Wo Zitronen noch nach Sommer schmecken – Alte Sorten, gelebte Nachhaltigkeit und häusliche Kreislaufwirtschaft auf Samos
Letzte Woche war ich zu Besuch bei einer beeindruckenden, griechischen Dame in Kokkari, einem kleinen Dorf auf der griechischen Insel Samos. Im Rahmen meiner Masterarbeit haben wir uns zu einem Interview getroffen, doch schnell entwickelte sich daraus ein intensives Gespräch über die Geschichte der Insel, die Auswirkungen des Klimawandels und nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken. Anschließend zeigte sie mir ihren alten, liebevoll gepflegten Garten und die Vorratskammer, die zusammen so wie sie es nannte den „Kreislauf“ bilden. Anbau, Ernte, Konservierung, Lagerung in der Vorratskammer, gemeinsames Essen mit der Familie, biologische Abfälle zum Kompost (s. Bild 1), der zu fruchtbarem Humus (s. Bild 2) wird und dann beginnt alles wieder von Vorn. Sie schenkte mir frische Zitronen, haltbar gemachten Orangensaft und eingemachtes Gemüse in Weckgläsern aus ihrem Garten.
Ihr Garten ist nicht nur produktiv, sondern auch resilient, so hat sie verschiedene Mikroklimata geschaffen: hohe Bäume spenden Schatten, und schaffen Kühle (s. Bild 4, 5). Die Herausforderung in Kokkari ist der oftmals starke Nordwind, darauf reagiert sie mit einer speziellen Anordnung der robusten Bäume, um die empfindlicheren Pflanzen zu schützen. Sie betont, dass die Anordnung und Diversität in ihrem Garten ausschlaggebend für das Überleben der Pflanzen in Extremwettersituationen sind.
Traditionelles Saatgut und Kritik an Hybridsaatgut

In ihrem Garten kultiviert sie alte, lokale Sorten, so ist der Samen einer Pflanze noch von ihrem Großvater, viele andere hat sie geschenkt bekommen oder durch Tausch erhalten. Im Gegensatz dazu lehnt sie Hybridsaatgut ab. Hybridsaatgut wird verwendet, um eine ertragreichere Ernte zu erzielen und ist auf Samos inzwischen bei vielen Landwirt*innen beliebt. Die negativen Auswirkungen sind jedoch, dass das Saatgut sich nicht vermehren lässt und so jede Saison neu gekauft werden muss, was teuer ist und abhängig von den Herstellenden macht. Zusätzlich empfinden viele die Ernte als weniger aromatisch und ein großes Problem ist der durch die Hybridpflanzen entstehende Verlust an Biodiversität.
Gemeinschaftliches Engagement und Saatgutsouveränität (Peliti)
Die Bewohnerin aus Kokkari betont: „Niemals Monokultur, Pflanzen brauchen Gesellschaft“. Weiter erzählte sie mir von der griechischen Saatgutbank „Peliti“, einer zivilgesellschaftlichen Organisation, die sich dem Schutz und Erhalt traditioneller Pflanzensorten einsetzt. Peliti organisiert Saatguttauschfeste, bewahrt samenfeste Sorten in lokalen Samenhäusern auf und fördert das Commoning von Saatgut als kollektives Gut. So lebt die Organisation eine alternative, gemeinschaftlich orientierte Struktur für Ernährungssouveränität vor und setzt gleichzeitig ein wichtiges Zeichen gegen den Kommerzialisierungstrend von Saatgut. Sie berichtet wie das Tauschen von altem, lokalem Saatgut auf informellen Märkten noch vor einigen Jahren bestraft wurde, doch heute anerkannt wird und wirkt dabei hoffnungsvoll.
Weitergabe von Wissen und gelebte Nachhaltigkeit
Ich merke wie viel Wissen die Griechin aus Kokkari besitzt und wie gerne sie es teilt, nicht nur ich durfte an diesem Nachmittag viel von ihr lernen, sie möchte ihr Wissen auch an andere aus ihrem Dorf weitergeben. Als sie bemerkte, dass viele ihrer Nachbar*innen nicht mehr wissen, wie man Lebensmittel konserviert und Tomatensoße im Supermarkt kauften, wusste sie, dass altes Wissen verloren gegangen ist. In den nächsten Tagen kommen Nachbar*innen-Freund*innen vorbei und sie würden gemeinsam Gemüse einkochen. Das Wort Workshop lehnte sie ab, vielmehr sei es ein Zusammenkommen um voneinander zu lernen und gemeinsam eine gute Zeit zu haben.
Vielleicht ist der ökologisch nachhaltige „Kreislauf“ gar nicht umständlich und ein weit entfernter Zukunftstraum, sondern findet genau in diesem Garten, beim Einkochen von Tomaten, in lachender Gemeinschaft statt…
Quellen
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von peliti.gr zu laden.
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von www.smartfood.org zu laden.
https://www.plantura.garden/gruenes-leben/wissen/hybridsaatgut
Diskutieren Sie mit