HGÜ-Ausbau: Neue Energielandschaft erfordert auch neue Netze

Gastautor Portrait

Dr. Alain Kaptue Kamga

Transnet BW

Dr. Alain Kaptue Kamga wurde 1980 in Yaoundé geboren. Seine Promotion zum Dr.-Ing. legte er 2009 an der Bergischen Universität Wuppertal ab. Danach führte ihn seine erste berufliche Station zur EnBW Regional AG (heute NetzeBW GmbH). Seit 2012 ist Dr. Kaptue Kamga Teamleiter Netzentwicklung bei der TransnetBW GmbH. Hier verantwortet er die Netzplanung und Netzentwicklung des baden-württembergischen Übertragungsnetzbetreibers

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14. April 2015
HGÜ_02

Die Energiewende kommt mit großen Schritten! So schnell wie in Deutschland werden Wind- und Sonnenkraft in keinem anderen Land Europas ausgebaut und gleichzeitig beschleunigen wir den Ausstieg aus der Kernenergie bis 2022.
In Zukunft wird die Energielandschaft in Deutschland ganz anders aussehen, als wir das bisher kennen.

HGÜ_02, Energiewende aktuell, Übertragungsnetze
Quelle: TransnetBW

Viele EE-Anlagen haben eines gemeinsam: Sie produzieren ihre Energie weit entfernt von den Verbrauchszentren. Schon heute erzeugen die Windkraftanlagen an der Küsten viel mehr Energie, als im ganzen Norden überhaupt gebraucht wird. Im Süden und Westen Deutschlands hingegen fehlt durch die Abschaltung der Kernkraftwerke Energie. Zwar gibt es dort viele Solaranlagen, doch diese können nur während der Sonnenstunden Energie erzeugen.
In zehn Jahren wird auch unser Stammland Baden-Württemberg noch viel stärker auf Energielieferungen aus Norddeutschland angewiesen sein, als das heute schon der Fall ist. Vor allem in unserem industriestarken Land ist eine sichere Stromversorgung auch in der Zukunft nur durch HGÜ-Leitungen möglich. Im Netzentwicklungsplan prognostizieren wir für Baden-Württemberg ein Erzeugungsdefizit von mehr als einem Drittel. Dieselbe Größenordnung sehen wir auch für Bayern.
Wir haben im Rahmen der Netzentwicklungsplanung untersucht, wie diese enorme Aufgabe bewältigt werden kann. Unter den vielen Alternativen, die wir dabei geprüft haben, gibt es keine bessere Option als HGÜ-Verbindungen. Sie sind die ideale Ergänzung zum bestehenden Drehstromsystem.
Eine besonders innovative Lösung ist das Projekt Ultranet, bei dem die HGÜ-Leitungen auf einer bereits bestehenden Drehstrom-Trasse mitgeführt werden.

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HGÜ-Technik ist wirtschaftlich sinnvoll

Um den Strom quer durch Deutschland transportieren zu können, müssen neue Stromleitungen her, denn unser jetziges Stromnetz war nicht dafür gebaut worden, den Strom über so weite Strecken zu transportieren.
Dabei ist der HGÜ-Ausbau die wirtschaftlichste Lösung für die neuen Stromtrassen. Wir müssen künftig große Energiemengen über lange Distanzen transportieren, zum Beispiel die überschüssige Windenergie aus dem Norden bis hinunter in den Süden. Über so lange Distanzen geht bei der Höchstspannungsübertragung von Gleichstrom deutlich weniger Energie verloren, als bei dem beständig die Richtung wechselnden Drehstrom. Mit dieser Technologie lässt sich Energie daher wirtschaftlicher übertragen.
Der HGÜ-Ausbau ist zudem auch ökologischer, weil man nämlich ohne ihn viel mehr neue Drehstromleitungen bräuchte, um diese immensen Energiemengen bis hinunter in den Süden und Westen zu transportieren. Und nicht zuletzt können wir mit den HGÜ-Leitungen auch die Flächeninanspruchnahme gegenüber Drehstromleitungen reduzieren, was letztlich auch den Anwohnern zu Gute kommt.

