Kraftwerksstrategie – Was die neue Koalition wissen muss (33)

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Redaktion

Stiftung Energie & Klimaschutz
12. März 2025

In der 33. Folge von unserem Podcast zur Energiezukunft spricht Stiftungs-Vorstand Holger Schäfer mit Jörg Jasper über die Kraftwerksstrategie Deutschlands. Diese wurde im Rahmen der Ampel-Koalition auf den Weg gebracht – allerdings ohne den finalen Schritt: Ein Sprecher des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) bestätigte Ende Januar 2025 das Scheitern des Gesetzesvorhabens.

Mit dem Regierungswechsel und der Bildung einer Koalition aus CDU/CSU und SPD rückt das Thema Kraftwerksneubau erneut in den Fokus.  Beide Parteien haben signalisiert, dass sie den Ausbau neuer Kraftwerke priorisieren wollen, um den steigenden Energiebedarf zu decken und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Aktuelle Analysen deuten darauf hin, dass der Bedarf an neuen Kraftwerkskapazitäten größer sein könnte als bisher angenommen.

Die Energieversorger erwarten von der neuen Regierung klare Signale und Rahmenbedingungen, die Investitionen in neue Kraftwerksprojekte fördern und beschleunigen. Es bleibt abzuwarten, welche konkreten Maßnahmen die neue Koalition in den kommenden Monaten ergreifen wird, um den Kraftwerksausbau voranzutreiben.

Darum geht es auch in unserer Podcast-Folge: Jörg Jasper leitet den Bereich Energiewirtschaft und Positionierung bei der EnBW Energie Baden-Württemberg AG und ist verantwortlich für energiewirtschaftliche Grundsatzfragen mit Schwerpunkt Stromerzeugung, Gase und Regulatorik.

Worum geht es beim Kraftwerkssicherungsgesetz? Was ist die Zielsetzung?

Das Kraftwerksicherungsgesetz (KWSG) zielt darauf ab, in einem unkomplizierten, öffentlichen Ausschreibungsverfahren den Zubau von neuen Gaskraftwerken anzureizen, die später auf Wasserstoff umgestellt werden können. Ziel ist es, den Zubau möglichst schnell voranzutreiben, da Deutschland in Zukunft einen erheblichen Bedarf an Kraftwerken haben wird. Da der Markt derzeit nicht schnell genug auf diesen Bedarf reagiert, hat die Bundesregierung beschlossen, das Kraftwerkssicherungsgesetz einzuführen, um den Bau zu fördern und zu beschleunigen.

Warum bedarf es einem solchen Förderungsmechanismus?

Von den benötigten 20 bis 25 GW werden derzeit nur etwa 5 GW über den Markt oder durch Fördermechanismen wie das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz zugebaut. Einer der Gründe dafür ist, dass bereits ein Kapazitätsmarkt für die Zeit nach dem KWSG angekündigt wurde. Investoren warten möglicherweise darauf, wie dieser Kapazitätsmarkt gestaltet sein wird, um dann zu entscheiden, ob sie investieren möchten. Daher zögern sie derzeit noch mit ihren Investitionen.

Was sind die Instrumente des KWSG und wie kann der Schritt in einen Kapazitätsmarkt gelingen?

Das KWSG ist im Wesentlichen ein Ausschreibungsmechanismus zur Vergütung von Kapazitäten. Der Staat schreibt eine bestimmte Menge an Kapazität aus, und Investoren bieten ein Entgelt, das sie für die Installation pro Megawatt Leistung benötigen. Die Gewinner der Auktion erhalten eine jährliche Kapazitätszahlung, die ihre Investitionen absichert.

Die Anlagen, die am KWSG teilnehmen, können während der Förderperiode voraussichtlich nicht am Kapazitätsmarkt teilnehmen, da sie bereits ein Kapazitätsentgelt erhalten. Unklar ist jedoch, was nach Ablauf dieser Förderung passiert. Können diese Anlagen dann beispielsweise ab 2028 als Bestandsanlagen am Kapazitätsmechanismus teilnehmen oder nicht? Diese Frage ist derzeit noch offen.

