Was sich aus Verbrauchersicht an der Energiewende ändern muss

Gastautor Portrait

Dr. Holger Krawinkel

Bundesverband der Verbraucherzentrale

Als Geschäftsbereichsleiter Verbraucherpolitik beim Bundesverband der Verbraucherzentrale vertritt Dr. Holger Krawinkel seit dem 1. Januar 2014 fachlich und politisch den Vorstand. Der 56-jährige ist ein ausgewiesener Energiefachmann. Er promovierte über das dänische Energieplanungssystem und befasste sich im Rahmen seiner Stiftungsarbeit als Referent sowie als Vorstand mit komplexen Energiefragen. Seit 2004 leitet er den Fachbereich Bauen, Energie und Umwelt beim Bundesverband der Verbraucherzentrale. (Foto: Raufeld / Gerd Metzener)

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30. Januar 2014

Die Bundesregierung hat die anstehenden Energiereformen zügig angepackt. Die meisten Punkte stellen keine Überraschung dar, fanden sie sich doch schon in verschiedenen politischen Konzepten des vergangenen Jahres. Seitens der Verbraucher besteht die klare Erwartung, dass durch diesen ersten Reformschritt die Strompreise bis 2015 mindestens stabil bleiben. Insofern ist es richtig, Überförderungen bei bestimmten Technologien und nicht notwendige Industrieprivilegien abzubauen. Neue Ideen sucht man in den jüngsten Beschlüssen der Bundesregierung aber vergeblich. Es bleibt unklar, wie die erheblichen Mehrkosten für den Offshore-Ausbau finanziert werden sollen, ohne die Verbraucher weiter zu belasten.

Da die Kosten für die beiden weit gereiften Technologien, Wind an Land und große Solaranlagen,deutlich gesunken sind, fallen die Mehrkosten bei der EEG-Umlage gering aus. Alleine durch eine Rückführung der Ausnahmeregelungen für die Industrie auf den Stand von 2011 könnte der Ausbau der erneuerbaren Energien in den nächsten zwei Jahren ohne zusätzliche Belastungen für die Verbraucher erfolgen. Um den geplanten Ausbaukorridor einzuhalten, muss dann aber Wind an Land mit ca. 3500 MW – und nicht wie geplant mit nur 2500 MW – jährlich ausgebaut werden.

Problematisch bleiben daher die Offshore-Pläne der Bundesregierung. Alleine die EEG-Umlage könnte dadurch in den nächsten Jahren um etwa 20 Prozent ansteigen. Hinzu kommen noch die Kosten für den Leitungsbau in Nord- und Ostsee. Die Offshore-Windenergie bliebe somit der letzte Kostentreiber der Energiewende. Daher muss der Ausbau bis 2024 auf 5000 Megawatt begrenzt und die Mehrkosten gegenüber der Windenergie an Land aus öffentlichen Mittel finanziert werden.
Eine Lösung stellt die Einführung eines Altlasten- und Innovationsfonds dar. In diesem Modell würden die Mehrkosten der Offshore-Technologie und die bisher aufgelaufenen Technologieentwicklungskosten vor allem für Solarenergie aus der EEG-Umlage herausgenommen und in einen Fonds ausgegliedert. Zur Refinanzierung wäre eine Abgabe auf die Stromerzeugung aus abgeschriebenen Erneuerbare-Energien-Anlagen einzuführen. Zusätzlich könnten staatliche Mittel aus dem Verkauf von CO2-Zertifikaten oder – falls erforderlich – aus einer möglichen CO2-Mindeststeuer bereitgestellt werden.

Bei der Diskussion um Kapazitätsmärkte sollte die derzeitige Regelung mit einer verbesserten Transparenz zunächst beibehalten werden. Es ist davon auszugehen, dass auch künftig die Übertragungsnetzbetreiber hierfür verantwortlich bleiben und die erforderlichen Kraftwerksreserven beschaffen. Versorgungssicherheit ist ein hohes Gut und sollte im regulierten Monopolbereich verbleiben.Smart_Meter9991[1]

Der Eigenverbrauch von Strom sollte über die Einführung leistungsbezogener Netzentgelte stärker an den Kosten der Netzinfrastruktur beteiligt werden. Bei einer Flatrate braucht man keine Smart-Meter. Die Bundesregierung wäre gut beraten ihre alten Rollout-Pläne endgültig zu begraben, denn der Nutzen ist ohnehin gering, die Kosten höher als gedacht und die Gefahr des Datenmissbrauchs hoch.

Die aktuellen Pläne der Bundesregierung zur Belastung der Eigenerzeugung bedeuten, dass bei PV ab einem Eigenerzeugungsanteil von etwa 60 Prozent ein Ausstieg aus dem EEG vorteilhaft ist. Es dürfte rechtlich wie politisch schwer werden, diese Selbsterzeuger in das alte Umlagesystem zu pressen. Daher könnte die Pläne eine Flucht aus dem EEG bewirken – mit allen Chancen für neue, innovative und kundenorientierte Geschäftsmodelle der Energieunternehmen.

