Micro Grids: Inselnetze für die Welt

Gastautor Portrait

Dr. Thomas Walter

Easy Smart Grid GmbH

Thomas Walter verfügt über 30 Jahre Berufserfahrung in relevanten Branchen (Cambridge Consultants/ADL, Philips, Dresdner Bank, Altran Technology, Wirsol Solar). Er studierte Elektrotechnik an der TU Karlsruhe (KIT) sowie der University of Essex und promovierte an der RWTH Aachen. In Easy Smart Grid sieht er die Möglichkeit, seine Kompetenzen in IKT, Energie und Systementwurf mit Innovationsmanagement und Beratungserfahrung in einem der dynamischsten Innovationsthemen der heutigen Zeit zu bündeln. Easy Smart Grid wurde im Oktober 2014 bei der „EIT-ICT Idea Challenge“ als drittbestes Europäisches Start-up auf dem Gebiet „Smart Energy“ auszeichnet.

weiterlesen
05. Oktober 2015
Easy Smart Gird, Micro Grids

Deutschland hat die Photovoltaik durch massiven Ausbau ins Zentrum der zukünftigen Energieversorgung gerückt und geholfen, einen politischen und wirtschaftlichen Megatrend zu etablieren: Die Dekarbonisierung. Weltweit werden dabei Unternehmen und Wertschöpfung des Karbonsektors (Öl, Kohle, Gas) im Wert von 5 Billionen US $ (Bloomberg New Energy Finance) völlig neu strukturiert. Doch mit den Mühen der Ebene erlahmen Begeisterung und Kraft zum Umbau eines heute gut funktionierenden Energiesystems. Wie kann mit realistischem Aufwand der größte Effekt bewirkt, die Dekarbonisierung beschleunigt und neue Geschäfte für saubere Energietechnik erschlossen werden?

Es geht also um Schaffung von Mehrwert. Dies ist dort möglich, wo die Nutzung Erneuerbarer schon heute zu Ersparnis von Geld (und auch CO2) führt. Deutschland ist gut darin, Lösungen für den Weltmarkt zu kreieren und zu verkaufen. Sobald die Kosten Erneuerbarer auch bei uns genügend gefallen sind, eröffnen sich dann auch weitere Anwendungen bei uns.

Mit Micro Grids fossile Kraftstoffe ersetzen

Am attraktivsten ist die Substitution der teuersten fossilen Energiequelle, dem Öl. Laut IEA Micro Grids, Easy Smart Gridwurden 2012 weltweit 5% des Stroms aus Öl erzeugt, genauso viel wie aus Geothermie, Wind und Sonne zusammen. Bei uns vor allem zu Heizzwecken und im Verkehr genutzt, sind Diesel und Schweröl Grundlage der Stromerzeugung auf Inseln und in Regionen mit geringer Bevölkerungsdichte. SMA schätzt leicht substituierbaren Dieselstrom auf 50 GW, was 2/3 des deutschen Stromnetzes und jährlich etwa 100.000 M€ Kraftstoffkosten entspricht. Zur Sicherstellung gleicher Lebensverhältnisse führt dies zu hohen Subventionen auf den europäischen Inseln von den Shetlands bis zu den Kanaren. PV-Strom ist schon heute deutlich billiger, von Windstrom ganz zu schweigen.
Doch welchen Beitrag können deutsche Unternehmen leisten? Wir können dort schon heute Elemente des zukünftigen auf Erneuerbaren basierenden Stromsystems umsetzen. Solche Lösungen lassen sich aus den erzielten Ersparnissen finanzieren und sollten bald zu Gewinnen führen. „German Engineering“ von den Erfindern der „Energiewende“ ist Chance und Verpflichtung.

Startup Easy Smart Grid sucht Kapitalgeber

Das klingt komplizierter als es ist. Entscheidend ist, Lasten so zu verschieben, dass sie etwa bestehendes Überangebot erneuerbarer Erzeugung aufnehmen können. Das ist mehr eine Frage des Marktdesigns als der Technik. Damit kann vermieden werden, dass – wie z.B. auf der Insel Sal (Kapverden) – 50% des erzeugten Windstroms abgeregelt wird. Oder man baut (auf El Hierro/Kanaren) ein Pumpspeicherkraftwerk für 80 Mio. €, um mit Vervierfachung der Erzeugungskosten Windstrom fahrplanfähig zu machen und den Paradigmenwechsel zu verzögern. Denn wie sollte man die Investitionen in mehr Erneuerbare rechtfertigen, wenn sie sich selbst dort nicht rechnen? Und da es dort wenig große industrielle Lasten gibt, muss man kleine Lasten mit dezentralem Management nutzen, also zu variablen Preisen übergehen. Eine erste solche Implementierung gibt es nicht weit von uns bereits, auf Bornholm in Dänemark.

easysmartgrid, Micro grids

Hat man den Schritt zu variablen Preisen einmal gemacht, kann man auch gleich die Relikte aus dem Zeitalter der Dampfmaschinen beseitigen: Ein variabler Preis beseitigt alle bestehenden Zugangshürden in den Flexibilitätsmarkt, und zur Übertragung eines Preises benötigt man kein kompliziertes IKT System, das für Hackerangriffe verwundbar ist und massive Herausforderungen beim Datenschutz verursacht.

Micro Grids zum deutschen Exportschlager machen

Sollten wir uns darauf konzentrieren, zuerst die Hausaufgaben in Deutschland zu machen? Micro Grids, Inselnetze, Easy Smart GridHalten sich unsere internationalen Wettbewerber bei diesen frühen Märkten auch zurück und überlassen uns später Teile vom Kuchen? Und könnte es nicht sein, dass auch unser Europäisches Stromnetz zu einem zellulären Netz umgestaltet wird? Der VDE hat gerade eine Studie publiziert, die zeigt, wie dies Netzausbaukosten senken kann. Und da ein solches Netz aus gekoppelten „Micro Grids“ besteht, ist Erfahrung mit Inselnetzen (die Deutschland aus naheliegenden Gründen nicht hat) in jedem Fall von Vorteil. Alleine in New York gibt es 19 Micro Grids, und das US-Department of Energy investiert massiv in smarte Netzzellen und preisgetriebenes Netzmanagement („Transactive Energy“). An solchen Lösungen arbeitet auch Easy Smart Grid, ein Start-up aus Karlsruhe, das 2014 auf Platz 3 im Europäischen EIT ICT Smart Energy Challenge kam und mit geeigneten Partnern und überschaubarem Kapitalbedarf genau diese Chancen erschließen möchte.

Diskutieren Sie mit

Ich akzeptiere die Kommentarrichtlinien sowie die Datenschutzbestimmungen* *Pflichtfelder

Artikel bewerten und teilen

Micro Grids: Inselnetze für die Welt
4.6
5