Hürdenlauf zum neuen Energiesystem – Mitmach-Energiewende

Gastautor Portrait

Daniela Haas

Smart Grids-Plattform Baden-Württemberg e.V.

Daniela Haas schloss ihr Bachelorstudium der Politikwissenschaft und des Öffentlichen Rechts an der Universität Erlangen-Nürnberg ab. Im Anschluss arbeitete sie als freie Journalistin für die Augsburger Allgemeine Tageszeitung sowie für einen Reiseführer-Verlag und absolvierte eine Projektassistenz der internationalen Beziehungen im ostukrainischen Charkow. Derzeit schließt Daniela Haas den Masterstudiengang Planung und Partizipation an der Universität Stuttgart ab. Seit Juni 2017 ist sie bei der Smart Grids-Plattform Baden-Württemberg e.V. angestellt und hierbei im Rahmen des Forschungs- und Demonstrationsprojekts C/sells vor allem als PR-Redakteurin und als Patin für die C/sells-City tätig.

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14. Dezember 2017
Daniela Haas

Die Umsetzung des Energiesystems der Zukunft steht einer großen, bisher kaum beachteten Hürde gegenüber. Außenvorgenommen der technischen, regulatorischen und politischen Rahmenbedingungen existiert eine Klippe, deren Überwindung zentral für das Gelingen des ambitionierten Vorhabens Energiewende ist: Die Macht der Gewohnheit. Dieser Beitrag thematisiert demnach die Aspekte einer gelungenen Mitmach-Energiewende – ganz abgesehen von den notwendigen energiepolitischen oder informationsschutztechnischen Voraussetzungen. Hier geht es um die Lebens- und Erfahrungswelt der Energienutzer.

Die Komfortzone als Hürde

Wir stehen vor der Situation, dass sich der Verbraucher bis dato nicht notwendigerweise um das Thema Energie zu kümmern braucht. Energie und die sichere Versorgung damit sind in der alltäglichen Wahrnehmung der Menschen in Deutschland kaum oder gar nicht vorhanden, weil deren Funktionieren als eine Selbstverständlichkeit empfunden wird. Ohne eigenes Zutun oder aktiven Handlungsbedarf sind Strom und Energie immer verfügbar. Im gegenwärtige System der Energieversorgung fühlen sich die Verbraucher sicher, alles funktioniert, wie es soll. Warum also etwas Neues ausprobieren, wenn sich das Bestehende so gut bewährt hat?

Diese Schlussfolgerung für die eigene Handlungsmaxime gilt es aufzubrechen und sie ihrer Wirksamkeit zu berauben. Nur dann kann es gelingen, das Energiesystem dem tiefgreifenden Wandel zuzuführen, der ein Einhalten der Energiewende-Ziele der Bunderegierung und den hierfür nötigen Ausbau der erneuerbaren Energien ermöglicht.

C/sells macht Energie zu etwas Persönlichem

Wie aber kann man Menschen dafür gewinnen, sich für intelligente Vernetzung und die Installation neuartiger Messsysteme in ihrem Zuhause zu begeistern? Welche Anreize sind stark genug, um Gewohnheiten zu ändern? An eben dieser Frage setzt das SINTEG-Projekt C/sells an, konkret im Rahmen des Arbeitspaketes „Partizipationsarbeit in komplexen Strukturen mit Partikularinteressen“. Dieses Vorhaben, von 2017 bis Ende 2020 aktiv, trägt dem Gedanken Rechnung, dass die Energiewende als gesamtgesellschaftliche Herausforderung nur dann gelingen kann, wenn sie von einer möglichst breiten Vielzahl von Akteuren mitgetragen wird. Um dies zu erreichen, versucht C/sells die abstrakten Begriffe aus dem Dunstkreis technologischer Neuerung, Digitalisierung und smarter Vernetzung in die alltägliche Lebenswelt der Menschen zu überführen. Energie wird zu einem persönlichen Thema, mit dem man etwas Konkretes verbindet und das damit eine individuelle Bedeutung erfährt.

