Die Kosten für Strom aus Offshore-Windparks sinken drastisch – das hat die erste Ausschreibung für Offshore-Windenergie im April gezeigt. Es haben Gebote für die Nordsee einen Zuschlag bekommen, die ohne direkte Subventionen auskommen werden. Darunter war auch der EnBW-Windpark „He Dreiht“. Die WELT in Partnerschaft mit der EnBW lud vor einigen Tagen führende Experten und Vertreter der Energiewirtschaft nach Berlin ein, um über die Folgen der jüngsten Entwicklungen in der Offshorewind-Branche zu diskutieren. Wir fassen die Diskussion der acht Experten zusammen und haben mit einzelnen Diskutanten kurze Videos gedreht.
Die Offshore-Windenergie steht an der Schwelle der Marktfähigkeit“, meint Dirk Güsewell, Leiter Erzeugung Portfolioentwicklung der EnBW. Offshore-Entwickler seien vor diesem Hintergrund nun erstmals in der Lage, das unternehmerische Risiko selbst zu tragen und auf eine garantierte Einspeisevergütung verzichten zu können. Die Energiewende werde sich in der Zukunft marktgetrieben weiterentwickeln, so Güsewell.
Niedrigere Kosten für Verbraucher durch mehr Offshore-Windenergie
Größere Windparks, technologischer Fortschritt, effiziente Abläufe: Mehr Offshore-Windkraft würde die Preise für Strom aus Erneuerbaren Energien senken, prognostiziert Uwe Knickrehm, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Offshore-Windenergie.
Bis die niedrigeren Preise allerdings beim Verbraucher ankommen, werde es dauern – bis Mitte der 2020er Jahre, schätzt Thomas Engelke, Leiter Team Energie und Bauen im Bundesverband der Verbraucherzentralen. Deshalb bräuchten wir jetzt sehr viel kurzfristiger Maßnahmen, die zur raschen Entlastung der Verbraucher führen. Insbesondere die EEG-Umlage werde voraussichtlich noch bis zum Jahr 2023 weiter ansteigen, so Patrick Graichen, Direktor Agora Energiewende. Ab dann fallen nach und nach die besonders hoch geförderten Ökostromanlagen der Anfangsjahre aus der 20-jährigen EEG-Förderung heraus, sodass diese Kostenposition dann langsam geringer werde. Trotz einer Verdopplung der Strompreise seit 2000 stehe die Mehrheit der Verbraucher nach wie vor hinter der Energiewende, so Engelke.
Ausbauziele anheben
Ende 2016 speisten insgesamt 947 Offshore-Anlagen in der deutschen Nord- und Ostsee Strom mit einer Gesamtleistung von 4.108 Megawatt ins Netz ein. Die Politik hatte aus Angst vor steigenden Ökostromkosten die Ausbauziele insbesondere für die Offshore-Windkraft in den vergangenen Jahren reduziert. Bis 2020 soll die Offshore-Kapazität auf insgesamt 7.300 Megawatt steigen, bis 2030 auf 15.000 Megawatt. Die Technik habe sich schneller entwickelt als erwartet, sagt Markus Tacke, CEO Siemens Gamesa Renewable Energy, daher seien jetzt regulatorische Anpassungen notwendig. Die Ausbauziele müssten angehoben werden.
Lex Hartmann, Geschäftsführer TenneT, ergänzt: Die Energiewende funktioniere nur mit viel mehr Offshore-Windenergie. Da der Ausbau der Erneuerbaren Energien schneller voran gehe, als der Netzausbau, werde es weiterhin zu Engpässen kommen, sagte Hartmann. Der Ausbaurückstand könne jedoch aufgeholt werden: Mit Investitionen in den Netzausbau und technologischen Entwicklungen, die eine effizientere Nutzung des bestehenden Netzes ermöglichen.
Rasante Technologieentwicklung und Umweltschutz
Die EnBW geht für die Realisierung von „He Dreiht“ von schnell fortschreitenden Technologieentwicklungen und einer weiteren Professionalisierung in der Windenergiebranche aus. Siemens Gamesa arbeite beispielsweise an zukunftsweisenden Fundamenten, die im Gegensatz zu den heute üblichen Monopiles ohne Rammarbeiten und damit erheblich schallärmer im Meeresgrund verankert werden können. Das spare Kosten und käme der Umwelt zu Gute, sagte Tacke. Kim Detloff, Leiter Meeresschutz beim NABU, sieht zu viel Zubau hingegen auch kritisch: Die Nordsee würde zum Industriegebiet. Der Schallschutz käme an seine Grenzen und das Kollisionsrisiko für Vögel mit den Anlagen und der Lebensraumverlust steige. Er fordert daher, dass in den Ausschreibungen künftig nicht das günstigste Windparkprojekt den Zuschlag bekäme, sondern das naturverträglichste.
Verteilter Ausbau von Erneuerbaren Energien
In der Energiewende ist Windenergie das Zugpferd. Allein mit Wind-Offshore sei die Energiewende nicht zu machen, meint Hubertus Bardt, Geschäftsführer des Instituts der deutschen Wirtschaft. Ein verteilter Ausbau alle Technologien sei das Optimum. Das sieht auch Dirk Güsewell so: Es sei fahrlässig, wenn man nur auf eine Technologie setze.
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