Energetische Sanierung: Mehr Mut zur Wärmwende

Gastautor Portrait

Dr. Petra Steimle

Industrieverband Polyurethan-Hartschaum

Petra Steimle studierte und promovierte in Ethnologie an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg. Nach Feldforschungen in Mikronesien (Pazifik), einer Ausbildung als PR-Referentin, verschiedenen Kommunikationsprojekten und Arbeit in einer Presseagentur leitet Sie seit 1998 beim IVPU - Industrieverband Polyurethan-Hartschaum den Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Unter PUonline schreibt sie auf Twitter, Facebook und Google+ über Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und baulichen Wärmeschutz.

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01. Februar 2016
Energetische Sanierung

Das zentrale Thema der Energiewende ist die Wärme. Gut die Hälfte des gesamten Endenergieverbrauchs entfällt auf den Wärmebedarf – Raumwärme, Warmwasser und Prozesswärme – von Wohngebäuden, Büro- oder Industriegebäuden (dena-Gebäudereport 2015). Wenn der Wärmeverbrauch verringert werden soll, braucht Deutschland einen deutlichen Schub in seiner Wärmewende. Der Weg dorthin führt jedoch nicht nur über eine Wärmeversorgung mit Solarthermie, Holzheizung, Wärmepumpen oder Biomasse sondern berücksichtigt auch energieeffiziente Gebäudehülle. Bei allem Engagement  für eine Wärmewende und für mehr Energieeffizienz wird jedoch oft vergessen, wer letztlich über Erfolg oder Misserfolg entscheidet: der Hausbesitzer, seine Bereitschaft zu bauen oder zu sanieren und sein Verständnis dafür, wie Baukonstruktion, Heizen und Lüften zusammenhängen.

Drei wichtige Hebel der Wärmewende

Die Ziele der Wärmewende sind klar: die Senkung des jährlichen Primärenergiebedarfs für das Gesamtgebäude und die Reduzierung der Transmissionswärmeverluste durch die Gebäudehülle. Hinzu kommt, dass die erforderliche Wärme energieeffizient und umweltfreundlich erzeugt wird.

  1. Im Neubau gehört die Zukunft den Effizienzhäusern. Ab 2019 werden alle Neubauten der öffentlichen Hand und ab 2021 alle Neubauten gemäß den Vorgaben der EU-Gebäuderichtlinie für die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden als sogenannte „Niedrigstenergiegebäude“ errichtet. Darunter sind Passivhäuser, Energie-Plus-Häuser und KfW-Effizienzhäuser zu verstehen. Deshalb muss Deutschland seine rechtlichen Rahmenbedingungen entsprechend anpassen. Eine Herausforderung an die Regelsetzer wird sein, die Mindestanforderungen bzw. -standards von EEWärmeG (Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz) und EnEV (Energieeinsparverordnung) besser abzugleichen. Kostensteigerungen im Neubau sind hauptsächlich mit zusätzlichen Anforderungen wie z. B. gestiegene Grundstückskosten in Ballungszentren, Stellplatzsatzungen oder Anforderungen an die Barrierefreiheit (FIW Studie) verbunden. Die Absicht, Fördermittel in Anspruch zu nehmen, motiviert mehr zu tun. Die KfW erwartet, dass sich langfristig der KfW-Effizienzhausstandard 55 durchsetzt (KfW Magazin Chancen „Wärme“). Das heißt, dass ein Neubau mit 55 Prozent der derzeit erlaubten Energiemenge auskommt.
  2. Den Wärmebedarf mit erneuerbaren Energien decken. Die erneuerbaren Energien IVPU-Bild_Sanierungsplanungspielen im Stromsektor bereits eine wichtige Rolle. Der nächste Schritt ist ein weiterer Ausbau bei der Wärmeversorgung von Gebäuden. Soll der Wärmebedarf überwiegend aus Erneuerbaren gedeckt werden, braucht es jedoch gewisse Voraussetzungen: verbesserter baulicher Wärmeschutz des Gebäudebestands, Effizienzhäuser als Standard und sinkender Wärmebedarf in der Industrie. Ein wichtiger Aspekt ist, dass regenerativ erzeugte Wärme fossile Energieträger ersetzt. Dadurch wird der Ausstoß klimaschädlicher Gase reduziert. Werden fossile Rohstoffe, z. B. für die Herstellung von Kunststoffen, stofflich genutzt, bleibt das in ihnen enthaltene CO2 gespeichert.
  3. Die energetische Sanierung ist das Zünglein an der Wärme-Waage. Etwa zwei Drittel des gesamten Gebäudebestands wurden vor 1977 gebaut, also vor In-Kraft-Treten der ersten Wärmeschutzverordnung. Rund 15,4 Mio. alte Ein- und Zweifamilienhäuser haben mit 40 % den größten Anteil am Endenergieverbrauch im Gebäudebestand. Sie haben große Wohnflächen je Wohneinheit und damit auch hohe quadratmeterbezogene Energieverbräuche (dena-Gebäudereport 2015). Laut KfW sind erst 30 Prozent dieser Häuser ganz oder teilweise energetisch saniert worden. Die jährliche Sanierungsquote liegt heute bei knapp einem Prozent. Um das Ziel eines nahezu klimaneutralen Gebäudebestands bis zum Jahr 2050 zu erreichen, müsste die Sanierungsquote doppelt so hoch sein. Wie können die Sanierungstätigkeiten angekurbelt und welche Akteure müssen angesprochen werden?

