Das Thema Klimaschutz findet im Wahlkampf kaum statt. In den Programmen finden sich zwar zahlreiche Vorschläge – die Parteien glauben aber offenbar nicht, dass sie damit bei der Wählerschaft punkten können.
Kanzler für Klimaschutz – mit diesem Slogan war Olaf Scholz 2021 in den Wahlkampf gezogen. Seine Rivale Armin Laschet hatte vier Wochen vor der Abstimmung noch einen „Turbo für die Erneuerbaren“ angekündigt und Christian Lindner trieb in einem FDP-Werbespot, den Kampf gegen den Klimawandel voran.
Mit diesen Botschaften traf die Politik vor dreieinhalb Jahren einen Nerv in der Bevölkerung. Energie und Klima – das waren angesagte Themen. Nach den Fluten an Ahr und anderen Gewässern waren die Folgen der Erderwärmung hautnah zu spüren. Bewegungen wie „Fridays for Future“ holten die Menschen auf die Straße. Nach einem Klima-Hungerstreik gründete sich die „Letzte Generation“ und Unternehmen gelobten, sich konsequent auf Nachhaltigkeitskurs zu begeben. Die neue Partei Volt, die sich unter anderem Klimagerechtigkeit auf die Fahnen schreibt, wurde zwischen 2019 und 2021 in zahlreiche deutsche Stadträte gewählt – unter anderem in Bonn, Köln, Düsseldorf und Frankfurt am Main. Noch wenige Tage vor der Bundestagswahl demonstrierten Hunderttausende in Deutschland für mehr Klimaschutz.
Im aktuellen Wahlkampf findet das Thema Klimaschutz bestenfalls am Rande statt.
Mittlerweile hat sich die Stimmung gedreht. Die „Letzte Generation“ will sich neu definieren, Unternehmen sehen steigende Energiekosten und die allgemeine Wirtschaftsschwäche als größtes Problem an und die entgleiste Debatte um das Heizungsgesetz hat Ängste in der Bevölkerung geschürt. Folge: Im aktuellen Wahlkampf findet das Thema Klimaschutz bestenfalls am Rande statt.
Daran ändern auch aktuelle Meldungen nichts. Dass die Welt 2024 erstmals das im Pariser Abkommen festgelegte 1,5-Grad-Ziel gerissen hat – ist eine Randnotiz in der öffentlichen Wahrnehmung. Und die Zunahme der verheerenden Großfeuer wie zum Jahresanfang im Raum Los Angeles, die durch den Klimawandel immer gefährlicher werden? Machen nachdenklich. Immerhin. Aber auch nicht mehr.
Umfragen stützen diese Sichtweise. Laut ARD-Deutschland-Trend sehen Anfang Januar 37 Prozent der Deutschen den größten politischen Handlungsbedarf bei den Themen Zuwanderung und Flucht. Fast gleichauf liegt die Lage der Wirtschaft. Umwelt und Klima folgen weit abgeschlagen mit 13 Prozent. Man kann es den Parteien nicht mal verübeln: Mit Klimaschutz lassen sich derzeit keine Punkte bei der Wählerschaft sammeln. Stabilität, Wohlstand und niedrige Preise sind bessere Zugpferde als Wärmepumpen oder Spritpreise.
Dass klimapolitische Themen außen vor bleiben, stimmt allerdings nur teilweise. In den Wahlprogrammen nehmen sie viele Seiten ein. Im Programm der SPD findet sich 62 mal das Wort Klima, bei CDU/CSU sind es 41, bei den Grünen sogar 159. Ein genauerer Blick macht die Unterschiede zwischen den Parteien deutlich.
Die Union bekennt sich beispielsweise weiter zum Ziel der Klimaneutralität bis 2045, kündigt aber zugleich an, das von der Ampelkoalition eingeführte Heizungsgesetz wieder abzuschaffen. Bürgerinnen und Bürger sollen mehr Entscheidungsfreiheit bei der Wahl der Wärmequelle erhalten. Zudem sollen Stromsteuer und Netzentgelte runter, um Verbraucher und Unternehmen zu entlasten und es soll geprüft werden, die zuletzt abgeschalteten Kernkraftwerke wieder ans Netz zu nehmen.
