Unternehmen und Bürger als aktive Partner der Energiewende

Gastautor Portrait

Dr. Thomas Walter

Easy Smart Grid GmbH

Dr.-Ing. Thomas Walter studierte Elektrotechnik an der TH Karlsruhe sowie der University of Essex/GB und wurde an der RWTH promoviert. Seit 1983 arbeitet in unterschiedlichen Unternehmen vor allem an Innovationen, Digitalisierung und der Entwicklung neuer Geschäfte und gründete 2014 Easy Smart Grid. Er ist verheiratet, hat drei erwachsene Kinder und wohnt seit 1993 in der Ökosiedlung Geroldsäcker, einem Projekt der Stadt und Universität Karlsruhe mit hohem Anspruch an nachhaltiges Wohnen.

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22. Oktober 2024
Luftbild SoLAR Allensbach

Energiewende ist mehr als Ausbau von PV- und Windkraft

Strom aus Sonne und Wind ist schon heute günstiger als aus fossilen Trägern oder Kernkraft, und es gibt noch viel Potential zum weiteren Ausbau. Neben Strom brauchen wir aber auch Wärme und Mobilität – die sogar mehr Energie benötigen als die Stromversorgung. Die Umstellung von Gasheizungen auf Wärmepumpen und Verbrennern auf Elektrofahrzeuge soll den Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren und steigern den Bedarf an regenerativer Erzeugung. Da sie zudem deutlich effizienter als Verbrennungsprozesse sind, ist dieser zusätzliche Bedarf geringer und rechnen sich diese teuren Anschaffungen innerhalb der Nutzungsdauer, was ihre Finanzierung erleichtert.

Elektrifizierung von Wärme und Verkehr hilft, mehr Erneuerbare zu nutzen

Neben ihren Vorteilen bei der Wirtschaftlichkeit können Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge auch zur Lösung des Speicherproblems von Strom aus Sonne und Wind beitragen

Dr. Thomas Walter

Neben ihren Vorteilen bei der Wirtschaftlichkeit können Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge auch zur Lösung des Speicherproblems von Strom aus Sonne und Wind beitragen: Die Nutzung von Wärmespeichern und die im Vergleich zur Standzeit kurze Ladedauer von E-Autos erlaubt es, den Stromverbrauch zeitlich zu verschieben und dem Energiesystem so „virtuelle“ Batterien zur Verfügung zu stellen, die nur einen Bruchteil „echter“ Batterien kosten: Die Gesamtkosten für Energiespeicherung sinken so beträchtlich. Die Anschaffung dieser Technologien und die Bereitstellung von deren Flexibilität erfolgt durch Bürger und Unternehmen, die aber dafür Lösungen brauchen, um dies einfach umzusetzen und am entstehenden Nutzen teilzuhaben. „Dimmen schaltbarer Lasten“ mag kurzfristig notwendig sein, motiviert aber nicht für die Energiewende und ermöglicht auch nicht, bei hoher Erzeugung den Verbrauch zu steigern: Das können dynamische Tarife, die den Mehrwert für jeden transparent machen und eine automatisierte Reaktion flexibler Geräte ermöglichen.

Intelligente Sektorkopplung braucht einen Paradigmenwechsel und neue Lösungen

Mit Energiemanagementsystemen lassen sich zwar einzelne Objekte oder Haushalte optimieren, sind aber für gemeinwohlorientiertes, intelligentes Teilen von Energie zwischen Akteuren ungeeignet.

Dr. Thomas Walter

Die Plattform Klimaneutrales Energiesystem (PKNS) stellt fest: „Wir gehen von einem System mit relativ inflexibler Nachfrage und ihr nachfolgender Stromerzeugung über in ein System, in dem die günstige und variable Stromerzeugung aus Wind und PV zur zentralen Säule und zum Volumenbringer im dekarbonisierten Stromsystem werden. Die damit einhergehenden Veränderungen sind ein Paradigmenwechsel und die Anforderungen an das Stromsystem der Zukunft verändern sich dadurch grundlegend.“ Reine Fortentwicklungen der überkommenen „kraftwerkszentrierten Strategie“ haben nur begrenztes Potential: So spiegeln Börsenpreise die Situation vor Ort nicht wider, insbesondere PV-Eigenerzeugung und etwaige Netzbeschränkungen, und Preissprünge an den (Viertel)Stundengrenzen beeinträchtigen die Systemstabilität.

