Speicher und Netzintegration entscheiden über Erfolg der Energiewende

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Dr. Isabelle Südmeyer

Gastautor

Isabelle Südmeyer studierte und promovierte an der RWTH Aachen und war dort bis 2006 als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig. Die Maschinenbauingenieurin ist Spezialistin für Materialien und Werkstoffe. Seit 2006 am Karlsruher KIT beschäftigt, verantwortet sie als Bevollmächtigte das Programm „Storage and Cross-linked Infrastructures“

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27. Juli 2015
Speicher und Netzintegration, KIT, Energiewende

WindkraftErneuerbare Energien gewinnen stetig an Bedeutung: Die Stromerzeugung aus regenerativen Quellen wird sich weltweit von 2010 bis 2035 bis zu einem Anteil von ca. 31 Prozent fast verdreifachen. In Deutschland zielt die politisch beschlossene Energiewende darauf, bis 2030 mindestens 50 Prozent und bis 2050 ca. 80 Prozent des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Quellen zu decken. Zusätzlich hat sich Deutschland verpflichtet, die CO2-Emissionen von 1990 bis 2050 um 80 Prozent zu reduzieren. Das Energiesystem in ein neues, nachhaltiges Zeitalter zu überführen und zugleich eine zuverlässige und wirtschaftliche Versorgung zu sichern, stellt eine besondere Herausforderung dar. Speicher und Netzintegration werden über den Erfolg der Energiewende entscheiden.

Helmholtz Forschungsprogramm „Storage and Cross-linked Infrastructures“

Das Programm „Storage and Cross-linked Infrastructures“ (SCI) ist eine direkte Konsequenz aus der Energiewende. Da erneuerbare Energien wie Sonne und Wind systembedingten Fluktuationen unterworfen sind, bedarf es effizienter Speicher, um Stabilität und Versorgungssicherheit in zukünftigen Energienetzen zu gewährleisten. Die Entwicklung von Speichersystemen ebenso wie der Aufbau und die Vernetzung von Infrastrukturen zur Energieübertragung und -verteilung entscheiden daher über den Erfolg der Energiewende.

Innovative technologische Lösungen sind für drei Bereiche gefordert: für adäquate Spei-chersysteme, um saisonale und wetterbedingte Fluktuationen zu überbrücken, für Techno-logien und Infrastrukturen, um die besonderen Anforderungen an Energieübertragung und -verteilung zu bewältigen, sowie für eine deutlich verbesserte Verbindung zwischen den verschiedenen Energieträgern wie Gas, Strom, Wärme und Kraftstoffe, um eine zuverlässige, flexible, effiziente und ökonomische Versorgung zu sichern.

Im Programm SCI erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Technologien von fünf Helmholtz Zentren, die zeitnahe Anwendung, ökologische Herstellung, hohe Effizienz sowie eine zuverlässige Systemintegration erlauben. Um diese Ziele zu erreichen, betrachten sie bewusst verschiedene Technologien mit unterschiedlichen technischen Reifegraden, klein- und großskalige Lösungen, chemische ebenso wie thermische Energieträger. Die Energielandschaft der Zukunft, die viele dezentrale kleine und mittlere volatile Versorger mit großen Grundlastkraftwerken verbindet, benötigt neuartige Systemmanagementlösungen für Energieumwandlung, -speicherung, -verteilung und -nutzung.

