In der 31. Folge des Podcast zur Energiezukunft spricht Holger Schäfer mit der bekannten Klimaökonomin Claudia Kemfert. Sie ist Professorin für Energiewirtschaft und Energiepolitik an der Leuphana Universität und seit April 2004 Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Zudem ist sie seit vielen Jahren im Kuratorium der Stiftung Energie & Klimaschutz.
Durch die politisch unruhigen Zeiten bleibt das Thema Klimaschutz zunehmend auf der Strecke.
Die jüngsten Wahlergebnisse in den USA, aber auch in einigen europäischen Ländern, zeigen, dass rechte Parteien immer mehr an Zuspruch gewinnen. In der Agenda dieser Parteien spielt Klimaschutz keine Rolle. In den USA wird durch die Wahl von Donald Trump sogar eine Rückkehr in das fossile Zeitalter eingeläutet. In Europa wird das Thema Klimaschutz zwar durch den EU-Green Deal weiterhin vorangetrieben, dieser wird jedoch nur in abgeschwächter Form, mit Fokus auf die Industrie, umgesetzt. Dennoch gibt es auch Fortschritte, beispielsweise im Bereich erneuerbare Energien oder Elektromobilität.
Die Klimamüdigkeit der Menschen nimmt zu, trotz zahlreicher Großschadensereignisse.
Der Klimaschutz wird als Belastung eingeordnet. Es wird immer nur nach den Kosten des Klimaschutzes gefragt, anstatt nach den Kosten zu fragen, die entstehen, wenn der Klimaschutz unterlassen wird. Viele Menschen glauben, wir könnten uns Klimaschutz nicht leisten und als würde es der Wirtschaft unbedingt schaden. Dieses Narrativ ist tief in den Köpfen der Menschen verankert. Auch einige Medien tragen einen erheblichen Teil zu dieser negativen Wahrnehmung des Klimaschutzes bei. Vor allem durch den rechten Rand werden gezielt Desinformationen verbreitet.
Kann ich die Klimakrise mit meinem Verhalten aktiv beeinflussen?
Jeder kann mit seinem eigenen Verhalten zum Klimaschutz beitragen. Ein Stichwort ist hier vor allem der Überkonsum. Es sollte hinterfragt werden, welche Dinge man wirklich benötigt. Das Thema Suffizienz wird jedoch häufig als Verzichtsdebatte wahrgenommen, die sehr negativ konnotiert ist und nicht in unser Wirtschaftssystem hineinpasst. Zudem wird es von vielen Menschen als ungerecht empfunden, dass große, klimaschädliche Unternehmen sich an dem Verzicht kaum beteiligen. Auch die sozialen Unterschiede spielen eine Rolle. Einkommensschwache Haushalte produzieren deutlich weniger CO2 als einkommensintensivere Haushalte und sind dennoch stärker von Klimaschutzmaßnahmen betroffen. Deshalb darf in der Debatte die soziale Gerechtigkeit nicht aus den Augen verloren werden.
Wie passen Wirtschaftswachstum und Klimaschutz zusammen?
Es passt dann zusammen, wenn es sich um ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum handelt, das sich auf Effizienz, Konsistenz und Suffizienz stützt. In den Medien wird oftmals behauptet, dass eine wachsende Volkswirtschaft ausschließlich positiv sei. Allerdings müssten hierbei auch die Risiken und negativen Nebenwirkungen mitgenannt werden. Für Claudia Kemfert sollten idealerweise Wirtschaftswachstum und Klimaschutz zusammengehen. In dem Buch „Unlearn CO2 “thematisiert Claudia Kemfert warum es wichtig ist, das schädliche Wachstum zu verlernen und das gute zu erlernen.
Sie haben bereits den Sammelband "Unlearn CO2" und Ihren Artikel darin erwähnt. Worum geht es in diesem Sammelband?
„In dem Buch finden sich viele Anregungen für jeden einzelnen, um sich im Kampf gegen den Klimawandel zu engagieren. In meinem Beitrag habe ich anhand verschiedener Segmente aufgezeigt, wie beispielweise der Fast Fashion Industrie, wie CO2-intensives Wirtschaften und CO2-intensive Lebensstile vermieden werden können. Ein weiteres Kapitel beschäftigt sich mit dem Thema Gesundheitswirkung. Durch die steigenden globalen Temperaturen nimmt die Zahl an Hitzetoten und -erkrankungen immer mehr zu. Auch die Themen Extremwetterereignisse und Desinformation zum Klimawandel werden in einem Kapitel betrachtet.“
Gibt es positive Entwicklungen?
Erfreulich ist: Der Ausbau an Erneuerbaren Energien in Deutschland nimmt immer mehr zu. Auch weltweit steigen die Investitionen. Während die Elektromobilität in Deutschland und Europa hinterherhinkt, boomt dieser Bereich in China durch hohe Subventionen. Durch technologische Entwicklungen sinken die Kosten für erneuerbare Energien und Elektromobilität immer deutlicher, was einen Schritt in die richtige Richtung markiert.
Dennoch wünscht sich Claudia Kemfert, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien schneller voranschreitet. Ökostrom wird in vielen Sektoren benötigt, beispielsweise im Gebäudesektor oder im Mobilitätsbereich. Perspektivisch wird Ökostrom vor allem auch für die Produktion von grünem Wasserstoff benötigt.
Lesetipp
Claudia Kemfert empfiehlt in ihren Podcast „Kemferts Klimapodcast“ reinzuhören. Dort bespricht sie aktuelle Studien zum Klimawandel und ordnet sie ein. Kemferts Klimapodcast erscheint jeden zweiten Mittwoch bei MDR aktuell.
Zudem empfiehlt sie das Buch „Männer, die die Welt verbrennen“ von Christian Stöcker.