Dezentrale, zentrale, hybride Kapazitätsmärkte: Welche Systeme gibt es?

Ein zentrales System basiert auf einer zentralen Ausschreibung, ähnlich wie das KWSG, jedoch technologieoffen. Das bedeutet, dass nicht nur klassische thermische Kraftwerke, sondern auch erneuerbare Energien, Lastflexibilitäten und dezentrale Erzeugungseinheiten teilnehmen können.

Im Gegensatz dazu gibt es dezentrale Systeme, bei denen die Beschaffung durch dezentrale Marktinteraktionen erfolgt. In einem dezentralen System gibt es keinen zentralen Beschaffer. Stattdessen handelt es sich um ein Handelssystem mit Kapazitätszertifikaten. Anbieter gesicherter Leistungen, wie Kraftwerksbetreiber, Batteriebetreiber oder Industrieunternehmen mit Lastflexibilitäten, können Kapazitätszertifikate ausgeben, die einen Marktwert haben. Vertriebe oder Bilanzkreisverantwortliche sind verpflichtet, diese Zertifikate zu kaufen, wodurch sich ein Kapazitätspreis durch Angebot und Nachfrage ergibt.

Ein hybrides System kombiniert beide Ansätze und ist das Konzept, das der Bundesregierung vorschwebt. Ziel ist es, die Vorteile beider Welten zu vereinen.

 

Wie beeinflussen die angenommenen Wasserstoffpreise die Wirtschaftlichkeit eines Gaskraftwerks, das auf grünes oder blaues Gas umgestellt wird?

Im KWSG gibt es eine Säule, die die operativen Kosten, insbesondere die Brennstoffkosten, fördert. Nach der Umstellung eines Kraftwerks auf Wasserstoff wird die Differenz zwischen den günstigeren Erdgaspreisen und den höheren Wasserstoffpreisen gefördert. Das bedeutet, dass das Kraftwerk weiterhin zu den Kosten eines Erdgaskraftwerks betrieben wird, obwohl es Wasserstoff verbraucht. Diese Förderung ist auf maximal 800 Volllaststunden pro Jahr über vier Jahre begrenzt. Danach hofft man, dass Wasserstoff deutlich günstiger geworden ist, sodass die Auswirkungen auf den Strompreis geringer sind.

Von welchen Ländern können wir lernen und warum?

Ich würde empfehlen, einen Blick auf das britische Modell zu werfen. In den letzten zehn Jahren hat das Vereinigte Königreich einen Kapazitätsmarkt mit zentralen Ausschreibungen etabliert, der kontinuierlich angepasst wurde, um aus den gemachten Erfahrungen zu lernen. Diese Lernkurve hat dazu geführt, dass das System mittlerweile recht gut funktioniert.

Das britische System ist sehr transparent, da alle relevanten Informationen, wie Auktionsergebnisse, veröffentlicht werden. Es ermöglicht auch Teilnehmern mit geringeren Einstiegshürden, sich zu beteiligen. Deutschland kann von diesem Modell lernen und daran anknüpfen.

Würde die Situation anders aussehen, wenn Deutschland noch Kernkraftwerke hätte oder neue Kernkraftwerke bauen würde?

Kernenergie ist nicht die Technologie, die wir brauchen, da sie auf Grundlastkraftwerke ausgelegt ist, die 8000 Stunden oder mehr im Jahr laufen. Stattdessen benötigen wir Kraftwerke, die flexibel und komplementär zu den erneuerbaren Energien eingesetzt werden können, wie Gaskraftwerke, die mit Wasserstoff betrieben werden, oder andere Formen von Flexibilitäten wie Lastflexibilitäten.

Lesetipp

Jörg Jasper empfiehlt „Der Weg in die Unfreiheit“ von Timothy Snyder, einem Historiker der Yale University, der sich auf neuere Geschichte und insbesondere auf die Geschichte Russlands spezialisiert hat. In diesem Buch beleuchtet er die Hintergründe der russischen Politik, mit der er sich seit Jahren beschäftigt. Angesichts der aktuellen Ereignisse ist dieses Buch eine hervorragende Leseempfehlung, um das Verhalten Russlands auf der Weltbühne besser zu verstehen.

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