Die Digitalisierung der Energiewelt ist aktuell das große Thema der Energieversorger. Viele, die den Umstieg auf Erneuerbare verschlafen haben, wollen nicht noch einmal zu spät kommen. Dabei geht es nicht nur darum, unternehmensinterne Prozesse zu optimieren. Neue Angebote richten sich auch an Verbraucherinnen und Verbraucher. Ob diese aber automatisch profitieren, ist nicht ausgemacht.
Aktuell bereitet das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) mit dem Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende den vollständigen Rollout intelligenter Messsysteme und moderner Zähler vor. Auch wenn angeblich kein Haushalt mit mehr Kosten als zu erwartendem Nutzen belastet wird, bleibt bei nüchterner Betrachtung fraglich, wo genau der Nutzen liegt. Nur der Einbau von Hardware allein spart erst einmal weder Strom noch Geld, sondern kostet je nach System und Verbrauch zwischen 20 und 100 Euro jährlich. Hinzukommt: Auch die versprochenen variablen Tarife, mit denen sich zumindest etwa Geld sparen ließe, sind bislang nicht wirklich am Markt vorhanden. Auch ob sie sich jemals durchsetzen, ist offen, da sich variable Tarife finanziell nur bei Haushalten mit Speicherheizung wirklich lohnen. Diese vom BMWi geplante Zwangsbeglückung aller Haushalte verhindert, dass ein echter Wettbewerb um Kunden stattfinden kann. Nicht das Unternehmen mit dem überzeugendsten Angebot macht das Rennen, sondern jenes, das mehr Pflichteinbaufälle bieten kann. Sollen Verbraucher tatsächlich profitieren, ist Freiwilligkeit statt Zwangs-Rollout unumgänglich.
Nicht alles, was in der digitalen Energiewelt geht, ist sinnvoll
Ein anderes Thema mit Tücken ist das Thema Smart Home. Hier entwickeln sich viele ehemalige Energieversorger mit ihren Smart Home Plug & Play-Angeboten zu veritablen Elektronikfachhändlern. Neben der energiewirtschaftlichen Relevanz sind auch Sinn und Zukunftsfähigkeit der Produkte zu hinterfragen. Die Sinnfrage sollte jeder einzelne Verbraucher für sich beantworten. Bei der Zukunftsfähigkeit sieht es jedoch anders aus. Den wenigsten Verbrauchern ist bekannt, dass ihre neue Smart Home-Basisstation nicht mit Angeboten anderer Hersteller kompatibel ist und dass durch fehlende Updates und Ersatzteile ihre vernetze Haustechnik eine ähnliche Habwertzeit wie Computertechnik bekommt. Aus Verbrauchersicht wird das Ganze nur interessant, wenn sich offene und herstellerübergreifende Systeme durchsetzen.
Neben der Kosten-Nutzen-Frage ist für den Verbraucherschutz letztlich entscheidend, welchen Stellenwert der Datenschutz in der neuen digitalen Energiewelt einnimmt. Dabei ist neben der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben auch entscheidend, dass Verbraucher jederzeit Herr ihrer personenbezogenen Daten bleiben. So muss jede personenbezogene Datenanalyse und Nutzung Zweckbindung, Datensparsamkeit, Transparenz und Einwilligung voraussetzen. Gesetzlich ist das grundsätzlich geregelt, aber bei der Kontrolle und Ahndung gibt es noch großen Nachholbedarf. Darüber hinaus muss aber auch bei Big Data anerkannt werden, dass Risiken für den Persönlichkeitsschutz und damit für die Akzeptanz der Nutzer bestehen. Für die Verwendung der Daten etwa für Marketing, Kundenbindung und auch zum Weiterverkauf braucht es engere Grenzen. So sind 86 Prozent der deutschen Verbraucher dagegen, dass ihre anonymisierten und aggregierten Smartmeter Daten an Dritte verkauft werden.
Die Digitalisierung der Energiewelt kann für Verbraucher viel Nutzen stiften, aber nur wenn sie als gleichberechtigte Marktpartner anerkannt werden. Dafür ist es wichtig, mit Freiwilligkeit, interoperablen Systemen und hohem Datenschutz eine Beziehung mit den Unternehmen auf Augenhöhe zu ermöglichen.
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