Dekarbonisierung der Energiewirtschaft: Politische Reaktionen auf den G7-Gipfel

Gastautor Portrait

Oliver Krischer

Bundestagsabgeordneter Bündnis 90/Die Grünen

Als politischer Koordinator des Arbeitskreises 2 der grünen Bundestagsfraktion ist er zuständig für die Themen Energie, Umwelt, Klima, Landwirtschaft, Verkehr und Bauen. Mit der Energiepolitik kam Oliver Krischer schon früh in Kontakt – er wuchs in der Nachbarschaft der Braunkohletagebaue Hambach, Inden und Garzweiler in Nordrhein-Westfalen auf. Seit 1997, zunächst als Referent im Bundestag dann im Landtag NRW, befasst sich der engagierte Naturschützer und studierte Biologe professionell mit der Energie- und Klimapolitik. 2009 wurde er erstmals in den Bundestag gewählt.

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18. Juni 2015

Die Vertreter der Industrienationen beschlossen auf dem G7-Gipfel in Bayern eine vollständige Dekarbonisierung der Energiewrtschaft in diesem Jahrhundert. Die umweltpolitischen Erwartungen an die Konferenz unter der Gastgeberschaft von Angela Merkel waren gering, umso größer war das Erstaunen über die Ergebnisse. Auch Greenpeace spendete Lob.  Wir haben die Beschlüsse des G7-Gipfels von Elmau zum Anlass genommen, die Energiepolitiker der Bundestagsfraktionen um eine Bewertung zu bitten. Der Reihenfolge des Eingangs der Antworten folgend antwortet heute Oliver Krischer, Energiepolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

DEZ-Blog: Der klimapolitische Beschluss des G7-Gipfels kam überraschend. Erstmalig ist in diesem Kreis das Ziel einer vollständigen Dekarbonisierung der Energiewirtschaft anvisiert worden. Wie schätzen Sie die Bedeutung der G7-Vereinbarung im Hinblick auf den Weltklimagipfel ein, der im Dezember in Paris stattfinden wird? 

Oliver Krischer, MdB, Energiepolitischer Sprecher Bündnis 90/Die Grünen: Es ist gut, wenn sich die G7 zum Klimaschutz bekennen, um die Erderwärmung auf 2 Grad zu begrenzen. Doch für ein starkes Abkommen in Paris braucht es deutlich mehr als blumige Absichtserklärungen. Paris braucht konkrete Taten, die zeigen, dass wir jetzt Ernst machen mit dem Klimaschutz. Doch tatsächlich machen Union und SPD das Gegenteil. Kaum ist Bundeskanzlerin Merkel vom Gipfel zurück, beerdigt die Bundesregierung die einzige derzeit auf dem Tisch befindliche nationale Klimaschutzmaßnahme mit der Kohleabgabe. Wer so handelt, sendet ein fatales Signal nach Paris und gefährdet so massiv den internationalen Klimaschutz. Das zeigt: Die Bundesregierung tut vor allem eines: Über Klimaschutz reden und, wenn es konkret wird, vor der Braunkohlelobby einknicken.

DEZ-Blog: Deutschland gehört – historisch gesehen – zu den Hauptverursachern des Klimawandels. Die CO2-Emissionen pro Kopf liegen hier zu Lande 20 Jahre nach Kioto noch immer über dem internationalen Durchschnitt, die Absenkung stagniert. Was läuft schief? Was muss sich ändern?

Oliver Krischer: Das ist die Quittung der Merkel-Regierungen. Es wird zwar viel über Klimaschutz geredet, tatsächlich aber Politik für Kohle und Öl gemacht. So hat die Bundesregierung bisher nicht mehr geschafft, als die Vorlage eines unverbindlichen und völlig unzureichenden Klimaaktionsplans, der zudem in weiten Teilen aus Prüfausträgen besteht. Wir müssen jetzt den Kohleausstieg einleiten und brauchen endlich ein Klimaschutzgesetz, das insbesondere für die Bereiche Energie, Verkehr und Gebäude konkrete Einsparziele benennt und verbindlich macht. Wir müssen dafür umwelt- und klimaschädliche Subventionen konsequent abbauen und die freiwerdenden Mittel im Rahmen eines Klimaschutzhaushaltes in den Klimaschutz investieren.

Dekarbonisierung der Energiewirtschaft Der US-amerikanische Präsident Barack Obama wird am 07.06.2015 auf dem Flughafen München bei seiner Ankunft von einer Trachtengruppe begrüßt. © Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

DEZ-Blog: Der Ausbau der Erneuerbaren Energien läuft außer beim Strom sehr schleppend. Gemessen an gesamten Primärenergieverbrauch liegt ihr Anteil gerade einmal bei 12,4 Prozent. Geht es in diesem Tempo weiter, brauchen wir trotz Energiewende weit über das Jahrhundert hinaus, um aus den fossilen Energieträgern auszusteigen. Wie wollen Sie die Energiewende beschleunigen? 

Oliver Krischer: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz war und ist der Motor der Energiewende. Es bietet Investoren Sicherheit, hat hunderttausende Privathaushalte und Landwirte zu Stromerzeugern gemacht und die Kosten für Wind- und Solarstrom enorm sinken lassen. Dieses Erfolgsmodell EEG wollen wir weiterentwickeln und damit die Akteursvielfalt erhalten, den Ausbau der Erneuerbaren weiter günstiger machen und gleichzeitig die Ausbauziele erhalten. Das von der schwarz-roten Bundesregierung geplante Ausschreibungsmodell wird aber genau diese Ziele verfehlen und die Energiewende weiter ausbremsen. Gleichzeitig brauchen wir endlich ein zukunftsweisendes Erneuerbaren-Wärme-Gesetz und im Verkehrsbereich etwa Anreize für den Kauf von Elektroautos – um selbst das unambitionierte Ziel der Bundesregierung von 1 Mio. E-Autos bis 2020 auf den Straßen zu erreichen.

DEZ-Blog: Als eines der größten Hindernisse in der Energiewirtschaft gilt derzeit das unsichere Investitionsklima. Moderne Gaskraftwerke mit geringem Emissionsausstoß stehen still, während Uraltkraftwerke mit hohen Emissionen rund um die Uhr laufen. Welches Konzept verfolgt Ihre Fraktion, um Investitionen in die Energiewirtschaft wieder attraktiv zu machen?

Oliver Krischer: Es darf nicht sein, dass hochmoderne und flexible Gaskraftwerke stillstehen, während Methusalem-Kohlekraftwerke aus Adenauers Zeiten munter weiterlaufen. Deshalb brauchen wir einen ökologischen Flexibilitätsmarkt, in dem in einem wettbewerblich organisierten Verfahren Kapazitäten für den Neubau von flexiblen und hochmodernen Gaskraftwerken, abschaltbaren Lasten, Speichern und verstetigten Erneuerbaren angereizt werden.


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