Nachhaltige IT bei der EnBW: Ökonomisch, Ökologisch und Sozial – die wichtigen 3 Säulen der nachhaltigen IT

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Redaktion

Stiftung Energie & Klimaschutz
06. Mai 2025

Wir von der Stiftung Energie & Klimaschutz haben zum Gespräch eingeladen: Mit dabei waren fünf Kolleginnen und Kollegen der EnBW AG, die Teil des Teams „Nachhaltige IT“ sind. Gemeinsam mit weiteren Kolleg*innen treiben sie das Thema seit rund drei Jahren voran – zunächst als Bottom-up-Initiative, und jetzt im Aufbau als Kompetenzcenter innerhalb der IT-Struktur. Was nachhaltige IT bei der EnBW konkret bedeutet, welche Projekte bereits angestoßen wurden und warum „grüne IT“ allein zu kurz greift, erzählen sie im Interview.

Was bedeutet nachhaltige IT überhaupt – und unterscheidet sich das von Green IT?

IT ist ein Schlüsselfaktor, um Nachhaltigkeit im ganzen Konzern überhaupt möglich zu machen.

Die Begriffe werden oft synonym verwendet, im Team der EnBW jedoch bewusst auseinandergehalten. „Green IT greift eigentlich zu kurz“, sagt einer der Beteiligten. Denn nachhaltige IT meint bei der EnBW nicht nur ökologische Aspekte wie Stromverbrauch oder CO₂-Fußabdruck, sondern schließt auch soziale und ökonomische Komponenten mit ein.

„IT ist ein Schlüsselfaktor, um Nachhaltigkeit im ganzen Konzern überhaupt möglich zu machen“, erklärt ein Kollege. Technologien und Daten seien essenziell, um etwa ESG-Reporting zu ermöglichen oder digitale Prozesse effizienter zu gestalten. Das Spannungsfeld sei dabei nicht zu unterschätzen: „Alle wollen digitaler werden – aber auch nachhaltiger. “Das beides zusammenzubringen, ist unsere Mission.“

Von der freiwilligen Initiative zum Kompetenzcenter

Entstanden ist die nachhaltige IT bei der EnBW ursprünglich aus einer CIO-Initiative. Rund zehn Personen aus der IT schlossen sich zusammen, um dem Thema Raum zu geben – mit einer großen Portion intrinsischer Motivation inklusive.

„Wir haben das alle on top gemacht“, erinnert sich der Hauptverantwortliche Reik Reinhold. Heute ist aus der freiwilligen Gruppe ein wachsendes und offiziell verankertes Kompetenzcenter geworden. Ziel: Themen aus der IT in die Organisation hineintragen, aber auch Anforderungen aus den Fachbereichen strukturiert aufnehmen und bearbeiten.

Ein kleiner Kern kümmert sich künftig hauptamtlich darum, unterstützt von sogenannten „Subject Matter Experts“ Mitarbeiter*innen aus den einzelnen IT-Bereichen, die als Brückenköpfe fungieren.

Erster Hebel: Wissen, wo man steht

Wir müssen erstmal wissen, was unser CO₂-Fußabdruck in der IT überhaupt ist

Bevor man große Veränderungen anstoßen kann, braucht es ein klares Bild: „Wir müssen erstmal wissen, was unser CO₂-Fußabdruck in der IT überhaupt ist“, sagt ein Kollege im Redaktions-Gespräch. Genau hier setzt das Projekt GreenOps an, mit dem alle Emissionen aus der IT erfasst werden sollen – von der Nutzung externer Hyperscaler über die eigenen Rechenzentren bis hin zu Hardware und Endgeräten.

„Denn ohne verlässliche Daten wissen wir gar nicht, wo die großen Hebel sind.“, so der Projektverantwortliche. Erste Einsparpotenziale zeigten sich bereits bei einem Klassiker: dem Papierverbrauch. Allein zwischen 2019 und 2024 wurden rund 630 Tonnen Papier eingespart – was ein Minus von 80 Prozent ergibt.

Nachhaltigkeit bedeutet auch Inklusion

Was oft übersehen wird: Auch soziale Nachhaltigkeit ist ein zentraler Bestandteil des Konzepts. So kümmert sich ein Kollege im Team um digitale Barrierefreiheit und die technische Unterstützung von Mitarbeitenden mit Einschränkungen.

„Wir haben Tools im Einsatz, die zum Beispiel Vorlesefunktionen bieten oder eine starke Vergrößerung des Bildschirms erlauben“, erzählt er. Gemeinsam mit externen Partnern wie Anbietern für Tools zur digitalen Barrierefreiheit arbeitet das Team daran, Websites barrierefrei zu gestalten und Browser-Add-ons bereitzustellen, mit denen Nutzer:innen Darstellungen individuell anpassen können.

Digitalen Held*innen und einem CO₂-Bewusstsein für KI

Hierbei ist Transparenz wichtig, findet das Team – denn reine Zahlen sind oft nicht greifbar.

