Die Logistik wird elektrisch

Gastautor Portrait

Sven Hönicke

IAV, Entwicklungszentrum Chemnitz / Stollberg

Sven Hönicke absolvierte in den Jahren 1991 bis 1995 sein Studium des Maschinenbaus (Vertiefung Verbrennungskraftmaschinen). Seit 19 Jahren ist er bei IAV im Entwicklungszentrum Chemnitz / Stollberg angestellt. Begonnen hat er im Bereich Konstruktion Ölkreislauf. In den Jahren 2002 bis 2010 leitete er unterschiedliche Projekte deutschlandweit für IAV – seit 2008 auch im Bereich der elektrischen Antriebe. Von 2011 bis 2013 war Sven Hönicke als Abteilungsleiter für die Entwicklung elektrischer Antriebe am Standort in Gifhorn eingesetzt. Danach erfolgte ein Wechsel zurück in die sächsische Heimat, wo Sven Hönicke seitdem als Abteilungsleiter für die Themen Absicherung und Test elektrischer Antriebssysteme und Powertrain tätig ist.

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25. Oktober 2017
Sven Hönicke von eJIT

Bei Diskussionen über die Zukunft der Mobilität steht meist der Pkw im Mittelpunkt. Etwas stiefmütterlich wird hingegen der Gütertransport behandelt. Ein großer Fehler – denn angesichts der aktuellen Diesel-Diskussion und der steigenden Beliebtheit des Online-Shoppings sind auch hier dringend neue Lösungen gefragt. Vor allem auf der letzten Meile können elektrische Antriebe schon bald eine echte Alternative sein, wie das Förderprojekt eJIT beweist.

Pausenlos Transporte zwischen Werk und Lager

Die Ausgangssituation: Zwischen dem Porsche-Werk und dem Porsche-Logistikzentrum in Leipzig legen Lkws jedes Jahr rund 70.000 Kilometer zurück, um Bauteile zur rechten Zeit an die Bänder zu liefern. Auch zwischen dem VW-Werk in Zwickau und dem nahe liegenden Standort des Volkswagen-Partners Schnellecke Logistics pendeln fast pausenlos Trucks. Sie sind im Dreischicht-Betrieb und sechs Tage pro Woche auf der ca. zehn Kilometer langen Strecke unterwegs.

Beide Strecken stellen unterschiedliche Anforderungen an die Lkws: In Zwickau ist ein großer Teil Bundesstraße mit einer relativ hohen Geschwindigkeit von 60 bis maximal 80 Stundenkilometern, zudem gibt es dort spürbare Steigungen. In Leipzig dagegen sind die Fahrzeuge vorwiegend in der Stadt und auf ebenem Gelände unterwegs.

Europapremiere: elektrische 40-Tonner für den Zulieferverkehr

Bis vor kurzem kamen für die Transporte ausschließlich Diesel-Lkws zum Einsatz, aber seit Mitte Juni gehören auch die europaweit beiden ersten elektrisch angetriebenen 40-Tonner zur Truck-Flotte. Möglich wurde diese bemerkenswerte Premiere durch das Projekt „eJIT“ (Just-in-Time-Logistiksystem auf elektromobiler Basis).

Die Projektpartner haben die beiden Lkws mit elektrischen Antrieben ausgestattet, die 280 Kilowatt Dauer- und 320 Kilowatt Spitzenleistung liefern, eine Spitzengeschwindigkeit von 85 Stundenkilometern ermöglichen und voll beladen 70 Kilometer Reichweite bieten – bei minimaler Geräuschentwicklung und lokal emissionsfrei. Genau so sollte die Logistik der Zukunft aussehen.

Unterbrechungsfreier Betrieb trotz Nachladen

Natürlich ist das Nachladen der Batterie gerade bei derart großen Fahrzeugen ein wichtiges Thema. Intelligente Ladekonzepte garantieren bei eJIT einen unterbrechungsfreien Betrieb der beiden Trucks: In Leipzig nutzt der Lkw pro Schicht jeweils 45 Minuten, um die Batterie dreimal am Tag nachzuladen. Sein Pendant auf der Strecke zwischen Schnellecke Logistics und dem VW-Werk Zwickau wird während des achtminütigen Stopps an der Laderampe per DC-Laden mit 150 Kilowatt nachgeladen.

Auch über das Schnellladen mit 400 Ampere (derzeit: 200 Ampere) denken die Projektpartner nach. Die Zellen der Batterien sind für derart hohe Ströme ausgelegt, erforderlich sind allerdings noch neue Stecker oder alternative Ladekonzepte.

Ab Anfang 2018 hochautomatisiert unterwegs

Die neue Antriebstechnik hat sich in den ersten Wochen des Feldversuchs als absolut zuverlässig erwiesen, und auch die Fahrer sind begeistert von den leisen Zugmaschinen mit ihrem angenehmen Fahrverhalten. Kommendes Jahr wartet ein weiteres technisches Highlight auf sie: Der Leipziger Lkw wird Anfang 2018 neben seinem elektrischen Antrieb auch ein Assistenzsystem für das hochautomatisierte Fahren bekommen – womit dann die beiden wichtigsten mobilen Megatrends abgedeckt wären.

Gerade in der Logistik sehen Experten großes Potenzial für das hochautomatisierte Fahren. Lkws könnten zum Beispiel in Zukunft an der Rampe selbstständig rückwärts rangieren. Das würde den Fahrer entlasten, der die gewonnene Zeit für eine Pause nutzen kann. Aber auch außerhalb des Werksgeländes soll der Truck das Steuer übernehmen: Dafür wollen die Projektpartner mehrere Ampeln mit Car2X-Technologie ausstatten, die den Lkw über drahtlose Kommunikation beim selbstständigen Abbiegen unterstützen soll. Weitere Herausforderungen sind Kreisverkehre und nicht ausreichend markierte Spuren.

An eJIT sind neben IAV Schnellecke Logistics, die Volkswagen Sachsen GmbH, die Porsche Leipzig GmbH sowie das Netzwerk der Automobilzulieferer Sachsen beteiligt. Das Projekt wird im Rahmen des Technologieprogramms „Informations- und Kommunikationstechnik für Elektromobilität III: Einbindung von gewerblichen Elektrofahrzeugen in Logistik-, Energie- und Mobilitätsinfrastrukturen“ durchgeführt, mit dem das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) die Forschungsaktivitäten im Bereich der gewerblichen Nutzung der Elektromobilität fortsetzt. Projektträger ist das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt.

eJIT - Logistik geht auch elektrisch
Bild: eJIT

E-Mobilität bei IAV: breite Palette an Aktivitäten

Bei IAV ist eJIT Teil einer ganzen Reihe von Aktivitäten rund um das Thema E-Mobilität. Zu ihnen gehören neben zahlreichen Kundenprojekten auch Eigenentwicklungen wie beispielsweise eine modulare elektrische Antriebseinheit für Pkws und das Konzept eines elektrisch betriebenen Zuliefererfahrzeugs für Innenstädte. Darüber hinaus beschäftigen sich die IAV-Experten gemeinsam mit ihren Kollegen von unserer Beratungstochter Consulting4Drive mit grundsätzlichen Zukunftsfragen der Mobilität (unter anderem Shared Mobility und neue Geschäftsmodelle).

 

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