Speicherwende: Power-to-Gas als essentieller Bestandteil der zukünftigen Energieversorgung

Gastautor Portrait

Martin Thema

OTH Regensburg

Martin Thema ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der von Prof. Michael Sterner geleiteten Forschungsstelle Energienetze und Energiespeicher (FENES) an der OTH Regensburg und forscht zu den Themen Power-to-Gas, biologische Methanisierung, Energiespeicherbedarf sowie Anwendungsmöglichkeiten und Vergleich von Energiespeicherlösungen. Er studierte in Regensburg im Fach Regenerative Energien und Energieeffizienz und beschäftigte sich mit angewandter Forschung im Bereich Energiespeicherung und Power-to-Gas. Auch ehrenamtlich ist er in Sachen Umweltschutz und Energiewende unterwegs. Derzeit promoviert Martin Thema im Fach Chemie- und Bioingenieurwesen am Lehrstuhl Energieverfahrenstechnik der FAU Erlangen-Nürnberg sowie der OTH Regensburg und ist im Forschungsvorhaben ORBIT als Projektkoordinator tätig.

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22. Juli 2015

Globale Speicherwende für den Klimaschutz

Bereits das heutige, noch zu großen Teilen fossil geprägte Energieversorgungssystem basiert maßgeblich auf der Speicherung von Energie: in fossilen Rohstoffen gespeicherter Sonnenenergie. Diese bisher einseitig ausspeichernde Nutzung fossiler Speicher gilt es im Rahmen der Energiewende durch alternative Formen der Energiespeicherung zu ersetzen, in Kombination mit einer an Angebot und Nachfrage angepassten Fahrweise von Erzeugung und Verbrauch sowie dem angemessenen Aus- und Umbau der bestehenden Energieverteilung zu. Eine exakte Angabe wann Stromspeicher in welchem Maße benötigt werden, ist aufgrund einer Vielzahl verschiedener Einflussfaktoren wie beispielsweise der Entwicklung des Netzausbaus derzeit nicht möglich. Allein die Überschüsse aus regenerativer Erzeugung im Stromsystem werden sich (Sterner und Stadler 2014) zufolge gegen Ende der Energiewende auf bis zu 60-100 TWh im Jahr belaufen, was über 10 % der Bruttostromproduktion in Deutschland im Jahr 2012 entspricht (s. Abbildung 1).

Stromüberschuss, Speicherwende, Power-to-Gas (P2G)

Abbildung 1: Zu erwartende Stromüberschüsse in Deutschland bei steigenden Anteilen erneuerbarer Energien. Quelle: FENES, 2015.

Dem Speicherkonzept Power-to-Gas (auch „Windgas“) wird dabei zweifellos eine Schlüsselrolle zuteil. Keine andere Speicheroption bietet derart vielseitige Integrations- und Verknüpfungsmöglichkeiten um die erforderlichen Speicherkapazitäten im Stromsystem zu erreichen sowie die Dekarbonisierung der anderen Energiesektoren (Wärme/Kälte, Verkehr und Chemie) zu ermöglichen.

Power-to-Gas nutzt erneuerbaren Strom, um chemische Energieträger herzustellen. In der Einspeicherung wird Wasserstoff (H2) über eine Elektrolyse (alkalische, Membran- oder Hochtemperaturelektrolyse) erzeugt. Daran anschließen kann eine Methanisierung, welche aus H2 und CO2 Methan (CH4) erzeugt, welches vollständig kompatibel mit der vorhandenen Erdgasinfrastruktur ist und als Substitut das fossile Erdgas ersetzen kann (s. Abbildung 2).

Zur Speicherung und dem Transport dienen das Gasnetz, Poren- und Kavernenspeicher oder Druckgastanks. Das Speichergas kann äußerst flexibel über verschiedene Entladetechnologien (z.B. Gasturbine (Strom/Wärme), Erdgas-Verbrennungsmotor (Mobilität/Strom/Wärme), Gastherme (Wärme), etc.) in Anwendungen der Energiewirtschaft sowie Abnehmer der chemischen Industrie genutzt werden.

Windgas, Speicherwende, Power-to-Gas, P2G

Abbildung 2: Windgas-Konzept mit Methanerzeugung. Aus erneuerbarem Strom wird mittels Elektrolyse Wasserstoff produziert, der in einer (biologischen oder chemischen) Methanisierungseinheit zu Erdgassubstitut aufbereitet und als erneuerbarer Energieträger ins Gasnetz eingespeichert werden kann. Dort steht er in allen Energiesektoren für verschiedene Anwendungen (z. B. Rückverstromung, Heizung, Mobilität, chemischer Grundstoff etc.) zur Verfügung. Quelle: (Sterner und Stadler 2014).

Um die im Zuge der Energiewende zunehmend wetterabhängig fluktuierende Stromerzeugung zu verstetigen, ist Power-to-Gas derzeit die einzige national verfügbare Speichertechnik, um relevante Energiemengen auch längerfristig im Monats- und Jahresbereich zu verschieben. Herkömmliche Speicher (wie beispielsweise Pump- oder Batteriespeicher) sind lediglich in der Lage Schwankungen im Minuten bis Tagesbereich abzufedern.

