weg, den Klimaschutz anzugehen – die USA und China zum Beispiel. Auch Indien hat erstmals angekündigt, in den nächsten Jahren massiv in den Ausbau erneuerbarer Energien zu investieren. Auf dem G7-Gipfel hat die Bundeskanzlerin gemeinsamen mit ihren Kollegen die Dekarbonisierung der Wirtschaft eingeläutet: Das alles macht zuversichtlich.Gleichzeitig allerdings reichen die bislang eingereichten nationalen Selbstverpflichtungen für das Abkommen von Paris nicht aus, um die Erderwärmung unter 2 Grad zu halten. Die Vorverhandlungen und natürlich die Weltklimakonferenz selbst sind daher umso wichtiger, um die Staatengemeinschaft auf das 2-Grad-Ziel weiter einzuschwören – und um es anschließend mit konkreten nationalen Maßnahmen zu unterlegen. Denn Paris mag zwar ein Meilenstein werden auf dem Weg zu einer dekarbonisierten und nachhaltigen Wirtschaft. Das Einhalten der 2°-Obergrenze jedoch wird nicht durch die Proklamation von Zielen allein erfolgen, sondern durch ihre Umsetzung in allen relevanten Bereichen. Paris ist daher nur der Anfang.
Was unternimmt die Stiftung 2° in diesem Jahr noch, um auf den Weltklimagipfel Einfluss zu nehmen? Ist die Stiftung international vernetzt?
Wir arbeiten gerade mit unseren Unterstützern daran aufzuzeigen, mit welchen Schritten die Wirtschaft das 2-Grad-Ziel einhalten kann und welche politischen Maßnahmen tatsächlich zu Emissionsminderungen führen. Dabei haben wir nicht nur das langfristige Ziel der Dekarbonisierung der Wirtschaft vor Augen, sondern wollen mit Zwischenzielen und – schritten für die Unternehmen bereits heute anfangen.Für die Klimakonferenz sind wir selbstverständlich in Kontakt mit ähnlichen Organisationen in anderen Ländern, v.a. in Europa – und unsere Förderunternehmen sind sowieso international unterwegs! Aber ich warne davor, sich ausschließlich auf die nächsten 100 Tage zu fixieren: Klimaschutz ist ein langfristiges Anliegen, das Innovationen massiv anspornen kann und damit die Wirtschaft in den kommenden Jahrzehnten revolutionieren wird.
Unternehmer investieren 127 Milliarden in den Klimaschutz
– in den USA
Von der deutschen Wirtschaft ist man es eher gewohnt, dass sie beim Klimaschutz eine bremsende Funktion einnimmt. Besonders die großen Stromverbraucher profitieren durch die Befreiung von der EEG-Umlage und die niedrigen Preise an der Strombörse am Ausbau der Erneuerbaren Energien. Die Last müssen vor allem kleine Unternehmer, Mittelständler und Gewerbetreibende schultern. Gibt es auch in der Wirtschaft eine Gerechtigkeitslücke beim Klimaschutz?
Zunächst einmal: In meiner Arbeit habe ich zahlreiche Wirtschaftsvertreter von auch großen Konzernen getroffen, die sehr wohl von der Notwendigkeit und den ökonomischen Chancen des Klimaschutzes überzeugt sind. In den obersten Chefetagen sind Verbündete im Kampf gegen den Klimawandel zu finden. In den USA hat Obama gerade vorgemacht, wozu Konzerne fähig sind: 127 Milliarden Euro wollen Apple, Coca-Cola, General Motors und zehn andere führende Unternehmen des Landes in den Klimaschutz investieren.
Wir müssen die gesamte Wirtschaft in die Lage versetzen, nicht Bremser beim Klimaschutz zu sein, sondern zum Treiber der Energiewende zu werden. Unternehmen dürfen für ihr Klimaschutz-Engagement nicht bestraft werden. Politische Rahmenbedingungen und Ausnahmeregelungen müssen daher anhand ihrer Klimawirkungen immer wieder geprüft werden und Innovationen und Investitionen in nachhaltige Technologien gehören gefördert statt behindert. Gerade der Mittelstand und Familienunternehmen sind der Ort, an dem viele Innovationen für nachhaltige Prozesse, Produkte und Dienstleistungen entstehen. Dies müssen wir für den Klimaschutz und die Energiewende nutzen. Gleichzeitig müssen wir Rücksicht nehmen auf die möglichen wirtschaftlichen Verlierer des Klimaschutzes – egal ob groß oder klein. Wir müssen möglichst alle bei der Energiewende mitnehmen und ihnen Entwicklungspotentiale aufzeigen, ansonsten schaffen wir Widerstände, statt sie abzubauen. Die Energiewende ist seit der Wiedervereinigung das wichtigste deutsche Gesellschaftsprojekt. Sie hat das Potenzial, den Beitrag unseres Landes zur Lösung der globalen Klimakrise darzustellen. Klimaschutz und Energiewende sind nur mit allen Kräften der Wirtschaft zu schaffen!
Danke für das Gespräch.
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