Die SPD hält ebenfalls am Ziel der Klimaneutralität 2045 fest. Gleichzeitig legt die Parteiführung den Schwerpunkt auf einen sozial ausgestalteten Klimaschutz. Danach soll der Anstieg des CO2-Preises 2026 den Höchstwert von 65 Euro je Tonne im deutschen Emissionshandel nicht überschreiten. Zahlreiche Fachleute sehen diesen Wert allerdings als nicht ausreichend an, um einen wirksamen Klimaschutz zu gewährleisten. Wenn 2027 der europäische Emissionshandel in Kraft tritt, will die SPD sich dafür einsetzen, niemanden zu überfordern.
Auch die Grünen setzen sich für einen sozial gerechten Klimaschutz ein. Menschen mit niedrigem Einkommen sollen deshalb das lange geplante Klimageld so schnell wie möglich erhalten. Es soll zum Teil aus den Einnahmen des CO2-Handels finanziert werden. Außerdem wollen die Grünen den Umstieg zum E-Auto für Personen mit mittlerem und niedrigem Einkommen fördern und außerdem klimaneutrales Heizen vorantreiben. Insgesamt drücken sie in ihrem Programm aufs Tempo. Deutschland soll vor 2045 klimaneutral sein, der Strom bis 2035 ausschließlich aus erneuerbaren Quellen kommen.
In Sachen Klimaneutralität einen Gang runterschalten – so lässt sich das Programm der FDP deuten. Das Ziel soll nicht schon 2045, sondern erst 2050 erreicht sein, so wie es auch die EU anstrebt. In nationalen Sonderzielen sehen die Liberalen keinen zusätzlichen Nutzen. Sie plädieren für eine stärkere Rolle des CO2-Preises als Leitinstrument für mehr Klimaschutz. Eingeführt werden soll außerdem eine Klimadividende, um Einnahmen aus dem Emissionshandel direkt und pauschal pro Kopf an die Bürgerinnen und Bürger zurückzuzahlen.
Auf jeden Fall aber soll Klimaschutz nicht weh tun. Es bedarf sicher einer ausgefeilten Rhetorik, um zu erklären, woher das Geld für die großen Projekte der Energiewende dann bitte kommen soll.
Die AfD leugnet die Klimakrise schlichtweg und sieht deshalb keinen Grund, fossile Energien zu beschränken. Kohlekraftwerke sollen stattdessen länger laufen, die Kernenergie zu neuem Leben erweckt werden und die Nord-Stream-Pipeline wieder ihren Betrieb aufnehmen, um Deutschland mit russischem Gas zu versorgen. Den Ausbau der Windenergie will die Partei stoppen. Schäden durch Extremwetterereignisse seien auf politisches Versagen, mangelnde Instandhaltung und unzureichende Schutzmaßnahmen zurückzuführen.
Die menschenfreundliche Klaviatur spielt wiederum die Linke. Sie lehnt einen unsozialen CO2-Preis für Heizen sowie Tanken ab und fordert eine umfassende Unterstützung beim Heizungsumbau. Bezahlen sollen das die Gruppen, die laut Parteiprogramm der Linken die größten Klimasünder sind: Reiche und Konzerne.
Obwohl die Forderungen der einzelnen Parteien große Unterschiede erkennen lassen, gibt es Gemeinsamkeiten. Fast alle betonen, dass die Kosten für Energiewende und Klimaschutz gerecht verteilt werden müssen. Wie vorherzusehen nehmen die Parteien des linken Spektrums dafür eher die sogenannten Besserverdienende ins Visier. Die eher konservative Seite wiederum will nicht nur einfache Leute, sondern auch Unternehmen vor zu hohen Opfern schützen.
Auf jeden Fall aber soll Klimaschutz nicht weh tun. Es bedarf sicher einer ausgefeilten Rhetorik, um zu erklären, woher das Geld für die großen Projekte der Energiewende dann bitte kommen soll. Und weil eine allseits zufriedenstellende Antwort kaum möglich ist – spricht man am besten gar nicht drüber.
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