War Watt? Strom im Sonderangebot

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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13. Januar 2017
War watt? ist die energiepolitische Kolumne unseres Moderators Hubertus Grass, der seit nunmehr 30 Jahren für die Energiewende streitet.

Strom im Sonderangebot gibt es auch beim Discounter. Das ist nicht unser Thema. Uns geht es um die Zunahme der Fälle, in denen der Gestehungspreis der Erneuerbaren Energien neue Tiefstmarken setzt. Das ist keine deutsche, sondern eine globale Entwicklung. Um diese Entwicklung würdigen zu können, rufen wir uns zunächst ins Gedächtnis zurück, welche Preise für Öko-Strom vor 17 Jahren bei der Einführung des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG) gezahlt wurden. 17,8 Pfennig gab es als Einspeisevergütung für die Kilowattstunde bei der Windenergie. 99 Pfennig für die Kilowattstunde „solare Strahlungsenergie“.

Überraschende Entwicklungen im Stromsektor 2016

Bereits am 5. Januar legte der Thinktank Agora Energiewende eine detaillierte Auswertung des Jahres 2016 über die Entwicklung im Stromsektor vor. Das Papier enthält einige Überraschungen und zeigt unter anderem auch, wo Öko-Strom zu Preisen wie im Sonderangebot erzeugt wird. Aus unserer Sicht in 2016 noch bemerkenswert:

  1. (Erd-)Gas ist der Gewinner des Jahres 2016. Gas ersetzt in der Stromerzeugung die Kohle. Ein schleichender Kohleausstieg setzte sich in 2016 fort.
  2. Energie aller Art blieb billig – außer Haushaltsstrom. Die Strombörsenpreise haben mit 26,6 Euro pro Megawattstunde ein 10-Jahres-Tief erreicht. Also gab es zumindest teilweise Sonderpreise.
  3. Der Markt reagiert flexibler. Dennoch sind zu viele konventionelle Must-Run-Kraftwerke am Netz. Der Ersatz der alten, unflexiblen Kohlekraftwerke durch neue Gaskraftwerke sollte schneller erfolgen, um die Anzahl und viel mehr noch die Höhe der Negativ-Preise zu reduzieren. Denn hier war Stom nicht nur ein Sonderangebot, sondern es gab für die Abnahme von Strom sogar noch Geld.
  4. Der CO2-Ausstoß im Stromsektor ging leicht zurück. Insgesamt stieg er in Deutschland in 2016 dennoch an. Grund waren steigende CO2-Emissionen im Industrie-, Wärme- und Verkehrssektor.
Darstellung der Entwicklung der Treibhausgasemissionen von 1990 bis 2016 mit den Benchmarks für 2020 und 2040.
Wir sind weit davon entfernt, die selbst gesetzten Ziele im Klimaschutz zu erreichen.

Strom im Sonderangebot: Eine globale Entwicklung

Die Informationen und die Pressemeldung von Agora trafen auf die für Fachthemen übliche Medienresonanz.Es lohnt sich, die von Agora zur Verfügung gestellten Informationen auf der dortigen Webseite in der PDF und in der Präsentation genauer anzuschauen. Dort gibt es – neben zahlreichen anderen Details – auch die Sonderangebote für Strom zu entdecken: 2,6 Cent kostete die Kilowattstunde solare Strahlungsenergie in Chile: Das ist absoluter Weltrekord. In Relation zu den 99 Pfennigen des EEG aus dem Jahre 2000 bedeutet das einen Preisverfall von 94,7 Prozent. Bei welchem anderen Produkt auf der Welt hat es eine ähnliche Preisentwicklung gegeben? Wer hätte im Jahr 2000 daran geglaubt, dass Solarstrom in weniger als zwei Jahrzehnten zu Preisen zwischen 5 und 11 Pfennigen (2,6 und 5,8 Cent) weltweit zu haben ist? Das ist eine unglaubliche Erfolgsgeschichte.

Strom im Sonderangebot: Das gibt es in Chile (solar), in Marokko (On-Shore-Wnd und in Dänemark (Offshore).
Die Klassenbesten: Windstrom von Land und von der See war noch nie so günstig wie 2016. Spitzenreiter aller Klassen ist Sonnenstrom aus Chile: Der günstigste Preis betrug 2,6 Cent/kWh – Weltrekord.

Nur eine Kleinigkeit mehr als beim Solarstrom ist für Windenergie auf dem Land zu zahlen. Spitzenreiter beim Sonderangebot ist hier Marokko mit einem Preis von 2,68 Cent pro Kilowattstunde. Und selbst der Preis für Offshore-Windenergie kann sich mittlerweile sehen lassen: Bei 4,99 Cent pro Kilowattstunde fiel in Dänemark der Zuschlag. Das sind weniger als ein Drittel der Kosten, die nach deutschem EEG erstattet werden. Auch wenn es die besonderen Bedingungen der Ausschreibungen waren, die den Schnäppchencharakter von Strom erst möglich machten. Der Preis für Offshore-Wind wird weiter fallen.

Vorsicht bei den Schnäppchen! So sollte man zum Beispiel beim Ökostrom als Verbraucher genau hinschauen, was man bekommt. Bei den neuen Bestmarken für Ökostrom dürfen wir uns dagegen uneingeschränkt freuen. Erneuerbare Energie wird immer preiswerter. Die Preise fallen schneller, als es die kühnsten Optimisten erhofft hatten. Jeder neue Tiefstand ist eine gute Nachricht fürs Klima.

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  1. Windmüller

    vor 7 Jahren

    Der Siegeszug der erneuerbaren Energien ist nicht mehr aufzuhalten. Deswegen ist der Tanz gegen die Energiewende ja noch absurder. Man muss nur mal nach Frankreich schauen. Dort sind Reaktoren mit 10 GW Leistung vom Netz. Frankreich muss massiv Strom importieren, um einen Blackout zu verhindern. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, es bei 19° Raumtemperatur zu belassen, und keine Wäsche zu waschen, um Strom zu sparen. Die Kuppelstellen zwischen Frankreich und Deutschland sollen massiv ausgebaut werden. Aber nicht, damit die Franzosen uns versorgen können, sondern umgekehrt. Areva geht am Stock, und soll nach dem Willen der Regierung an EdF gebunden werden. Also auf gut Deutsch Verstaatlichung von Areva. Somit wird der Bau von Hinkley Point C nach meiner Meinung noch unwahrscheinlicher. Vor dem Hintergrund all dieser Fakten fragt man sich um so mehr, warum wir uns mit der Energiewende so schwer tun. Andere Länder wären froh, wenn sie unsere Probleme hätten.

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