Strom an sich ist beliebig austauschbar – ein Substitutionsgut, wie es im Buche steht. Wie schaffen es die Energieriesen, ihr Geschäftsmodell so anzupassen, dass sie nicht zu reinen Infrastrukturanbietern degradiert werden? Im Rahmen des ersten Kaminabends auf dem EnBW Innovationscampus hat die UDG United Digital Group in einem Impulsvortrag digitale Innovationen vorgestellt und gemeinsam mit mehr als hundert Teilnehmern Wege in die digitale Zukunft der Branche diskutiert.
Geschäftsmodelle unter Druck
Die Herausforderungen durch digitale Technologien und äußere Rahmenbedingungen sind enorm. Kaum eine Branche steht derzeit vor ähnlich gewaltigen Herausforderungen wie der Energiesektor. Die Energiewende im Zuge der Katastrophe von Fukushima, das Klimaabkommen von Paris aus dem vergangenen Jahr sowie die Folgen der Digitalen Transformation zwingen die einst stolzen Energieversorger, ihre Geschäftsmodelle zu überdenken und neue Wege zu gehen. Und das alles im laufenden Betrieb: Die bereits getätigten Investitionen in Kraftwerke und Infrastruktur sind gigantisch und entsprechend langfristig.
Customer Centricity als strategischer Imperativ
Ausgangspunkt aller Überlegungen muss die radikale Fokussierung auf den Kunden und seine Bedürfnisse sein. Die Konsumenten haben in den vergangenen Jahren dank digitaler Technologien erheblich an (Verhandlungs-)Macht gewonnen. Digitale Services ermöglichen es ihnen, selbstbestimmte Entscheidungen zu minimalen Transaktionskosten treffen. Die Entwicklung überzeugender, alltagsrelevanter Services entlang der Bedürfnisse der Kunden ist daher für Unternehmen zum strategischen Imperativ geworden.
Im zweiten Schritt gilt es, diese Services in das Kernprodukt zu integrieren. So wird das leicht substituierbare Gut Strom durch komplementäre Dienstleistungen aufgewertet. Kunden werden auf diese Weise dauerhaft an das Unternehmen gebunden. Die Ansätze reichen von vernetzter Mobilität über das Dauerthema Smart Home bis hin zur intelligenten Infrastruktur für Städte und Gemeinden.
Content Ecosystems
Im gleichen Zug muss sich die Kommunikation entlang der gesamten Customer Journey verändern. Abseits von eindimensionalen Werbebotschaften gilt es, die Konsumenten ernst zu nehmen und eine Kommunikation auf Augenhöhe zu führen.
Dabei geht es heute nicht nur darum, relevante Botschaften an den passenden Nutzer zu übermitteln – auch der Zeitpunkt muss stimmen. Denn nicht nur haben unterschiedliche Menschen unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse, sondern diese ändern sich auch entlang der Customer Journey. Unternehmen müssen diese erkennen und den Content von Touchpoint zu Touchpoint situativ anpassen.
Besonders jüngere Zielgruppen – die Kunden von morgen (Generation Y/Millenials) – erwarten herausragende, innovative digitale Kommunikations- und Serviceangebote. Interaktionen via Smartphone, Mail und soziale Medien sind der Goldstandard. Die Etablierung des Facebook Messenger als universelles Service Tool stellt in diesem Kontext eine realistische, nicht allzu ferne Zukunft dar.
Digitale Transformation
All dies stellt etablierte Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen. Konzernstrukturen mit ihren starren Hierarchien, oftmals siloartigen Strukturen und langwierigen Entscheidungs- und Abwägungsprozessen sind nicht darauf ausgelegt, agil, schnell und flexibel auf neue Marktanforderungen zu reagieren.
Kein Wunder, geht doch die Organisationstruktur häufig noch auf traditionelle Produktion der Industriegesellschaft zurück. Sowohl die Leistungserbringung als auch die Kommunikation müssen jedoch dringend an die Bedürfnisse der Konsumenten in der Servicegesellschaft angepasst werden.
Die Unternehmen der Energiewirtschaft sollten deshalb ihre Arbeitsweisen, Geschäftsmodelle und Kommunikationsmethoden grundlegend überarbeiten, damit aus der konservativen, risikoaversen Branche ein innovatives Versuchslabor der digitalen Welt werden kann. Denn eine erfolgreiche Digitale Transformation etablierter Unternehmen und Strukturen ist notwendig, um zukünftig erfolgreich am Markt zu agieren.
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