Kosten für Netzeingriffe: Umdenken erforderlich

Gastautor Portrait

Dr. Michael Garmer

Gastautor

Dr.-Ing. Michael Garmer, geboren 1964 bei Münster/Westfalen, studierte Physik an den Universitäten Münster und München sowie Betriebswirtschaftslehre an der privaten Fachhochschule Lahr/Schwarzwald. 2001 wurde Garmer zum Vorsitzenden des CDU-Ortsverbandes Grunewald-Halensee gewählt; 2009 wechselte er in die Landespolitik als Vorsitzender des Landesforums Energie, Umwelt und ökologische Stadtentwicklung. 2011 gewann er das Direktmandat zum Berliner Abgeordnetenhaus im Wahlkreis Schmargendorf. Michael Garmer ist Mitglied des Wirtschaftsrates der CDU und arbeitet dort in der Bundesfachkommission Energiepolitik mit. Darüber hinaus ist er Mitglied in der Mittelstandsvereinigung der CDU sowie im Verein Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI).

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02. Mai 2016

„Es bleibt dabei, dass die Förderung erneuerbarer Energien einen durchschnittlichen Haushalt nur rund 1 Euro im Monat kostet – so viel wie eine Kugel Eis.“ So versuchte 2004 der damalige grüne Umweltminister, Jürgen Trittin, den Bürgern die Angst vor ausufernden Kosten für die Energiewende zu nehmen. Dass diese Rechnung nicht lange gültig war, wissen wir heute. Die erschreckende Summe von einer Milliarde Euro, die die Übertragungsnetzbetreiber 2015 für ungeplante Netzeingriffe aufbringen und auf die Verbraucher umlegen mussten, stellt uns vor die Frage: Steuern wir in die falsche Richtung?

Kostensteigerungen um das Vielfache

Während bereits im letzten Sommer vage Schätzungen über eine drastische Erhöhung der Kosten für Netzeingriffe gemacht wurden, steht jetzt fest: Für das Jahr 2015 betragen diese eine Milliarde Euro. Allein auf den Netzbetreiber Tennet entfallen davon 700 Millionen Euro, darunter für das Abregeln von Windkraftanlagen 329 Millionen Euro. 50 Hertz, der zweite große Netzbetreiber, meldet Gesamtausgaben von rund 300 Millionen Euro. Im Vergleich zu 2014, als die Netzbetreiber 187 Millionen Euro für Netzeingriffe aufbringen mussten, haben sich die Kosten also mehr als vervielfacht.

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Bild: TransnetBW

Die Kosten entstehen dadurch, dass Ungleichgewicht im Netz entsteht – beispielsweise durch zu viel erneuerbare Energie an einem sonnigen und windigen Tag. Oder durch einen erhöhten Bedarf im Süden Deutschlands, wo zwar mehr produzierende Unternehmen ihren Standort haben, die Produktion erneuerbarer aber damit nicht Schritt halten kann.

In diesen Fällen kommt es zu Netzeingriffen: konventionelle oder erneuerbare Anlagen jenseits des Netzengpasses werden abgeregelt, andere Anlagen in der Nähe des Bedarfs hochgefahren. Aufgrund der Bestimmungen des EEG müssen die Netzbetreiber den Erzeugern erneuerbarer Energien allerdings auch dann den Strom bezahlen, wenn dieser nicht genutzt wird. So entstehen die Kosten für Netzeingriffe, die jedes Jahr weiter ansteigen.

Umdenken erforderlich

Die Netzbetreiber leiten die Kosten an den Verbraucher weiter. So kommt es, dass die Bürger für Strom bezahlen, den sie selbst nicht genutzt haben – und der auch niemand anderem zugute kommt. Dieser Strom ließe sich durch Verfahren wie PtH (Power to Heat) oder PtG (Power to Gas) speichern und im Bedarfsfall wieder abrufen – dafür müssen aber zunächst die Übertragungsnetze weiter ausgebaut werden. Dieser Ausbau hält derzeit nicht mit den hohen Kapazitäten der Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien Schritt. Ohne das entsprechende Netz sind daher Windräder und Photovoltaikanlagen genauso nützlich wie Züge ohne Gleise, betonte kürzlich der Präsident der Bundesnetzagentur, Jochen Homann – sie binden Kapital, schaffen aber keinen Mehrwert.

Die drastische Summe von einer Milliarde Euro macht uns also klar, dass ein Umdenken erforderlich ist. Die derzeit debattierten Ausbaupfade für Erneuerbare, die im neuen EEG verankert werden sollen, sind schon mal ein Schritt in die richtige Richtung. Viel wichtiger ist es allerdings, den überschüssigen Strom vor Ort mittels Speichertechnologien für andere Bereiche nutzbar zu machen. Die Aufgabe der Politik ist es, die Rahmenbedingungen für Speicher zu verbessern – um passende Geschäftsmodelle werden sich die Unternehmen dann selbst kümmern.

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  1. Windmüller

    vor 8 Jahren

    Gelegentlich frage ich mich, ob Politik Realsatire ist. Vor wenigen Wochen hat die Bundesregierung erklärt, man wolle Offshore stärker ausbauen, als nach Fukushima beschlossen.( Tage später erklärte Siemens, man wolle in Cuxhafen eine Fabrik für Offshoreanlagen bauen, und 1000 Arbeitsplätze schaffen ) Nun baut man voller Fleiß Offshoreparks, kann sie aber nicht ans Netz anbinden, weil die Netze fehlen. Das gleiche geistreiche Spiel erleben wir in Bayern. Nach Fukushima beschloss man im Bundestag mit den Stimmen der CSU den Bundesnetzbedarfsplan, der den Bau dreier Stromtrassen nach Bayern vorsah. Wochen später polterte König Horst zu Bavaria gegen genau diesen Netzausbau. Bis 1. Februar 2015 wollte er das Problem mit einem Bürgerdialog gelöst haben. Zwei Wochen vorher wurde der Dialog ergebnislos beendet. Damit hat Bayern den Netzausbau unsinnig verzögert. Als letzten Schritt erklärt CSU Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, der Ausbau erneuerbarer Energien müsse gebremst werden, schließlich sei man mit dem Netzausbau noch nicht so weit. Wäre es nicht trauig, man könnte lachen.

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