Photovoltaik in Deutschland – Begraben oder Beschleunigen?

Gastautor Portrait

Dr. Carsten Tschamber

Solar Cluster Baden-Württemberg e.V.

Carsten Tschamber studierte Physik und Astronomie in Heidelberg, arbeitete bei Siemens und promovierte zum Dr. Ing an der Universität Erlangen. Nach einer Beratertätigkeit bei der Altran GmbH wechselte er in die Photovoltaik, ins Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg in Stuttgart. Seit Oktober 2013 ist er Geschäftsführer des Solar Clusters Baden-Württemberg.

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06. November 2015
Photovoltaik in Deutschland
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In Deutschland wurden in den vergangenen 15 Jahren über 38 Gigawatt an Photovoltaikleistung (PV) installiert. Das ist eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte, die maßgeblich von zwei Faktoren beeinflusst wurde. Zunächst wurde durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ein Markt für dezentrale PV-Systeme geschaffen. Später führten ein massiver Ausbau der weltweiten Produktionskapazitäten und Effizienz-Fortschritte zu massiven Kostensenkungen.

Deutsche Klimaziele in Gefahr, PV-Weltmarkt boomt

Nach den extremen Zuwachsraten der Jahre 2010 bis 2012 mit jeweils über 7 GW neu installierter PV-Leistung folgte dann der Absturz. Wurden 2013 noch 3,3 GW installiert, waren es 2014 nur noch 1,9 GW. Experten gehen davon aus, dass in diesem Jahr maximal 1,4 GW neue Photovoltaik in DeutschlandAnlagen in Betrieb gehen werden. Damit sind nicht nur die ohnehin wenig ambitionierten Ziele der Bundesregierung von 2,5 GW pro Jahr in Gefahr, sondern auch unsere Klimaziele sowie zehntausende von Arbeitsplätzen in einer der zukunftsträchtigsten Branchen überhaupt. Denn der weltweite Photovoltaikmarkt boomt und wird 2015 wohl erstmals die Marke von 50 GW neu installierter Leistung übertreffen. Auf absehbare Zeit werden jährlich zweistellige Wachstumsraten erwartet. Umso ärgerlicher ist daher die Tatsache, dass deutsche Unternehmen, oftmals Pioniere auf ihrem Gebiet, nur noch in einem vergleichsweise geringen Maße von dieser Entwicklung profitieren. Und dies wiederum liegt nicht zuletzt an der politisch gewollten oder zumindest offen tolerierten Schwäche des heimischen bzw. europäischen Marktes, da dadurch die Unternehmen ihren Heimatmarkt verlieren. Dieser aber ist dringend nötig, um die Technologie im Land zu halten und Exporte erst zu ermöglichen. Viele Milliarden Euro wurden über die EEG-Umlage von den Stromkunden in die Photovoltaik investiert, und jetzt wo die Zeit reif wäre, die Früchte dieser Investitionen zu ernten – Netzparität, CO2-Einsparungen, Arbeitsplätze –, zieht sich Deutschland aus der Technologie immer mehr zurück. Insgesamt gingen so in den letzten drei Jahren über 50.000 Arbeitsplätze in der Branche verloren. Das sind wohlgemerkt deutlich mehr Jobs als in der gesamten deutschen Braunkohlewirtschaft, die von der Politik derzeit mit großzügigen Ausgleichszahlungen bedacht wird.

Imagekrise der Photovoltaik in Deutschland durch gezielte Fehlinformation

Die Krise der Solarbranche in Deutschland ist aber nicht ausschließlich eine Folge der verfehlten Politik. Hinzu kommt eine tiefe Image- und Vertrauenskrise. Photovoltaik wurde in den vergangenen Jahren in der veröffentlichten Meinung häufig und gezielt mit steigenden Strompreisen und sozialer Ungerechtigkeit in Verbindung gebracht. Da viele dieser gängigen Argumente mindestens irreführend, meist aber schlicht falsch sind, hat das Solar Cluster Baden-Württemberg eine Broschüre herausgegeben, die Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Rolle der Photovoltaik gibt.

Was ist also zu tun?

Eigenverbrauch fördern statt belasten

Aufgrund der niedrigen Preise für PV-Anlagen hat der Eigenverbrauch als „Geschäftsmodell“ die reine Einspeisung des erzeugten Stroms längst abgelöst. Die Politik sollte dieser Tatsache Rechnung tragen. Es ergibt keinen Sinn, einerseits über die KfW die Anschaffung privater Batteriespeicher zu fördern, gleichzeitig aber den selbst erzeugten Strom aus Anlagen größer als 10 kW mit der anteiligen EEG-Umlage zu belegen. Rein ökonomisch leistet diese Eigenverbrauchsbelastung ohnehin keinen signifikanten Beitrag, verhindert aber im Einzelfall Investitionen gerade im gewerblichen Bereich. Denn dort beträgt der Unterschied zwischen den Stromgestehungskosten aus der PV-Anlage vom Firmendach und den Preisen des Versorgers – und damit die Ersparnis – oftmals nur wenige Cent. Aus diesem Grund gehört diese Belastung des erneuerbaren Eigenverbrauchs ersatzlos gestrichen.
Gleichzeitig verhindert die künstliche Unterscheidung zwischen Eigenverbrauch und Direktlieferung in vielen Fällen die Versorgung von Mietern mit günstigem PV-Strom. Denn rein technisch besteht zwischen beiden Varianten kein Unterschied, lediglich die Eigentumsverhältnisse sind anders.

Bekenntnis zur Photovoltaik

Und dies sind nur erste Schritte. Der Gesetzgeber muss die anstehende EEG-Reform 2016 nutzen, den Strommarkt für die Integration der erneuerbaren Energien fit zu machen und den Ausbau wieder auf ein angemessenes Niveau zu heben. Die Vorschläge der Branche liegen auf dem Tisch. Dass 150 GW durchaus möglich sind, zeigt eine aktuelle Studie von Agora Energiewende. Und schließlich sollte sich die Politik klar zur Photovoltaik als europäische Technologie, als  tragende Säule eines künftigen Energiesystems und als zentrale Voraussetzung für einen wirksamen Klimaschutz bekennen.

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  1. Windmüller

    vor 9 Jahren

    Bei der Photovoltaik geht es weder um Begraben noch Beschleunigen. Es geht darum, WER in Photovoltaik investiert. Der ehemalige RWE Chef Großmann erklärte vor vier Jahren, Photovoltaik im sonnenarmen Deutschland sei so sinnvoll, wie Ananas Anbau in Alaska.Im vergangenen Jahr hat RWE auf einem ehemaligen Militärflugplatz in Mittelengland einen 38 MW Solarpark errichtet. Wenn RWE in PV investiert, ist das voRWEggehen, ansonsten ist das volatiler Zappelstrom, der die Netze vergewaltigt, und der Omma mit der schmalen Rente den Strom teuer macht. Wir könnten in Deutschland unendlich viel Geld bei der Energiewende sparen, wenn wir uns nicht diesen unglaublichen ideologischen Gipskrieg leisten würden.

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