10 Modellkommunen für die Mitmach-Energiewende

In Süddeutschland nimmt die Energiewende Form an: Zehn Orte in Süddeutschland, wo die Mitmach-Energiewende im Fokus steht.
C/sells-Citys – jene Orte in Süddeutschland, wo die Mitmach-Energiewende im Fokus steht.

Das SINTEG-Schaufensterprojekt C/sells erstreckt sich über die drei Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg und Hessen, mit insgesamt mehr als 30 Millionen Einwohnern. Doch wie bringt man eine derart große Zahl von Menschen dazu, sich über neuartige Entwicklungen im Energiebereich zu informieren oder gar die eigenen Gewohnheiten zu ändern? Das Projekt setzt hierfür zunächst in zehn ausgewählten Modellkommunen, den sogenannten C/sells-Citys, mit unterschiedlichen Maßnahmen an. Pro Bundesland wurden gemeinsam mit den Bürgermeistern, Umwelt- oder Klimaschutzbeauftragten, Wirtschaftsförderern und Stadtplanungsämtern vor Ort sowie den zahlreichen C/sells-Partnern jeweils eine Klein-, Mittel- und Großstadt sowie zusätzlich ein Landkreis (Ebersberg bei München) ausgewählt, in denen die Begeisterung für die Energiewende ihren Anfang nehmen soll.

Sprechen wir gemeinsam über die Zukunft

Zu Beginn gilt es herauszufinden, was die Menschen in den Modellkommunen beim Thema Energiezukunft bewegt, welche Sorgen sie plagen und was sie sich wünschen. Um das zu erreichen, finden dort umfassende Untersuchungen statt, bestehend aus Fokusgruppen, Experteninterviews und quantitativen Sozialforschungsmaßnahmen.

Basierend auf den so erlangten Ergebnissen werden für die einzelnen C/sells-Citys individuelle Informations-, Dialog- und Beteiligungsmaßnahmen konzipiert und umgesetzt. Die Maßnahmen binden die Akteure vor Ort ein und holen sie an die komplexen Thematiken heran, um diese in die persönliche Erfahrungswelt der Menschen einzubinden. Wenn es dadurch gelingt, bei einzelnen Beteiligten Begeisterung für die Energiewende zu erzeugen, werden sie ihre Erfahrungen und Eindrücke an andere weitergeben. Das Energiesystem der Zukunft wird dann zum Stammtischgespräch, idealerweise zum Stadtgespräch.

Abstimmung mit den Füßen – Die Mitmach-Energiewende

Letztlich zielen die Maßnahmen des Partizipationspakets darauf ab, eine möglichst breite gesellschaftliche Unterstützung für die Transformation des Energiesystems hervorzubringen. Aus einzelnen Fans soll eine ganze Bewegung werden, die hinter dem Wandel und den damit einhergehenden Veränderungen steht. Aus Gewohnheit soll eigenverantwortliches Handeln werden, indem sich alle Akteure am neuen Energiesystem beteiligen und aktiv einbringen. Es geht darum, zum Mitmachen zu begeistern und eine »Abstimmung mit Füßen« ermöglichen. Konkret bedeutet das: Die Installation dezentraler, vor allem privater PV-Anlagen unterschiedlichster Größe, mehr Mieterstrom-Projekte, mehr erneuerbare Energieerzeugung in Süddeutschland, und die vermehrte Hebung von Flexibilitäten als mittelfristige Ziele.

Ist die Hürde der Gewohnheit einmal übersprungen, dürfte dem Einfallsreichtum und der Bereitschaft, selbst aktiv zu werden, kaum noch etwas entgegenstehen. Und der flächendeckende Roll-Out intelligenter Vernetzung damit schneller Realität werden, als mancher derzeit befürchtet.

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