Mit dem Jahr 2022 steht das endgültige Datum fest, an dem die letzten Reaktoren in Deutschland abgeschaltet werden. Damit ist jedoch längst noch nicht die letzte Herausforderung des Atomausstiegs gemeistert. Die stillgelegten Kraftwerke sollen zügig zurück gebaut werden, und auch danach werden wir noch Kompetenzen zum Umgang mit radioaktiven Stoffen benötigen. Bis ein Endlager gefunden wird, müssen die hochradioaktiven Abfälle zwischengelagert und vorher entsprechend konditioniert werden. Die Inbetriebnahme von Schacht Konrad für schwach- und mittelradioaktive Abfälle verzögert sich seit Jahren. Die Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs hat ihre Arbeit abgeschlossen, der gefundene Kompromiss bedeutet für die Kraftwerksbetreiber eine hohe wirtschaftliche Belastung. Viele Aspekte sind noch offen und werden je nach Standpunkt ganz unterschiedlich bewertet. Das zeigte die Expertendiskussion „Rückbau von Kernkraftwerken und Entsorgung radioaktiver Abfälle“ der Stiftung Energie & Klimaschutz Baden-Württemberg.
Für den Bundestagsabgeordneten und ehemaligen Bundesumweltminister Jürgen Trittin ist der Einstieg in die Atomenergie nach wie vor der größte energiepolitische Fehler des letzten Jahrhunderts. Den Vorschlag, wie der Ausstieg finanziert werden soll, gestaltete er als Ko-Vorsitzender der Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernausstiegs maßgeblich mit. Danach sollen Rückbau und Verpackung durch die Betreiber der Kernkraftanlagen durchgeführt werden. Die Zwischen- und Endlagerung dagegen soll in die öffentliche Hand übergehen, die in diesem Zusammenhang darauf drängt, dass die Abfallverpackung bereits für Endlager geeignet ist.
Zur Abdeckung der Finanzierung ist vorgesehen, dass die Atomkraftkonzerne 17,2 Milliarden Euro in einen Fonds einstellen zuzüglich eines Risikopuffers von 35%, womit dann die Kosten für die Unternehmen abgegolten wären. Trittin hob dabei hervor, dass die Rückstellungen hierfür ausreichend gegen Übernahmen, Insolvenzen oder anderweitige „kreative Unternehmensumgestaltungen“ abgesichert sein müssten. Als positives Beispiel für die Nachvollziehbarkeit der Rückstellungen nannte Trittin die EnBW. Das Unternehmen habe früher als die anderen Konzerne die Weichen für einen zügigen Ausstieg aus der Kernenergie gestellt.
Für den Sprecher von ausgestrahlt e.V., Jochen Stay, ist eine Beteiligung der Bürger schon vor Beginn der Auswahl des endgültigen Standorts dringend erforderlich. Er plädiert für ein Vetorecht der betroffenen Bürger. Eine Enthaftung der Atomstrom-Erzeuger sieht Stay als Verabschiedung vom Verursacherprinzip. Er erwartet, dass die Endlagerkosten in einem Maß ansteigen, dass die hierfür vorgesehenen 23 Milliarden Euro nicht ausreichen werden. Deshalb fordert er, dass die Unternehmen unbeschränkt auch in Zukunft haften, falls sie bis dahin wieder Gewinne erzielen.
Der Vorsitzende der Geschäftsführung der EnBW Kernkraft GmbH, Jörg Michels, arbeitet bereits seit Jahren am Rückbau und kennt die damit verbundenen Herausforderungen. Der Ausstieg aus der Atomkraft und die Energiewende seien für den Konzern zugleich klarer Auftrag und eine Chance, aber das Know-how für den Rückbau sei bereits vorher vorhanden gewesen, so Michels. Er will den Rückbau innerhalb einer Generation abschließen. Auch für ihn ist dabei wichtig, dass zeitnah ein Endlager gefunden wird. Über die gesamte Dauer dieses Langzeitprojekts hinweg legt Michels großen Wert auf Dialog- und Informationsveranstaltungen, die regelmäßig für und mit Bevölkerung und Nichtregierungsorganisationen an allen derzeitigen Standorten veranstaltet werden.
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