Digitalisierung: Gute Ideen entstehen eher in Garagen als in Gremien.

Gastautor Portrait

Felix Dembski

Bereichsleiter Intelligente Netze und Energie, Bitkom

Felix Dembski ist Jahrgang 1981 und hat seine juristische Ausbildung in Berlin, London und San Francisco absolviert. Seit 2013 ist er Bereichsleiter Intelligente Netze und Energie beim Bitkom.

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17. Mai 2016
Gastautor Felix Dembski von der Bitkom fordert mehr Marktsignale und bessere Orientierung an Bedürfnissen sowie Abstimmung von Angebot und Nachfrage ein. Dann könnten, so sein Plädoyer, die Chancen der Digitalisierung noch viel stärker genutzt werden.

Alles muss man selber machen. Das gilt besonders in der Digitalisierung der Energiewende. Kein Stromkonzern und kein Datenkonzern können den Bürgern diese Aufgabe abnehmen. Auf der Erzeugungsseite klappt das mit dem selber machen seit 15 Jahren schon ganz gut. Die 1,5 Mio. Wind- und Solar-Anlagen zeugen von dem Willen der Bürger, in eine CO2-neutrale Zukunft zu gehen. In allen anderen Bereichen wie den Netzen, Mobilität, Lastflexibilität etc. ist vom neuen Energiezeitalter noch deutlich weniger zu spüren. Digitale Innovationen werden hier der Schlüssel sein.

Uber, Airbnb, Amazon: Die besseren Geschäftsmodelle?

Das Energiesystem ist wie gemacht für die Digitalisierung. Denn was machen Uber, Airbnb oder Amazon am Ende des Tages? Sie bringen Angebot und Nachfrage besser zusammen, lasten knappe Ressourcen optimal aus und senken die Preise durch effizientere Prozesse. Das Energiesystem scheint der perfekte Ort für diese Philosophie. Es müssen Nachfrage und Angebot stets exakt übereinstimmen, die Ressource Netz ist begrenzt und nur unter Schmerzen erweiterbar und die Stromrechnung ist gefühlt immer zu hoch. Warum geht es also so langsam voran?

Digitalisierung bedeutet, Erfolgsprinzipien des Internets anzuwenden

Die größte Herausforderung liegt darin, dass Digitalisierung nicht bloß bedeutet, alte Prozesse neuerdings in Einsen und Nullen auszudrücken. Digitalisierung ist dann am erfolgreichsten, wenn bestimmte Prinzipien des Internets in anderen Branchen zur Anwendung gebracht werden können. Das sind vor allem eine gewisse Hierarchie-Freiheit, Dezentralität und die Möglichkeit jeden Netznutzer mit jedem Netznutzer interagieren zu lassen. Davon ist Energiesystem weit entfernt. Der schier unendliche regulatorische Dschungel macht es sehr schwierig für junge Unternehmen, auf diesen Prinzipien basierende digitale Lösungen zu entwickeln. Selbst für den Laien so einfach erscheinende Ideen wie Mieterstrom vom eigenen Dach sind nur unter gigantischen Anstrengungen regulatorisch umsetzbar.

Bitkom bringt im et started network Unternehmen zusammen.Bitkom bringt junge Unternehmen zusammen

Erste spannende Ansätze werden jedoch bereits sichtbar. In seinem Startup Network Energy bringt der Bitkom zurzeit junge Unternehmen zusammen, die das machen, wofür Digitalisierung immer am besten geeignet war: Einfach loslegen. Denn technisch kann man lokale EE-Erzeuger und Verbraucher zusammenbringen, oder

Lastflüsse im Verteilnetz sichtbar machen oder sogar energiewirtschaftliche Prozesse mit Kryptowährungen abwickeln. Beim Navigieren durch den regulatorischen Dschungel des Energiesystems sind die Start-ups so auch nicht mehr ganz allein.

Was muss jetzt passieren? Die Energiewende tritt bald in die nächste Phase ein. Wind und Sonne werden dem Strom-Mix nicht mehr bloß beigemischt, sie prägen jetzt das ganze System. Am 08. Mai 2016 wurde in einer Stunde der neue Rekord von 90% Erneuerbaren Energien am deutschen Strommarkt erreicht. Das niedrigste zugeschlagene Gebot bei der letzten Freiflächen-Solarauktion lag bei knapp 7 Cent pro kWh. Es läuft gut auf der Erzeugungsseite.

Es geht darum, Marktsignale entstehen zu lassen

gridsingularity.com: Kryptowährungen für energiewirtschaftliche Prozesse
gridsingularity.com: Kryptowährungen für energiewirtschaftliche Prozesse

Entscheidend wird es jetzt sein, jeden Stress, den das Energiesystem dadurch erfährt, in ein Marktsignal zu verwandeln. Wem es gelingt, Geräte und Maschinen daraufhin zu trainieren, sich stärker nach Wind und Sonne zu richten, der soll was davon haben. Warum sollte eine EEG-Umlage nicht in Zeiten hoher EE-Einspeisung niedrig und anderen Zeiten hoch sein? Sollte die

Auktion von neuen Erneuerbaren-Kapazitäten es nicht belohnen, wenn ein Projektierer einen „Netz-freundlichen“ Ort für seine Anlagen wählt? Wie passt es zusammen, dass die Politik mehr Flexibilität fordert, aber den Strompreis mit so vielen fixen statt flexiblen Umlagen belastet?

„Gute Ideen entstehen eher in Garagen als in Gremien.“

Solche Marktsignale müssen freigelegt und jedem Tüftler zugängig gemacht werden. Gute Ideen entstehen eher in Garagen als in Gremien. Wer hätte gedacht, dass man mit dem Internet den Heizungsbau revolutionieren könnte? Oder eine Laterne eine Tankstelle sein kann? Elektromobile mit der Blockchain betankt werden können? Wenn erst einmal die Herausforderungen des Energiesystems in Preissignale umgewandelt sind, werden wir auch dort erhebliche digitale Innovationen sehen. Man muss die jungen Unternehmen nur machen lassen.

 

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