David gegen Goliath? Der Prokon-Deal

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Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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22. Mai 2015
Energiewende aktuell

Die Sanierung der im Insolvenzverfahren stehenden Prokon GmbH i. L. läuft auf die Zielgerade ein. Insolenzverwalter Dietmar Penzlin hat den Gläubigern des Unternehmens per Schreiben vom 12. Mai zwei Angebote unterbreitet: Der „Genussrechtsinhaber-Insolvenzplan“ sieht die Umwandlung von Prokon in eine Genossenschaft vor. Die zweite Variante, der Investoren-Insolvenzplan, bedeutet die Veräußerung aller Prokon-Anteile an einen Investor. Vom Gläubigerausschuss ausgewählt wurde dafür das Angebot der EnBW AG. Was steckt hinter dem Prokon-Deal, über den am 2. Juli in Hamburg von den Gläubigern entschieden wird?

Im Rahmen der üblichen Verschwiegenheitspflichten bei solchen M&A-Prozessen informiert die EnBW auf ihrer Internetpräsenz offensiv über Angebot und Strategie. Zuweilen liest sich das wie ein indirektes Eingeständnis eigener Fehler aus der Vergangenheit: „Prokon ist ein Pionier der Erzeugung von Strom aus regenerativen Energiequellen in Deutschland. Das Unternehmen war in den letzten Jahren entscheidend daran beteiligt, die Erneuerbaren Energien zu dem zu machen, was sie heute sind: Treiber und Motor einer Energieversorgung der Zukunft, die klimafreundlich, ressourcenschonend und damit über Deutschland hinaus wegweisend ist. Nicht zuletzt dank Prokon sind die Erneuerbaren Energien technisch und wirtschaftlich erwachsen geworden.“ 

Die Eigenschaften, die die EnBW der Prokon zuschreibt, Treiber und Motor einer Energieversorgung der Zukunft zu sein, will die EnBW erst noch erwerben. Wie alle großen Energiekonzerne in Deutschland hatte die EnBW an vermeintlich bewährten Strukturen und Geschäftsmodellen festgehalten, als sich der Wind schon längst gedreht hatte. Erst ein Tsunami im fernen Japan brachte die alten Denkgebäude zum Einsturz.

Mit der Strategie 2020 unternimmt die EnBW den Versuch aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen, verlorene Zeit wieder aufzuholen und Mitgestalter einer neuen Energiewelt zu werden. Die Energiezukunft, das ist den Verantwortlichen bei der EnBW klar, wird durch die Erneuerbaren Energien geprägt. Und der Wandel bei der Erzeugung ist dabei nicht die einzige Herausforderung für einen Konzern. Dezentralität, der Einsatz völlig neuer, meist vernetzter Technologien, ein hohes Innovationstempo, Partnerschaften, die sowohl auf der Angebots- wie auch auf der Verbraucherseite quer zu den bisherigen Erfahrungen verlaufen, eine neue, fehlerfreundliche, entscheidungsfreudige und transparente Unternehmenskultur gehören ebenfalls zu Kennzeichen einer Energiezukunft, die schon längst begonnen hat. (Dieser Blog mit seiner offenen und kritischen Ausrichtung gehört als Teil zum Puzzle dieser Veränderungen).

Erwerb von Prokon wäre Meilenstein für die EnBW in ihrem Umbau

In dieser Situation könnte die nach der Sanierung zum Verkauf stehende Prokon zum Meilenstein für die EnBW-Strategie werden, denn mit 318 Windenergieanlagen in Deutschland und in Polen sowie den Geschäftsbereichen der Projektierung und des Stromhandels zählt Prokon auch nach Abspaltung von Töchtergesellschaften noch zu den großen Unternehmen aus der Branche der Erneuerbaren. Mit dem Kaufpreis (er soll bei 550 Millionen liegen) bekäme die EnBW nicht nur die Assets, sondern auch Know-how und Marktzugang – ein großer Schritt im Aufholprozess, für den sich auch der Vorstandschef der EnBW, Frank Mastiaux per Videobotschaft persönlich ins Zeug legt.

