BDI untersucht Klimapfade für Deutschland: Erreichung des 80%-Klimazieles ist möglich

Gastautor Portrait

Dr. habil. Jörg Jasper

Konzernexperte Energiewirtschaft und Energiepolitik, EnBW Energie Baden-Württemberg AG

Nach seinem Studium der Wirtschaftswissenschaft an der Universität Hannover arbeitete Jasper ab 1994 dort als Wissenschaftlicher Mitarbeiter. Ab 1996 erhielt er ein Stipendium der Friedrich-Naumann-Stiftung. 1998 vollendete Jasper seine Promotion und schloss einen Forschungsaufenthalt in Russland an als Stipendiat der Fritz-Thyssen-Stiftung. Jasper habilitierte sich 2004 und erhielt die Venia Legendi für das Fach Volkswirtschaftslehre. Seit 2006 arbeitet Jasper für die EnBW Energie Baden-Württemberg AG, zunächst als Senior Economist und seit 2010 als Konzernexperte Energiewirtschaft und Energiepolitik.

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26. Januar 2018
Dr. habil. Jörg Jasper, Konzernexperte Energiewirtschaft und Energiepolitik der EnBW Energie Baden-Württemberg AG

In jedem Jahr erscheinen in Deutschland zahllose energiewirtschaftliche Studien. Die meisten haben einen ziemlich engen Fokus, werden innerhalb von Fachzirkeln diskutiert und nach einiger Zeit ad acta gelegt. Nun wurde letzte Woche eine Studie der Öffentlichkeit vorgestellt, bei der dies anders ist: der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) hat die Gutachter Prognos und Boston Consulting Group (BCG) damit beauftragt, das ganz große Bild zu zeichnen, nämlich aufzuzeigen, wie sich das deutsche Klimaschutzziel von 80-95% Treibhausgasverringerung (im Vergleich zu 1990) auf die deutsche Volkswirtschaft auswirkt. In der Studie „Klimapfade für Deutschland“ wurden alle relevanten Sektoren, von der Energiewirtschaft, über Verkehr, Industrie, Haushalte/Wohnungswirtschaft bis hin zur Landwirtschaft behandelt. Die Frage war, ob und unter welchen Voraussetzungen die ambitionierten Klimaziele bis zum Jahr 2050 zu erreichen sind, wie sie sich auf die einzelnen Sektoren sowie auf das Wirtschaftswachstum auswirken. Wie man sich denken kann, waren das zu bewältigende Datenvolumen und der notwendige Modellierungsaufwand immens. Ein achtköpfiges Team hat ein ganzes Jahr an der Studie gearbeitet. Es wurde unterstützt von Vertretern aus zahlreichen Industrieverbänden und namhaften Unternehmen. Die EnBW war von Anfang an dabei.

Verschiedene Szenarien

Hat sich der Aufwand gelohnt? Das kann man sagen. Die Gutachter untersuchten drei Szenarien: ein Referenzszenario, also eine Art „Business-as-Usual-Fall“, das 80%-Szenario und das 95%-Szenario. Im Referenzfall kommt man 2050 auf eine Senkung der deutschen Treibhausgasemissionen von etwa 60%, ist also vom Ziel noch weit entfernt. Das Interessante ist nun: 80% Treibhausgasreduktion sind mit heutigen technischen Mitteln erreichbar und „volkswirtschaftlich verkraftbar“. Das 95%-Ziel reicht aus heutiger Sicht zwar an die Grenzen des gesellschaftlich und technisch Möglichen heran und setzt internationale Kooperation voraus – unmöglich zu erreichen ist es aber nicht. Die Erreichung dieses Zieles wäre allerdings mit einem deutlichen Strukturwandel verbunden (z.B. erhebliche Importe von erneuerbar erzeugten Flüssigbrennstoffen und Implementierung von CCS). Das 95%-Ziel würde eine 100%-ige Dekarbonisierung der Energiewirtschaft bedeuten, weil andere Sektoren (z.B. Landwirtschaft) weniger als 95% schaffen werden.

Einige interessante Ergebnisse im Einzelnen:

Der 80%-Klimapfad auf einen Blick

Aus Sicht der EnBW ist das Gutachten positiv einzuschätzen. Der erforderliche EE- und Infrastrukturausbau ist im Sinne der EnBW; die Kostensteigerungen für den Stromkunden fallen moderat aus. Das Gutachten hat ein großes Medienecho ausgelöst. Es verwundert nicht, dass es vor allem seitens der Umwelt- und Klima-NGOs und der Umweltverbände begrüßt wurde. Den Stellungnahmen war z.T. die Überraschung darüber anzumerken, dass nicht etwa ein Umweltverband, sondern der Spitzenverband der deutschen Industrie eine solche Studie veröffentlicht. Die hohe Qualität und der hohe Konkretisierungsgrad der Studie wird die Diskussion um die deutschen Klimaziele auf eine neue Grundlage stellen, denn nun wurde ein Weg zu ihrer Erreichung aufgezeigt und die dabei auftretenden zahllosen Interdependenzen in der deutschen Volkswirtschaft ausdrücklich betrachtet.

Klimapfade: Große Chance für ambitioniertere Klimapolitik

Wie geht es nun weiter? Die Studie wird von verschiedenen Interessengruppen nun genutzt werden, um eine ambitioniertere Klimaschutzpolitik einzufordern. Vor allem seitens der energieintensiven Industrien kommen aber auch  kritische Stimmen, die man ernst nehmen muss. Bei ihnen wird es künftig vor allem darum gehen müssen, sie vor steigenden Kosten zu schützen, um eine Abwanderung verhindern, die mit einer bloßen Verlagerung von Emissionen ins Ausland („carbon leakage“) verbunden wäre.

Was bleibt? Der öffentliche Diskurs wird nun kaum noch hinter die Feststellung zurückfallen können, dass das 80%-Ziel wirtschaftlich und technisch erreichbar ist. Die Diskrepanz zwischen den verfehlten Klimazielen und den im Gutachten aufgezeigten klimapolitischen Erfordernissen und Chancen wird größer.

Die EnBW kann sich durch die Studie in ihrem Kurs bestätigt sehen, auf den Ausbau der Erneuerbaren und von Infrastruktur zu setzen. Allerdings wird nun klarer, wie groß die Aufgaben tatsächlich sind, die in den kommenden Jahrzehnten auf uns zukommen werden.

Die Studie können Sie in unserer Energiebibliothek herunterladen.

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