Energetische Sanierung, Wärmewende

Mehr „Drive“ bei der Sanierung des Gebäudebestands

Ein wichtiger Akteur ist also der private Hausbesitzer. Er „schultert“ einen großen Teil der Anstrengungen, sieht sich jedoch mit unterschiedlichen Informationsangeboten und kontroversen Berichterstattungen in den Massenmedien konfrontiert. Die Wirtschaftlichkeit der energetischen Gebäudesanierung wird in Zweifel gezogen. Das fördert Vorbehalte und Unsicherheit und hemmt Investitionen.

Die energetische Sanierung lohnt sich vor allem dann, wenn Gebäude oder Bauteile instand gesetzt werden. Regionale Sanierungsnetzwerke vernetzen unterschiedliche Akteure wie Handwerker, Energieberater, Planer und die Sanierungsindustrie. Sie arbeiten vor Ort, kennen die Gegebenheiten und sind die positiven „Vorbilder“ vor der eigenen Haustüre. Ziel sollte sein, den regionalen Netzwerkaufbau stärker zu fördern (z. B. Personalkosten, Aufbau von Datenbanken, Monitoring der Beratungsangebote) und einen Erfahrungsaustausch zwischen den Netzwerken zu etablieren. Bestehende Förderprogramme zur Beratung und zur Baubegleitung können aufgestockt und weiterentwickelt werden.

Gebäudesanierungen werden häufig schrittweise durchgeführt. Sinnvoll ist dabei, eine langfristige, gebäudeindividuelle Sanierungsstrategie zu verfolgen. Wird eine Komponente der Gebäudehülle heute erneuert, dann sollte die Maßnahme so geplant und ausgeführt werden, dass sie bis 2050 nicht noch einmal renoviert werden muss. Auch die Gebäudeinfrastruktur sollte Wärme aus erneuerbaren Energien integrieren können. Positive Anreize geben z. B.

  • Sanierungspakete mit zwei, aufeinander abgestimmte Maßnahmen wie Dachdämmung und  Solarthermie oder Fensteraustausch und Außenwanddämmung. So werden Schnittstellenprobleme verringert.
  • Eine stärkere Förderung (Zuschüsse) von vorgezogenen Einzelmaßnahmen wie Kellerdeckendämmung oder Heizungsoptimierung.
  • Eine Unterstützung von Handwerkern, die Energieeffizienz und Erneuerbare kombinieren und in das Standardprogramm aufnehmen.

Dem Bauherren die energetische Sanierung erleichtern

Die derzeitige Förderlandschaft ist unübersichtlich und zwar für alle. Die wenigsten privaten Bauherren werden über Einsparmöglichkeiten angemessen informiert. Die unterschiedlichen Informations- und Beratungsangebote – Schornsteinfegerprotokolle, Energieberatung, Gebäudeenergieausweis in zwei Varianten – sind nicht konsequent aufeinander abgestimmt. Eine Vereinfachung der Förderung erhöht die Akzeptanz. Eine Qualitätssicherung und Optimierung der bestehenden Energieberatung fördert einen höheren Standard. Dazu gehört auch, dem Bauherrn eine „Gebrauchsanweisung“ für sein energetisch saniertes Haus zu geben, damit er versteht, wie Baukonstruktion, Heizen und Lüften zusammenhängen.

Kauf, Erbschaft oder Schenkung einer Bestandsimmobilie sind oft Anlässe für eine energetische Sanierung. Steuerliche Anreize für Effizienzmaßnahmen haben eine hohe psychologische Wirkung. Sie können Immobilienbesitzer dazu motivieren, aufgeschobene Sanierungsvorhaben schneller zu realisieren. Positive Vorbilder, sogenannte „Sanierungshelden“ zeigen wies geht. Es geht nicht nur um Technik, Ausführung und Kosten. Am Schluss zählen die höhere Wohnqualität und das Gefühl, eine gute Entscheidung getroffen zu haben.

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  1. Windmüller

    vor 9 Jahren

    Um ehrlich zu sein, kann ich die Kritik an Wärmedämmung in keinster Weise einordnen. Ich habe mein Haus dämmen lassen, und habe es noch nie einen Tag bereut. Der Vorteil ist besonders im Sommer deutlich zu spüren. Wir haben die Schlafzimmer nach Süden raus. Im Sommer hatten wir in den Schlafräumen durchaus 25° C. An erholsamen Schlaf war kaum zu denken. Mit der Dämmung sind es maximal 20° C, da kann man entspannt schlafen. Im Winter kühlen die Wände nicht so stark aus. Selbst wenn die Temperatur in der Früh mit der Nachtabsenkung auf 17° C gesunken ist, hat man die Räume in 30 Minuten wieder auf Temperatur. Ich brauche im Jahr 170 bis 200 Kubikmeter Gas, und 6 Raummeter Weidenholz ( welches ich kostenlos bekomme ) Heizkosten in homöopathischer Höhe, und ein angenehmes Raumklima - was will man mehr ?

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