HGÜ als stabilisierende Ergänzung

Um die Energiewende zu meistern, schlagen die ÜNB ein System von Drehstromnetz und HGÜ-Verbindungen vor. Nach dem NOVA-Prinzip (Netz-Optimierung vor Verstärkung vor Ausbau) setzen wir auch weiterhin auf Drehstrom, HGÜ-Verbindungen ergänzen das System für die langen Transportaufgaben großer Strommengen. Netzentwicklungsplan. Energiewende aktuell, ÜbertragungsnetzeIm Vergleich zu alternativen Lösungen schneiden HGÜ-Verbindungen dabei deutlich besser ab. Sie können große Strommengen nicht nur wirtschaftlicher als Drehstromverbindungen transportieren, sie haben auch zahlreiche weitere Vorteile, die zu einer stabilen und sicheren Energieversorgung auch in Zukunft beitragen.
Dazu gehört für uns auch, dass sich bei HGÜ-Verbindungen der Stromfluss besser regeln und in die gewünschte Richtung steuern lässt, während bei Drehstromleitungen der Strom immer den Weg des geringsten Widerstandes nimmt. Darum kommt es häufig zu Überlastungen einzelner Leitungen.
Außerdem haben HGÜ-Leitungen eine stabilisierende Wirkung auf unser bestehendes Übertragungsnetz: Ihre physikalisch-technischen Eigenschaften an den Endpunkten sind vergleichbar mit denen großer Kraftwerke. Transportieren wir Windenergie auf direktem Weg über eine HGÜ-Leitung in den Süden, ist es fast so, als stünde da ein Kraftwerk.
Nicht zu vergessen die wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Vorteile, die wir oben schon angesprochen haben. Mithilfe von HGÜ-Leitungen können größere Energiemengen übertragen werden als mit Drehstromleitungen. Darum werden weniger neue Leitungen benötigt und damit auch weniger Flächen für neue Stromtrassen beansprucht. Bei der Übertragung großer Strommengen über lange Distanzen bleibt bei HGÜ-Leitungen weniger Strom auf der Strecke, das heißt, es geht weniger Energie verloren.


Redaktionelle Ergänzung: Detaillierte Informationen zum Gemeinschaftsprojekt „Ultranet“ von Amprion und TransnetBW finden Sie auf dieser Projektseite.

 

Diskutieren Sie mit

  1. Windmueller

    vor 10 Jahren

    @ BI Weserbergland - ich kann ihre Argumente nicht ganz nachvollziehen. Wenn wir eine Energiewende wollen ( und nach Fukushima wollen die meisten Menschen das offensichtlich ), dann brauchen wir eine stärkere Vernetzung in Europa, und das bedeutet nun mal Trassenbau. Es gibt in ihrer Gegend die KKW Grohnde und Würgassen. Hat man dafür nicht auch neue Stromtrassen zu den Reaktoren gezogen ? Für das Dorf Grohnde brauchte man doch wohl kein KKW.

