Komplex, komplexer, Kapazitätsmarkt

Gastautor Portrait

Jochen Hauff

A.T. Kearney

Jochen Hauff ist Direktor für Erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit der Management-Beratung A.T. Kearney. Dort leitet er das globale Fokusteam Erneuerbare Energien der Beratergruppe Energiewirtschaft. Seine Erfahrungen aus über 14 Jahren Beratungstätigkeit umfassen zahlreiche Projekte zu strategischen, organisatorischen und energiewirtschaftlichen Themen für Unternehmen der Energiewirtschaft, für Produzenten von Energietechnologien sowie für Regierungen und Investoren in Europa, Nordamerika und Asien.

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23. Juli 2014

Die Diskussion um das Energiemarktdesign ist komplex. Und sie muss noch komplexer werden, damit ein unter Umständen notwendiger Kapazitätsmarkt sinnvoll ausgestaltet wird. Der Grund ist, dass die bisher vornehmlich national geführte Debatte zu kurz greift.

Weder stoppt der integrierte Strommarkt an den Grenzen, noch werden nationale Kapazitätsmärkte zu den gewünschten Ergebnissen in Punkto Versorgungssicherheit führen. Damit ein Kapazitätsmarkt seine Ziele erreicht und dabei möglichst effizient ist, muss er a) länderübergreifend und b) mit anderen Instrumenten der europäischen Umwelt- und Energiepolitik wie dem CO2-Zertifikate-Handel oder den Ausbauzielen der Erneuerbaren Energien abgestimmt werden.

Zu diesem Ergebnis kommen wir in unserer im Auftrag der EnBW A.G. angefertigten Studie „Ausgestaltung Network Operating Center (Bild Nr. 19945)und Koordination von Kapazitätsmechanismen im europäischen Strommarkt“. In ihr wurden derzeit diskutierte Ausgestaltungsoptionen von Kapazitätsmärkten in Zentral- und Westeuropa quantitativ modelliert. Die vier betrachteten Preiszonen Frankreich, Belgien, Niederlande und Deutschland/Österreich/Luxemburg wurden dabei einmal mit dem derzeitig diskutierten „Flickenteppich“  nationaler Instrumente abgebildet, anderseits wurde auch die Einführung einheitlicher, „harmonisierter“ Kapazitätsmärkte in allen Ländern untersucht.

Die Ergebnisse zeigen, dass die länderübergreifende, integrierte Ausgestaltung eines Kapazitätsmarktes zu Effizienzgewinnen führt. Dies basiert auf der besseren Ausnützung günstiger Kapazitäten in integrierten Märkten. Sollte angesichts der in Belgien und Frankreich bereits weit fortgeschrittenen Debatte eine gleichartige Ausgestaltung nicht mehr erreichbar sein, so kann durch die Ermöglichung gegenseitigen Handels auch bei unterschiedlicher Ausgestaltung eine Kostendämpfung gegenüber autarken Systemen erreicht werden. Ein wichtiger Grund hierfür sind die bei umfassenden, dezentralen Kapazitätsmärkten angenommene niedrigere Nachfrage nach Kapazität sowie ein höherer Ausnützungsgrad der technischen Potenziale flexibler Lasten.

Beim Test der Sensitivität des Modells auf Änderungen wichtiger Annahmen zeigt sich die sehr signifikante Interdependenz der Kapazitätsmärkte mit anderen energiepolitischen Kavernenkraftwerk (Bild Nr. 7953)Instrumenten. Hier sind insbesondere das Europäische Emissionshandels-System sowie die  politisch festgelegten Ausbauzielen für Erneuerbare zu nennen. So können Annahmen hinsichtlich der Geschwindigkeit des weiteren Ausbaus der erneuerbaren Energien sowie zu den CO2-Preisen quantitativ stärkere Auswirkungen haben als die Unterschiede der Ausgestaltung der untersuchten Kapazitätsmarktoptionen. Daraus folgt, dass es weniger um die Wahl des „richtigen“ Kapazitätsmechanismus geht, als vielmehr um die sinnvolle Gestaltung eines stimmigen Gesamtrahmens, der die Versorgungssicherheit zu vertretbaren Kosten sicherstellt.

Eine länderübergreifende Abstimmung erscheint zudem geboten, um die entstehenden Verteilungsfragen politisch zu flankieren. Betreiber von Kernkraftwerken in Frankreich und Belgien können stark von steigenden CO2 Preisen sowie von Kapazitätsmärkten profitieren, während Kohle- und Gaskraftwerke in Deutschland und den Niederlanden auch bei Einführung eines Kapazitätsmarktes nicht unbedingt Vollkostendeckung erreichen.

Also ist auch ein komplex abgestimmter Kapazitätsmarkt kein Allheilmittel, welches automatisch das Problem der fehlenden Wirtschaftlichkeit neuer Kraftwerke in allen Preiszonen löst. Dies muss sich durch die Gesamtheit der auf den Markt wirkenden Nachfrage- und Angebotsfaktoren ergeben, die von zahlreichen wirtschaftlichen und energiepolitischen Maßnahmen beeinflusst sind. Fazit: Ein bestenfalls unsicherer Nutzen einer sehr komplexen politischen und energiewirtschaftlichen Diskussion.
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Zur Zusammenfassung der Studie

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