Diskutieren Sie mit

  1. Johannes K.

    vor 10 Jahren

    Meiner Meinung nach spricht dieser Kommentar von Herrn Krawinkel das wesentliche Problem der aktuellen (Erneuerbaren) Energiepolitik an:

    Die mangelnde TRANSPARENZ der Strompreisbestandteile und damit einhergehend nicht Ursache-gerechte Befreiung / Belastung von Strompreisbestandteilen beispielsweise beim Eigenstromverbrauch. Richtig ist meiner Meinung nach die Belastung des Eigenverbrauchs mit Leistungsbezogenen Netzentgelten, da auch Eigenverbraucher Leistungen des öffentlichen Stromnetzes nutzen (Frequenzhaltung, Blindleistungsbereitstellung, Versorgungssicherheit, wenn Ihre Anlage nicht den gesamten Bedarf deckt, was Auslegungstechnisch nie sinnvoll ist...). Allerdings müssten die einzelnen Positionen transparent gemacht werden und jeweils über die Einführung neuer Märkte nachgedacht werden. Die Verantwortung hierfür bei den ÜNB zu belassen ist technisch sinnvoll - zumindest für die kommenden Jahre. Allerdings müssen sich auch diese mehr an dezentralen Anlagen orientieren und verstärkt diese zum Ausgleich der Nachfrage nutzen, da Großkraftwerke in Zukunft durch dezentrale Anlagen in kleineren Leistungsklassen ersetzt werden.

    An der Verbesserung der TRANSPARENZ wird sich die Energiepolitik der neuen Regierung messen lassen müssen. Viele andere Probleme werden sich dadurch von alleine durch den Markt regulieren, wenn hier endlich (wieder?) Transparenz und Sicherheit herscht.

  2. Heinz Willnauer

    vor 10 Jahren

    Mich würde zur Energiewendeproblematik ein umfassender Vergleich interessieren,
    der gegenwärtig gebräuchlichen Energiewandlungen
    mit den technisch machbaren neuen nachhaltigen Verfahren
    hinsichtlich;

    Gesamtwirkungsgrad

    Kosten
    (inkl. Aufwand, Kosten "Brennstoff" Beschaffung, sowie alle "Rest-u. Schad-Stoff Entsorgung")

    und bleibende (langfristige) Umweltbelastung.

    An Hand dieser Daten könnte man dann unter Berücksichtigung bestehender Strukturen
    einen möglichst effektiven und verträglichen Umbau vorantreiben
    bzw im Rahmen der Finanzierbarkeit fördern.
    PS
    Auch die Versorgungssicherheit unter allen Aspekten darf nicht vergessen werden.

  3. Hans Holland

    vor 10 Jahren

    Überschüssigen Strom verwenden zur Elektrolyse des Wassers in Wasser-und Sauerstoff. Wasserstoff über eine Sabatieranlage Methanisieren. Methangas kann ins Erdgasnetz gespeichert werden, kann in Gasometer gespeichert werden, auch nach Umrüstung Kraftfahrzeuge antreiben. Der anstehende Abfall ist unschädliches Wasser und Wärme, die auch noch genutzt werden kann. Sauerstoff findet auch noch vielseitige Verwendung. Mit Gasturbinen kann auch wieder bei Bedarf Strom erzeugt werden.

    Wasserstoff und Brennstoffzellen sind die Energie der Zukunft. Die Beseitigung, bzw, Unschädlichkeitmachung des Atommülls kommt bestimmt wesentlich teurer, wenn überhaupt möglich

  4. Hans Holland

    vor 10 Jahren

    Erneuerbare Energie gibt es leider nicht, nur eine Energieumwandlung. Die Sonne liefert aber in einer Stunde mehr Energie auf die Erde, als die gesamte Menschheit in einem Jahr zur Zeit verbraucht. Hat Prof. Eike Weber vom Fraunhofer Institut ausgerechnet. Von der Energiewende wird viel geredet, aber ich sehe keine. Herr Gabriel sägt die Wurzeln des Energiebaumes ab, will aber Energieausbeute in naher Zukunft von 25% auf 45% steigern. Glaubt der, wir Bürger sind alle doof? Die Solarindustrie ist dadurch auf kaltem Wege schon fast verschwunden. Der Neubau einer Voltaikanlage lohnt doch nur noch für den Eigenverbrauch. Bei den Einspeisevergütungen so um die 12 Cent/kWh, aber über 24 Cent/kWh Stromkaufkosten. 50% davon sind nur Steuern. 1998 waren es 25%, jetzt sind es über 50%, was über 100% Steigerung der Steuern ergeben. Wo lässt der Staat die zig Milliarden .Von 1998 -4/2013 sind die Stromkosten um 168% gestiegen laut Studie der BDEW gestiegen. Wenn die Politiker wollten könnte das Energieproblem ohne Atomkraft gelöst werden. Wie, kann man in der Photon 10/2012 nach lesen. Dann brauchten nicht die knappen Ressourcen verbraten werden , und unsere Nachfahren könnten dann noch die vielen Dinge herstellen aus Erdöl, wie Asphalt, Teer für den Straßenbau, Kunststoffe, Farbengrundstoffe, und noch vieles mehr, sogar noch Maschinen schmieren. Die Ressourcen sind bekanntlich endlich, die Sonnenenergie wird es in Milliarden Jahren noch kostenlos geben. Aber die Politiker müssen wollen. Haben m.E. von den Atomunfällen nichts gelernt. Wissen aber keine Atommüllentsorgung. Die späteren Generationen werden die heutigen Verantwortlichen noch in die Hölle wünschen. Bitte mich aufklären, wo ich was Falsches geschrieben haben sollte.

  5. Werner Günther

    vor 10 Jahren

    Ich gehe konform mit dem Kommentar,nämlich die Kohleverbrennung zurückzufahren. Dies gilt natürlich in verstärktem Masse für die Atomenergie. Die Industrie müsste aber dringend etwas erfinden um überschüssigen Strom lagern zu können . Also nicht nur mit Pumpspeicher-Kraftweken
    Es kann doch nicht sein,dass überschüssiger Strom verschenkt werden muss, um ihn dann bei Bedarf wieder teuer zurückzukaufen

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