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Am 2. Juli muss der Gläubigerausschuss der Prokon jetzt zwischen den beiden Modellen wählen: Kaufangebot der EnBW oder Genossenschaftsmodell. Für Letzteres werben die „Freunde von Prokon“. Von den 75 000 Prokon-Anlegen müssten mindestens 30 000 auf eine Barauszahlung ihrer Ansprüche verzichten und diese stattdessen in die zu gründende Genossenschaft einbringen. Dafür wirbt die Internetseite der Freunde von Prokon (derzeit 10.408 Mitglieder).

Ein klassischer Wettbewerb, bei dem verschiedene Eignerstrukturen und Finanzierungsmodelle zur Wahl stehen, könnte man meinen. Von außen wird er aufgeladen zu einem politischen Kampf zwischen „dezentral und zentral“ (Franz Alt im Schreiben an die Freunde von Prokon).

Welche Strukturen braucht eine erfolgreiche Energiewende?

Alt gegen neu? David gegen Goliath? Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Unternehmen aus der alten Energiewelt gefährdete Arbeitsplätze bei einem Projektierer und Betreiber von Erneuerbaren rettet. Auch die Erneuerbaren Pionier-Unternehmen Juwi und Windwärts waren in finanziellen Schwierigkeiten, bevor sie bei der MVV Energie AG in einem sicheren Hafen eines großen traditionellen Energieversorgers ihre Geschäftstätigkeiten – zur großen Freude der Geretteten – fortsetzen konnten. Mit Abschluss der Übernahmen zum Anfang dieses Jahres sind die Mannheimer nun einer der Marktführer im Geschäft mit Wind- und Solarprojekten und haben, nicht nur in Bezug auf die geretteten Arbeitsplätze, gezeigt, dass wirtschaftliche Stabilität ein hoher Wert in einer Energiewelt im Wandel ist.

Der Prokon-Deal ist für die EnBW ein Testfall. Ist es dem Unternehmen gelungen, mit neuem Kurs und Kapitän Glaubwürdigkeit zurück zu gewinnen? Wird die EnBW als ein Unternehmen in öffentlichen Verantwortung wahrgenommen, das zu seiner gesellschaftlichen und strategischen Funktion als Mitgestalter der Energiewende steht?

Die Energiewende irgendwie hinzubekommen, wäre zu wenig. Weil es um den Klimaschutz geht, müssen wir in Deutschland die Energiewende so hinbekommen, dass sie der Welt als Vorbild dient. Reicht es dazu aus, an dem Konfrontationsmuster zwischen den alten unsympathischen Sauriern mit den neuen freundlichen Bürgerenergiegenossen fest zu halten?  Oder braucht die Energiewirtschaft für eine erfolgreiche Energiewende Strukturen, in der Groß und Klein, Alt und Neu gut gemischt sind und in der sowohl Stabilität, Innovationen, Bürgerbeteiligung und Mitwirkung ihren Platz und ihren Wert haben?

Mich würde interessieren, was Sie dazu denken.


Update 12. Juni: Inzwischen laufen in zahlreichen Städten Informationsveranstaltungen der Freunde von Prokon und der EnBW. Der dort zuständige Manager hat der Norddeutschen Rundschau ein Interview mit weit reichenden Zusagen gegeben.

