Der Debattenabend der Stiftung Energie & Klimaschutz Baden-Württemberg begann mit einer guten Nachricht. Professor Ortwin Renn, Wissenschaftler Direktor am Institut for Advanced Sustainability Studies (IASS), stellte sie in seinem Impulsvortrag vorweg: Nach wie vor spricht sich ein Großteil der Bevölkerung für die Energiewende aus. Allerdings, so räumte er gleich ein, sei ebenso ein großer Anteil der Bevölkerung unzufrieden mit der Umsetzung der Energiewende. Auf diese Diskrepanz zwischen Zustimmung und Akzeptanz sollte sich der Debattenabend im weiteren Verlauf fokussieren.
Einerseits kann man sich über eine allgemeine, hohe Zustimmung freuen, andererseits ist eine weit verbreitete Vor-Ort-Ablehnung konkreter Energie-Projekte festzustellen. Energiewende ja, „but not in my backyard“, dafür hat sich schon vor Jahren der Semi-Fachbegriff Nimby herauskristallisiert.
„Nimbys“ nicht beklagen, sondern zum Dialog aufrufen
Dass es aber nichts bringt, sich über „Nimbys“ zu beklagen, sondern Lösungen her müssen, da waren sich die Referenten einig und haben aus unterschiedlicher Sichtweise Ansätze dargestellt, wie den meist emotional erhitzten Debatten um Windkraft- oder Netzausbau-Projekte im lokalen Umfeld zu begegnen ist. Dass dies keine leichte Aufgabe ist, hat Staatssekretär André Baumann, Umweltministerium Baden-Württemberg, mit einer Analogie zu einem Marathonlauf deutlich gemacht: Der Anfang sei gemacht, „der größte Teil der Strecke liegt aber noch vor uns, es wird steiler und der Körper schwächer.“ Das Bild macht deutlich: Nicht nur die physiologische Fitness zählt, also das Bereithalten von Fakten und handfesten Argumenten, sondern auch das mentale Durchhaltevermögen ist ein Schlüssel zum Erfolg: Den Energiewende-Marathon läuft man nicht alleine! Es braucht für einen guten Marathon stets große Gruppen, die sich gegenseitig motivieren. Lösungsansätze, um die Energiewende nicht nur im Großen, sondern vor allem auch im Kleinen mit einer erhöhten Dosis Akzeptanz zu versehen, müssen somit auf den Teamgedanken setzen.
100%-Zustimmung nicht realistisch
Wie aber entstehen Teams, deren Mitglieder vollkommen unterschiedliche Interessen vertreten? Die Impulsvorträge zeigten, dass es harte Gegner gibt, die vor Ort lokale Projekte angreifen und nicht nur kritisieren, sondern vehement stoppen wollen. Dennoch sei einerseits die Anzahl der derart verfestigten Meinungen nicht groß. Größer ist vielmehr der Anteil derjenigen in der Bevölkerung, die sich Sorgen machen, sich im Unklaren befinden über mögliche Folgen aus den Infrastruktur-Veränderungen vor der eigenen Haustüre und vor allem Informationsmangel und zu späte Einbindung kritisieren. Deswegen sei Dialog, echte, frühzeitige Beteiligung, bei der noch verschiedene Alternativ-Optionen angeboten werden, wichtig, so Renn. „Wenn man den Eindruck hat, dass man fremdbestimmt wird, dann wird es schwierig“, die Menschen seien sehr sensibel, wenn ihre Souveränität über ihre Lebenswelt eingeschränkt wird, so sein Plädoyer. Wenn aber eine Teilhabe, sei es eine ökonomische – Stichwort Bürgerwindprojekte – oder zumindest eine emotionale in Verbindung mit echten Dialogmöglichkeiten ermöglicht wird, dann ist die Chance größer, Akzeptanz zu erzeugen bei jenen, die zuvor kritisch eingestellt waren. Verantwortliche vor Ort, Projektierer, Bürgermeister, müssen sich aber bewusst sein: Eine 100 prozentige Zustimmung ist so gut wie nie erreichbar und es bleiben stets harte Gegner bestehen, die nicht zufriedengestellt werden können und weiterhin gegen die Infrastrukturprojekte vorgehen. Dazu die Metapher von André Baumann: „Irgendwann kommt der Punkt, wo der Bulle Wasser lassen muss.“ Beteiligungsprozesse dürften nicht zu Endlosdiskussionen führen, mit Blick auf die Ressourcen und auf die Fortschritte des jeweiligen Projektes vor Ort und somit der Energiewende insgesamt.
Meist gibt es nicht nur eine Wahrheit
Eine der Herausforderungen bei der Lösung von Konflikten ist die Tatsache, dass die Argumente oftmals (aber nicht immer) konträr, aber gleichermaßen gültig und nachvollziehbar sind. Ralf Eggert von IFOK, spezialisiert auf Dialogprozesse, machte dies deutlich am Beispiel von Diskussionen in der Region Stuttgart: Als es um die Leitungspläne der Bundesnetzagentur ging, wurde gesagt „das machen wir dezentral“. Als kurze Zeit später Standorte von Windparks diskutiert wurden, argumentierte man, dass dafür doch der Norden viel besser geeignet sei. „Beide haben recht“, so Eggert, je nach Ziel könne man so oder so argumentieren. Wie lässt sich dieses Dilemma nun lösen? Eggert plädiert dafür, die Energiewende bezogenen Emotionen hoch zu halten, nur so könne nach und nach Akzeptanz auch vor Ort entstehen, die Basis dafür, die allgemeine Zustimmung, sei ja schon gegeben.
Akzeptanz der lokalen Stakeholder als Türöffner
An Praxisbeispielen erläuterte EnBW-Vorstand Dr. Hans Josef Zimmermann, wie sich die Herangehensweise an Projekte im Konzern geändert hat: Neben technischen Fragen, dem Bebauungsplan und Naturschutzbelangen sei „Akzeptanz der Stakeholder“ heute ein zentrales Element jeder Planung. Sobald sich heute ein Projekt herauskristallisiert, suche das Team der EnBW das Gespräch mit Bürgermeister und Gemeinderat vor Ort, denn „letztlich sind es die kommunalen Vertreter, die sich den Fragen stellen müssen“. Hier komme es auf „wertschätzende Kommunikation auf Augenhöhe“ an, so Zimmer. Zahlreiche Bausteine kommen dabei in der Kommunikation zum Einsatz: Marktplatzveranstaltungen und Projekt-Websites bieten den Dialog sowohl persönlich als auch digital – für jeden Interessenten sind somit die Türen zum Austausch geöffnet. „Gemeinsames Verständnis finden als Zielsetzung, um Konflikte zu lösen“, so ist der Anspruch. Dennoch müsse man sich bewusst machen: „Akzeptanz kann nicht ohne Dialog erreicht werden, aber Dialog garantiert nicht immer vollständige Akzeptanz“.
Wie Baumanns Marathon-Metapher besagt: Die Strecke wird steiler. Gerade deshalb sollten sich alle Energiewende-Akteure fit halten, sowohl mit Fakten und den richtigen Argumenten im Gepäck, aber auch mit mentaler Fitness, um Rückschläge auszuhalten und dabei nie das Ziel aus den Augen verlieren. Dazu André Baumann: „Klar ist: Akzeptanz muss man sich hart erarbeiten und das ist nicht immer von Erfolg gekrönt. Aber wenn man es nicht macht, sind die Chancen, erfolgreich zu sein, noch viel geringer.“
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