  2. BI Weserbergland

    vor 10 Jahren

    Lieber Windmüller.
    natürlich wollen alle eine Energiewende, aber doch bitte eine dezentrale. D.h. z.B., dass Windräder nicht nur in Norddeutschland an der Küste stehen, sondern auch in Bayern und anderswo. Im Weserbergland gibt es übrigens schon sehr viele davon. Die Solarenergie und Blockheizkraftwerke müssen weiter gefördert werden.
    Über die vorhandenen Netze sind diese Minikraftwerke zusammen zu schalten. Wenn im Norden dann mal kein Wind weht, dann weht er aber anderswo. Wenn im Süden die Sonne scheint, dann darf es im Norden bewölkt sein. Eine zentralisierte Energiewende, die man fast ausschließlich mit Windrädern im Norden erreichen will, ist der falsche Weg. Noch dazu kommt, das bei der zentralisierten Energiewende wieder nur die Quasi-Monopolisten verdienen.
    Die Betroffenen entlang der HGÜ Freileitungen aber sollen dafür allein die Zeche zahlen mit ihrer Gesundheit, dem Preisverfall ihrer Immobilien und der Zerstörung des für uns wichtigen Tourismus durch 3 parallele Mastreihen bis 2034. Industrie gibt es hier leider kaum.
    Würde man nur einen Bruchteil der mind. 22Mrd.€ für den Trassenbau veranschlagten Kosten in die Power To Gas Technologie stecken, dann wären neue Trassen vollkommen überflüssig (Link: http://www.iwr.de/news.php?id=28186). Das Gasleitungsnetz könnte als Riesen-Batterie genutzt werden. Aber lieber überträgt man den Übertragungsnetzbetreibern, die Verantwortung zur "Abschätzung" des zukünftig anfallenden Windstroms und gleich dazu noch das exklusive Recht die dafür nötigen Netze zu bauen. Die staatlich zugesicherten Zinsen auf Investitionen der ÜNBs wurden großzügig mit 9,05% festgeschrieben. Da ist jeder Trassenmeter ein Bombengeschäft. Und nun zu "unseren" AKWs hier. Glauben Sie wirklich, dass die betroffene Bevölkerung hier über die Atomkraftwerke und ihre Trassen gejubelt hat? Noch heute klagen sie gegen den Betrieb, da sich Störfall an Störfall reiht.
    u.s.w, u.s.w. ...

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  3. Reinhard Schechinger, BI GegenStromtrasse Obermichelbach / Tuchenbach

    vor 10 Jahren

    Die Argumentation des Herrn Dr. Alain Kaptue Kamga, Transnet BW, bedient die gängigen Klischees der oligopolartigen Stromindustrie:
    1. Die HGÜ-Leitungen werden nicht wegen des Stroms aus EE gebraucht, sondern für den Abtransport des Kohlestroms aus dem Ruhrpott und aus Ostdeutschland.
    2. Das Ziel der Energiewende ist nicht, "Energie weit entfernt von Verbrauchszentren" zu erzeugen, sondern dezentral, nahe beim Verbraucher.
    3. Wenn in Norddeutschland die AKW Grohnde, Brokdorf und Emsland abgeschaltet werden, kann der Nord-Windstrom besser vor Ort, in den Verbrauchszentren, verwendet werden.
    4. Sollte dann noch im Norden und Osten Windstrom "übrig" sein, dann schaltet doch bitte zur Erreichung der Klimaziele eines der vielen Braunkohlekraftwerke im Osten oder Steinkohle- und Braunkohlekraftwerke im Ruhrpott ab.
    Fazit: Die Energiewende braucht keine "dicken" HGÜ-Leitungen. Diese sind für den europäischen Stromhandel und die 9,05-% Garantie-Rendite der Stromindustrie. Und das steht nicht im EE-Gesetz und Herr Dr. Alain Kaptue Kamga weiß dies als Mitarbeiter eines der Stromkonzerne ganz genau!

  4. BI Weserbergland

    vor 10 Jahren

    Da können wir von der Bürgerinitiative Weserbergland uneingeschränkt in allen Punkten zustimmen. Bei und mit der HGÜ Technik geht es im Wesentlichen um den Ausbau des europäischen Stromhandels. Ganz offen wird dies in den Kommentaren der EU kommuniziert. Hier wollen wieder wenige auf dem Rücken der vielen Betroffenen entlang der Trassen profitieren.

    www.biweserbergland.wordpress.com

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  5. Windmüller

    vor 10 Jahren

    Der Artikel beginnt mit einer Fehleinschätzung. Dort steht geschrieben, kein anderes Land baue Wind- und Solarnutzung so aus, wie Deutschland.Tatsächlich findet in sehr vielen Ländern eine "Energiewende" statt. Ob Japan, die USA oder auch Großbritannien, in allen Ländern verändert sich die Energielandschaft. Nur macht man andernorts nicht so einen Glauben daraus.

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