Diskutieren Sie mit

  1. Kai (EnBW-Redaktion)

    vor 9 Jahren

    Wir sind davon überzeugt, dass unser Angebot angemessen und fair ist und den Wert der Kernaktivitäten von PROKON widerspiegelt. Vor der Abgabe unseres Angebots haben wir mit einem großen Team an Experten über mehrere Monate jeden bestehenden Windpark von PROKON sowie die gesamte Pipeline an Projekten in unterschiedlichen Planungsständen und auch den Stromvertrieb detailliert geprüft und bewertet. In eine solche Gesamtkalkulation müssen neben den Vermögenswerten allerdings auch Risiken bzw. Unternehmensteile, die Kosten verursachen, eingerechnet werden. Daher reicht es nicht aus, lediglich die Vermögenswerte zu addieren.
    Ferner ist anzumerken, dass sich unser Angebot im Wettbewerb mit allen anderen Interessenten – und davon haben seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens sehr viele den Insolvenzverwalter kontaktiert – durchgesetzt hat. Aus einem solch breit angelegten Auktionsverfahren geht man nur dann als Bestbieter hervor, wenn man ein wirklich attraktives Angebot vorlegt. Mehr Informationen zu unserem Angebot finden sie hier: www.enbw.com/enbw4prokon

  2. Windmüller

    vor 9 Jahren

    @ Räbiger - ich weiss jetzt nicht, auf was ich keine Antwort gegeben habe, aber mit der Aufzählung der Windprojekte in Deutschland und im Ausland stützen sie ja meine Meinung.

  3. Hubertus Grass

    vor 9 Jahren

    Mal eine Nachfrage, verehrter Herr Windmüller, wie kommen Sie zu der Einschätzung, Prokon sei in die "Pleite gedrängt" worden?
    Alles, was ich gelesen habe, geht in eine andere Richtung: Kein ordentliches Rechnungswesen, undurchschaubares Firmengeflecht etc. Allein das Bsp. Rumänien spricht Bände:
    http://www.zdf.de/ZDF/zdfportal/blob/33047702/1/data.pdf

    1,4 Mrd. € (!!!) soll das Unternehmen über Genussscheine eingesammelt haben, die vorhandenen Werte sollen nicht annähernd diese Summe erreichen.
    http://www.n-tv.de/wirtschaft/Forderungen-gegen-Prokon-Gruender-geprueft-article12973356.html

    Wissen Sie mehr, Herr Windmüller?

  4. Räbiger

    vor 9 Jahren

    Da Herr Windmüller keine direkte Antwort gibt,meine Antwort:
    Herr Rodbertus hat allen erklärt, Banken vertraut er nicht und finanziert direkt.

    Dies sahen 14.000 Anleger. Den Fehler, den Herr Rodbertus beging und auf den die Banken warteten, war das Angebot der kurzfristigen Kündigung bei langfristigen Anlagen. Banken kennen das Risiko; sie schaffen aus einem gegebenen Euro 99 Euro.
    Wenn 1% der Bankkunden Ihr eingezahltes Geld auf einen Schlag fordern, ist die Bank erledigt.
    Bei Prokon war es schwieriger aber mit Hilfe der Presse ist es gelungen.
    Es war kein herkömmliches Schneeballsystem. Rodbertus wurde kurzfristig Geld "aufgedrängt", dass er in Bargeld schwamm und Risikoanlagen tätigte. HIT; Ölmühle, etc. Dazu kam das organisatorische Desaster.

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  5. Windmüller

    vor 9 Jahren

    Hallo Herr Grass
    Ich habe das Thema Prokon auch interessiert verfolgt. Wir realisieren mit einer kleinen Gruppe "Energiekämpfer" seit 18 Jahren Bürgerwind und Bürgersolarprojekte. Von daher wissen wir auch, was an Rendite möglich ist. Und da hat uns das Verhalten von Prokon auch geärgert, denn Interessenten hielten uns die Prokon Blättchen unter die Nase, und fragten uns, warum wir so wenig ausschütten.
    Von daher brauchte ein Herr Rodbertus von mir auch kein Mitleid erwarten. Nun haben wir aber die Situation, dass mehrere Windkraftprojektierer wie Windwärts oder halt Prokon die Grätsche gemacht haben. Und da stellt sich mir die Frage, ob es sinnvoller ist, Insolvenz anzumelden, einem Insolvenzverwalter gutes Geld vor die Füße zu kippen, oder ob es dann in der Situation nicht auch Sinn macht, in Eigenregie als Genossenschaft weiter arbeitet, und einige Jahre auf Rendite verzichtet.