Mit Energiemanagementsystemen lassen sich zwar einzelne Objekte oder Haushalte optimieren, sind aber für gemeinwohlorientiertes, intelligentes Teilen von Energie zwischen Akteuren ungeeignet. Exakt dies hat das bürgerschaftlich angeregte und vom Land Baden-Württemberg geförderte Projekt SoLAR gezeigt, bei dem ein innovatives Verfahren gleichzeitig weniger CO2-Ausstoß, geringere Energiekosten und reduzierte Netzbelastung erreicht. Neu dabei ist eine lokale dynamische Strompreiskomponente, auf die flexible Geräte automatisiert so reagieren, dass sie neben ihrer eigentlichen Funktion auch die Energiekosten für ihre Besitzer und die Gemeinschaft senken. Weil es die Umsetzung wichtiger Vorgaben der europäischen Energiepolitik demonstriert und zeigt, wie eine „bürgerzentrierte Strategie“ konkret umgesetzt werden kann, wurde es von der internationalen Renewables Grid Initiative mit dem „Good Practice Award of the Year 2021“ ausgezeichnet.

Smarte Netze ermöglichen eine schnellere und günstiger Energiewende

Meist sind es jedoch unterschiedliche Akteure, die in Erneuerbare investieren, Wärmepumpen einbauen oder E-Fahrzeuge betreiben. Intelligente Lösungen müssen dann von Versorgern oder Netzbetreibern kommen, deren Netze diese verbinden. Schon heute können Erzeugungsanlagen nicht angeschlossen werden, weil die Netze die Energie nicht wegtransportieren oder schnell genug ausgebaut werden können. Oder Energie kann mit der bestehenden Netzinfrastruktur nicht zu den neuen Wärmepumpen und Ladepunkten transportiert werden, was die Umsetzung der Energiewende behindert. Hier schlägt die Stunde eines „smarten“ Netzes, das über dezentrale dynamische Netzentgelte Anreize dafür schafft, Erzeugung und Verbrauch besser aufeinander abzustimmen und so trotz begrenzter Netzausbaugeschwindigkeit die Energiewende zu ermöglichen. In einem Folgeprojekt zu SoLAR wurde gezeigt, wie auch dies mit dem neuen Verfahren umgesetzt werden kann.

Ohne Innovation werden wir unsere Klimaziele verfehlen

Die Umsetzung einer „bürgerzentrierten“ Strategie ermöglicht maximale Effizienz durch Nutzung jeglicher Flexibilität und deren faire Vergütung.

Dr. Thomas Walter

Wir hören oft, diese Innovation erfordere große Veränderungen, und es ginge vielleicht auch ohne. Dies obwohl die Notwendigkeit von „Innovation“ breit erkannt wird und die wenig innovative Alternative – die Beibehaltung der „kraftwerkszentrierten Strategie“ durch schlichten Ersatz von Erdgas durch Wasserstoff und dessen Derivate – kurz- und mittelfristig weder wirtschaftlich noch nachhaltig ist. Die Umsetzung einer „bürgerzentrierten“ Strategie ermöglicht maximale Effizienz durch Nutzung jeglicher Flexibilität und deren faire Vergütung. Sie stell einen konsistenten Werkzeugkasten für dynamische Preisanreize bereit, die für Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch, Netzentlastung und Systemstabilität sorgen, und nicht zuletzt eine informationstechnische Umsetzung, die dezentral, resilient und datensparsam erfolgen kann. Deshalb arbeiten wir daran, diese Innovation gemeinsam mit energiewirtschaftlichen Akteuren in die Anwendung bringen und so zu einer schnelleren und kostengünstigeren Energiewende beizutragen.

Mehr dazu auch in diesem Youtube-Video.

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