Orientiert an diesen übergeordneten Zielen deckt das Programm SCI die gesamte Energiekette vom Erzeuger bis zum Verbraucher mit sechs Themenschwerpunkten ab.
Die Forschung zu elektrochemischen Speichern umfasst Modellierung, Materialsynthese, Charakterisierung von Materialien und Zellen, In-operando-Methoden, Elektrodenbeschichtung und Zellfertigung, Batterie- und Thermomanagement sowie Systemintegration.
Um die zeitweiligen Überschüsse aus fluktuierenden erneuerbaren Energiequellen zu nutzen, entwickeln und untersuchen die Wissenschaftler großskalige Elektrolyse-Systeme zur Herstellung von Wasserstoff.
Zur Entwicklung bedeutender Speichertechnologien für Wasserstoff aus erneuerbaren Energien für dezentrale Anwendungen untersuchen die Forscher neuartige Prozesskonzepte, Systemkomponenten und Katalysatoren für hochdynamischen Betrieb im Bereich der synthetischen Kohlenwasserstoffe. Bei der Arbeit an Brennstoffzellen geht es vor allem darum, eine anwendungsspezifische Lebensdauer zu erreichen. Für Hochtemperaturprozesswärme und für die Flexibilisierung von Kraftwerksanwendungen werden sensible und latente thermische Energiespeichersysteme auf der Basis von Salzen sowie thermochemischen Speichern entwickelt.
Um neue wirtschaftliche, effiziente und leistungsfähigere Netze zu realisieren, arbeiten die Forscher unter anderem an Stromversorgungssystemen auf der Basis von Hochtemperatur-Supraleitern und an der prozesstechnischen Einzelauslegung von zukünftigen H2-Leitungssystemen. Die bevorstehenden beträchtlichen Veränderungen, beispielsweise im Stromnetz, erfordern neue, verteilte und autonome Netzwerkstrukturen ebenso wie eine effiziente Integration von heterogenen Energiespeichersystemen.

Speicher- und Speicherintegration-Forschung

Batterieentwicklung

Icon_BatterieFür die Forschung und Entwicklung von elektrochemischen Energiespeichern wird die vollständige Kette vom Basismaterial bis zum kompletten Batteriesystem abgebildet. Dies beinhaltet die Modellierung, das Material und die Zellcharakterisierung sowie In-operando-Methoden, Elektrodenbeschichtung und Zellfertigung, Batterie- und Thermo-Management und Systemintegration. Die vertiefende Materialforschung stellt dabei die Grundlage für kosteneffiziente großformatige Batteriezellen mit größerer spezifischer Energie und Leistung sowie verbesserter Zuverlässigkeit und Sicherheit. Ein breites Spektrum von Batteriematerialien und -zellen wird hinsichtlich unterschiedlicher Speicherkonzepte von KIT, FZJ, DLR und HZDR untersucht, einschließlich, z.B. Lithium-Ionen und -Luft, Lithiumfreie und Redox-Flow Systemen.

 Thermische Speicher

Die thermochemische Speicherung von Wärme auf einem Temperaturniveau von 500 °C konnte erstmals in einem Maßstab von 10 kW mit gelöschtem Kalk nachgewiesen werden. Die dafür zu entwickelnden innovativen thermischen Energiespeichersysteme vereinen das Potenzial sehr hoher Speicherdichten mit einer hervorragenden Kosteneffizienz.

Beispiel Netze und Speicherintegration

Stromtrasse_11Die gewaltigen Veränderungen z. B. im Stromnetz erfordern neue verteilte und autonome Netzwerkstrukturen ebenso wie eine effiziente Integration von heterogenen Energiespeichersystemen. Für diese und zahlreiche weitere Herausforderungen wird das Energy Lab 2.0 als integrierte Technologie- und Systemplattform die Erforschung und experimentelle Erprobung neuer Ansätze und leistungsfähiger Werkzeuge für die Stabilisierung der Energienetze der Zukunft ermöglichen. Es werden zukünftig zu erwartende Energieszenarien untersucht und Speichertechnologien, elektrische Komponenten und Software zum Management strukturierter Energienetze weiterentwickelt werden und somit eine in Europa einzigartige Infrastruktur geschaffen.

Beteiligte Helmholtz-Zentren:
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) / Forschungszentrum Jülich (FZJ)
Helmholtz Zentrum Berlin (HZB) / Helmholtz Zentrum Dresden Rossendorf (HZDR)
Programmsprecher: Prof. Dr. Mathias Noe (KIT)
Stellvertretender Programmsprecher: Prof. Dr. Detlef Stolten (FZJ)
Programmmanagement: Dr. Isabelle Südmeyer (KIT)

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