Wie sensibilisiert man Menschen im Unternehmen für ein Thema, das oft als technisch, abstrakt oder gar trocken gilt? Das Team hat dafür eine eigene kleine „Nachhaltigkeitsliga“ ins Leben gerufen – mit Held:innenfiguren wie der Papierheld*in, der Datenheld*in oder den Dienstreiseheldinnen und -helden. Dahinter steckt nicht nur ein spielerischer Zugang, sondern handfeste Informationen: Ein Dashboard zeigt etwa, wie viel Papier man selbst oder das Team verbraucht hat. Der Gedanke: Wer sieht, was sein Handeln bewirkt, entwickelt eher ein Gespür für notwendige Veränderungen.

Gerade die Datenheldin soll in Zukunft noch mehr Aufmerksamkeit bekommen. Denn je digitaler die Prozesse werden, desto größer ist auch der digitale Fußabdruck. „Viele haben kein Gefühl dafür, dass auch Daten CO₂ verursachen“, sagt einer der Beteiligten. Genau hier werden neue Ansätze wie LearnGPT angesetzt: eine intern entwickelte Trainingsumgebung, in der der CO₂-Verbrauch von KI-Anfragen sichtbar gemacht wird. Das Ziel ist nicht, künstliche Intelligenz zu verteufeln – im Gegenteil. Es geht um ein reflektiertes Bewusstsein: Welche Prompts sind besonders rechenintensiv? Wann genügt ein einfaches Modell?

Hierbei ist Transparenz wichtig, findet das Team – denn reine Zahlen sind oft nicht greifbar. „Wenn ich lese, dass meine Abfrage 0,07 Gramm CO₂ erzeugt hat, kann ich damit wenig anfangen“, heißt es – nachvollziehbar. Vergleichswerte aus dem Alltag könnten hier künftig helfen: „Was entspricht 0,07 Gramm CO₂- zehn Google-Suchen? Ein paar Minuten Videostreaming?“ Die Arbeit an solchen Bezügen läuft bereits.

Vom Bildschirm bis zur Lieferkette: Hardware im Fokus

Neben den Softwarethemen rückt zunehmend auch die Hardware in den Fokus nachhaltiger Überlegungen. Das Team möchte mit dem Einkauf noch enger daran arbeiten, Umwelt- und Sozialkriterien systematisch in Beschaffungsprozesse zu integrieren. Eine aktuelle Umfrage unter Mitarbeitenden hat gezeigt: Viele sind durchaus offen für refurbished Geräte – also generalüberholte Technik, die Ressourcen spart und dennoch voll funktionstüchtig ist.

„Es muss nicht immer das neueste Modell sein“, so die einhellige Meinung. Auch soziale Aspekte spielen hier mit hinein: So wurden bei einer Vor-Ort-Aktion, gemeinsam mit dem IT-Refurbishment-Unternehmen AfB, gebrauchte Geräte an Mitarbeitende verkauft – 311 Stück bei der letzten Aktion. Der Clou: AfB beschäftigt über 40 Prozent Menschen mit Behinderungen und verknüpft so den ökologischen mit dem inklusiven Aspekt.

Gamification und Schulen: Nachhaltige IT weiterdenken

Wir sind damals gegen viele Bedenken angetreten, auch in anderen Unternehmen gab es Skepsis

Ein weiteres Herzensprojekt des Teams: das Engagement an Schulen. Im Rahmen einer jährlichen Infoveranstaltung wurden den Jugendlichen – unter anderem mit einem eigens entwickelten Gamification-Ansatz, der auf spielerische Weise für nachhaltige IT sensibilisiert, angeboten.

„Natürlich war das VR-Angebot am selben Tag für viele erstmal spannender“, erzählt eine Kollegin lachend. „Aber mit konkreten Beispielen – wie etwa dem Unterschied zwischen einem klassischen Browser und Ecosia – konnten wir viele erreichen.“

Der alternative Browser Ecosia, der bei jeder Suchanfrage Bäume pflanzt, ist mittlerweile konzernweit bei der EnBW im Einsatz. „Wir sind damals gegen viele Bedenken angetreten, auch in anderen Unternehmen gab es Skepsis“, berichtet ein Teammitglied. Heute ist Ecosia bei zahlreichen Konzernen Standard. Die EnBW war eine der ersten, die den Schritt gingen – ein Beispiel dafür, dass auch kleine Maßnahmen große Kreise ziehen können.

Fazit: Nachhaltige IT ist mehr als Technik

Was bleibt nach dem Gespräch? Vielleicht vor allem dies: Nachhaltige IT ist kein Nischenthema und keine Zusatzaufgabe – sie ist ein essenzieller Hebel für die Transformation. Und sie funktioniert dann besonders gut, wenn sie von innen heraus gestaltet wird. Mit Menschen, die nicht nur von Technik, sondern auch von dessen Wirkung begeistert sind.

„Uns geht es um alle drei Säulen: ökologisch, ökonomisch und sozial“, betont das Team. IT ist dabei kein Selbstzweck – sondern der Möglichmacher. Für ESG-Reporting. Für soziale Teilhabe. Und für all die kleinen digitalen Alltagsentscheidungen, die in Summe einen Unterschied machen.

Im Interview sprachen wir u.a. mit:

Reik Reinhold, Lead Competence Center Sustainable IT
Manuela Wege-Keller, People Lead

und weiteren Kolleginnen und Kollegen aus dem Competence Center Sustainable IT.

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