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  6. Erhard

    vor 9 Jahren

    Wir brauchen dezentrale Kraftwerke die im Besitzer der Menschen vor Ort sind. Wenn EnBW in den Besitz der Windräder von Prokon kommt sind wir davon so weit entfernt wie die Windräder von Baden Württemberg.
    Die EnBW will ein Schnäppchen machen ich kann nur hoffen dass die jetzigen Prokon Eigentümer schlau genug sind ihre "Perlen" nicht vor die Füße eines Großkonzerns zu werfen.

    Wer in Windkraft investiert, weiß die Rendite kommt erst nach Jahren...
    Ansonsten würde ich gerne auf meinen Blogbeitrag verweisen.
    http://www.sonnenfluesterer.de/2015/05/prokon-genossenschaft-statt-enbw/

  7. Räbiger

    vor 9 Jahren

    Zwei Herzen in einer Brust.
    EnBw macht mit dem Angebot einen Schnitt von ca. 150-200 Mio, Dies nennt man kaufmännisches Handeln. Lockt dazu die Genussrechtsinhaber mit einer Gesamtauszahlung, statt (Zwangs)anleihe.
    Die Refinanzierung mit Bankmittel ist derzeit günstiger. Wo legt der Genussrechtsinhaber mit welchem Zins sein Bargeld die nächsten 15 Jahre an.

    Die Genossenschaftslösung schreckt die Mehrheit aus vielerlei Gründen. Geht die Spekulation für die Enbw auf.f? Oder bessert sie Ihr Angebot?

    Wir werden am 2.7.15 persönlich in Hamburg die Angelegenheit verfolgen.

  8. Räbiger

    vor 9 Jahren

    Herr Grass, die Werte der Windparks sehe ich wie folgt:
    Deutschland. 450 - 490 Mio.€
    Polen. 160 - 190
    Finnland. 10 - 20
    BetriebsGA. 27 - 40
    Projekte. 90 -120
    Stromvertrieb. 1 - 2
    GESAMT. 738. - 862. Zu gebotenen. 550 Mio.€. Dies bedeutet eine Minderquote von über 10 Prozent.
    Der jährliche Cash-flow allein aus Deutschland beläuft sich auf 34 Mio. Dazu kommt Polen mit 11 Mio. und Finnland.

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  9. Hubertus Grass

    vor 9 Jahren

    Hallo Räbiger,
    bitte mal eine Erläuterung, warum EnBW nach ihrer Einschätzung "einen Schnitt von ca. 150-200 Mio". macht.

    Herzlichen Dank

    Moderator

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  10. Uwe Buchholtz

    vor 9 Jahren

    Ich bin auch Prokon geschädigter.
    Ich werde auf jeden Fall für die Genossenschafts Lösung stimmen.
    Wenn Prokon an ein Unternehmen verkauft wird bekommen die Anleger nur einen Teil des eingesetzten Kapitals zurück.
    Bei einer Genossenschafts Lösung sehe ich die Chance das langfristig das eingesetzte Kapital erhalten bleibt und für die Anleger Rnditen erwirtschaftet werden.
    Die werden wohl nicht so hoch sein wie von Prokon versprochen, aber 3% bis 4% halte ich langfristig für realistisch.
    Im übrigen wünsche ich mir mehr Energiegenossenschaften um die Bürger an der Energiewende zu beteiligen.

  11. Windmüller

    vor 9 Jahren

    Sie haben völlig Recht. Ich habe ohnehin nie verstanden, warum man Prokon in die Pleite gedrängt hat. Natürlich sind Fehler gemacht worden, indem unrealistische Renditen versprochen wurden. Aber wenn man einige Jahre auf Rendite verzichtet hätte, wäre man auch wieder auf Kurs gewesen, mit den Windrädern waren ja realistische Werte vorhanden.

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