Power-to-Gas befindet sich derzeit in einem Entwicklungsumfeld von rasant zunehmender Bedeutung. Nachdem im Jahr 2005 die erste Anlage dieser Art zur Wasserstofferzeugung in Planung ging sind, heute bereits über 23 MW Elektrolyseleistung in Power-to-Gas-Pilotprojekten realisiert. Bei günstiger Entwicklung der Rahmenbedingungen – d. h. der Ermöglichung einer sektorenübergreifenden wirtschaftlichen Speicherung durch reduzierte Abgabenlast – ist bis 2017 derzeit mit knapp 31 MW projektierter Windgas-Leistung in Europa zu rechnen (s. Abbildung 3). Auch weltweit nimmt das Interesse an Power-to-Gas stark zu und es ist mit einer Einführung der noch jungen Technologie am Markt in naher Zukunft zu rechnen. Dabei zunächst verursachte Mehrkosten können jüngsten Untersuchungen von FENES zufolge zukünftig durch Ausnutzung von Überschussstrommengen aus Wind- und Photovoltaik mehr als ausgeglichen werden.

Windgas, Speicherwende, Power-to-Gas, P2G

Abbildung 3: Entwicklung der Windgas-Anlagenkapazität in Deutschland in den Jahren 2005 bis 2015/17: Durchbruch der Windgas-Technologie zeichnet sich ab den Jahren 2009 bis 2012 sowohl in langfristiger Planung als auch in bereits in Betrieb befindlichen Anlagen ab.

Literatur
Sterner, Michael; Stadler, Ingo (2014): Energiespeicher. Bedarf, Technologien, Integration. Heidelberg, Dordrecht, London, New York: Springer Vieweg. ISBN: 978-3-642-37379-4.

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  1. Hubertus Grass

    vor 9 Jahren

    Sehr geehrter Herr Ebeling,
    da Ihnen niemand anders widerspricht, übernehme ich gerne diese Aufgabe.
    Der Begriff "Erneuerbare Energie" ist physikalisch nicht irreführend, weil auch die Physik in Systemen denkt. Im System Erde können wir EE durchaus als Erneuerbare bezeichnen, weil sie von außen ersetzt - im gleichen Zeitraum - werden.
    Die CO2-Emissionen aus dem Sektor Strom lagen in 2014 in Deutschland bei über 37% (http://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimaschutz-energiepolitik-in-deutschland/treibhausgas-emissionen/emissionsquellen - bitte in Excel nachrechnen).
    Richtig teuer wird bekanntermaßen ein unkontrollierter Klimawandel. Alle Investitionen für die Dekarbonisierung sind dagegen "Peanuts".

  2. K.Ebeling

    vor 9 Jahren

    Energie kann nicht erzeugt, verbraucht oder „erneuert“ werden, sondern wird nur von einer Form in eine andere umgewandelt.
    Der Begriff „Erneuerbare Energie“ ist physikalisch irreführend.
    Unsere Zivilisation kennt drei Einsatzfelder für Energie :
    „Strom“ ist mit 19 % der kleinste "Co2" Faktor , wird aber in dieser Zeit sosehr mit finanziellen Mitteln beladen , das es für die grossen Verursacher „Wärme“ + „Mobilität“.
    nicht mehr reichen wird.
    Die Methanisierung ist in der benötigten Grössenordnung nicht realisierbar und bezahlbar.

  3. Martin Thema

    vor 8 Jahren

    Ob energie erzeugt oder verbraucht werden kann oder aber erneuerbar ist ist eine Frage der Systemgrenze. Ziehen wir diese an allgemein anerkannter Stelle, ist Energie, welche beispielsweise über Kühltürme kalorischer Kraftwerke abgeführt wird, für das Energiesystem verloren - und damit verbraucht.
    Power-to-Gas-Lösungen (mit und ohne Methanisierung) werden Ergebnissen diverser aktueller Untersuchungen definitiv eine entscheidende Rolle im künftigen Energiesystem spielen:

    Agora-Studie: Stromspeicher in der Energiewende
    http://www.agora-energiewende.de/fileadmin/downloads/publikationen/Studien/Speicher_in_der_Energiewende/Agora_Speicherstudie_Web.pdf

    Greenpeace Energy-Windgas Studie
    http://www.greenpeace-energy.de/fileadmin/docs/publikationen/Studien/2015_FENES_EBP_GPE_Windgas-Studie.pdf

    Umweltbundesamt: Energieziel 2050
    http://www.umweltbundesamt.de/publikationen/energieziel-2050

    Je nach Ausgestaltung eines Energiesystems mit erneuerbarer Vollversorgung wird der Einsatz der ein oder anderen Technologie stärker ausgeprägt sein und sich auf Bedarfe an anderer Stelle auswirken. So wird letzten Endes eine Mischung aus politischem und wirtschaftlich-industriellem Willen sowie Akzeptanz der Bevölkerung die Energieversorgung der Zukunft definieren.

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