Die Zeit drängt. Der Klimawandel ist eine existenzielle Bedrohung für uns alle. Städte wie Heidelberg zeigen, dass es möglich ist, den Wandel aktiv zu gestalten. Seit 2009 entsteht mit der Bahnstadt unser jüngster Stadtteil komplett in Passivhaus-Bauweise. Gleichzeitig decken unsere Stadtwerke mittlerweile die Hälfte der Wärmenachfrage durch Fernwärme, die zunehmend CO2-frei wird.
Die Probleme sind offensichtlich: Kommunen haben einen massiven Einfluss auf den Klimawandel. Sie sind für etwa 80 Prozent des globalen Energieverbrauchs und über 70 Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich. Gleichzeitig sind sie zunehmend von den unterschiedlichen Folgen des Klimawandels betroffen: Hitzewellen, Trockenperioden, Überschwemmungen und Starkregenereignisse. Um den Klimawandel wirksam zu bekämpfen und an seine Folgen anzupassen, ist eine ganzheitliche und interdisziplinäre Transformation des Energiesektors, der städtischen Infrastruktur und auch des menschlichen Konsumverhaltens nötig. Für diese Generationenaufgabe bilden Städte lebendige Labore, in denen nachhaltige Technologien und innovative Lösungen entwickelt und erprobt werden.
Klimaneutralität als Fundament für Klimaresilienz
Insbesondere in Sachen Finanzierung und Entbürokratisierung sind Städte auf die Unterstützung von Bund und Ländern angewiesen.
Der Weg zur klimaresilienten Kommune führt über Klimaneutralität. Heidelberg ist seit Jahrzehnten Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Als Teil der EU-Mission „100 klimaneutrale und smarte Städte“ haben wir uns ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: In ihren eigenen Einrichtungen will Heidelberg bis 2030 weitestgehend klimaneutral werden. Stadtweit wollen wir spätestens 2040 Klimaneutralität erreicht haben. Dafür sind wir auf vielen Handlungsfeldern aktiv. Wir treiben die Energie- und Wärmewende voran, realisieren nachhaltige Mobilitätskonzepte und setzen im Städtebau innovative Akzente. Bei diesen Prozessen stehen wir nicht nur infrastrukturell vor immensen Herausforderungen. Insbesondere in Sachen Finanzierung und Entbürokratisierung sind Städte auf die Unterstützung von Bund und Ländern angewiesen. Und mit einer transparenten und nachvollziehbaren Kommunikation müssen die Bürgerinnen und Bürger zum Mitmachen motiviert werden.
Heidelberg setzt auf erneuerbare Energien und effiziente Wärmenutzung
Dem Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Dekarbonisierung der Wärmeerzeugung kommt eine Schlüsselrolle zu. Um die Energiewende voranzubringen, arbeiten wir eng mit unseren Stadtwerken Heidelberg, mit Energiegenossenschaften und anderen Partnern zusammen. Auf einer Teilfläche des Staatswalds bei Heidelberg ist ein Bürgerwindpark geplant, der von lokalen Akteuren getragen werden und künftig lokal erzeugten Strom in das lokale Energienetz speisen soll. Daneben bauen wir die Stromerzeugung über Sonnenenergie weiter aus. Solarthermie- und Photovoltaikanlagen sind unverzichtbare Bestandteile dezentraler Energiekonzepte. Mittlerweile wird in Heidelberg mit einer Leistung von über 41 MWp (Megawatt Peak) so viel Solarstrom produziert, dass damit der Energiebedarf von rund 18.000 Haushalten gedeckt werden kann.
Gleichzeitig treiben wir gemeinsam mit unseren Stadtwerken Heidelberg die Wärmewende intensiv voran. Bereits heute decken wir die Hälfte der Wärmenachfrage durch Fernwärme. Der kommunale Wärmeplan zeigt wohin die Reise geht: Unser Ziel ist es, 70 Prozent der Haushalte an das städtische Fernwärmenetz anzuschließen. Wo das nicht möglich ist, sollen Luft- oder Erdwärmepumpen zum Einsatz kommen. Derzeit bauen die Stadtwerke Heidelberg das Wärmenetz im Stadtgebiet massiv aus – und die Wärmeerzeugung auf erneuerbare Quellen um.
Bereits seit 2020 beziehen Fernwärmekunden unserer Stadtwerke zur Hälfte grüne, dekarbonisierte Wärme, die in den Sommermonaten schon jetzt CO2-frei ist. In ihrem Energiepark betreiben die Stadtwerke Heidelberg intelligente Zukunftslösungen, beispielsweise eine innovative Kraft-Wärme-Kopplungsanlage (iKWK), Kältezentralen in der Bahnstadt und im Heidelberg Innovation Park (hip) oder den neuen Energiespeicher. In dieser 55 Meter hohen „Riesen-Thermoskanne“ wird Wärme gespeichert und bei Bedarf ins Wärmenetz abgegeben. So können Anlagen zur Wärmeerzeugung noch flexibler und effizienter betrieben sowie an wind- und sonnenreichen Tagen Strom aus erneuerbaren Energien in Wärme umgewandelt und gespeichert werden. Künftig werden wir dem Mix auch Wärme und Energie aus einer Flusswärmepumpe hinzufügen, die am Neckar errichtet werden soll.
Um Energie- und Wärmewende voranzubringen, müssen Kommunen umfassende und risikoreiche Investitionsentscheidungen treffen. Ohne Planungssicherheit wird der Ausbau der Wärmenetze einbrechen. Deshalb muss der Bund die Förderung für effiziente Energienetze deutlich aufstocken und das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz zügig novellieren.
Nachhaltige Mobilität braucht finanzielle Sicherheit
Ein weiteres enormes Einsparpotenzial beim CO2-Ausstoß liegt im Bereich der Mobilität. Kommunen müssen sich darum kümmern, umweltfreundliche Mobilität zu ermöglichen – mit dem ÖPNV, dem Fahrrad oder zu Fuß. Heidelberg hat daher einen Fokus darauf gelegt, seine Infrastruktur zugunsten von umweltfreundlicher Mobilität umzubauen: Wir richten Fahrradstraßen ein, erweitern und modernisieren unser (Schnell-)Radwegenetz, bauen Sharing-Angebote aus oder planen Quartiersgaragen, um autofreie Bereiche zu schaffen. Aktuell arbeitet die Stadt am Bau von zwei neuen Rad- und Fußverkehrsbrücken sowie zwei Fahrradparkhäusern mit über 2.000 Stellplätzen in Bahnhofsnähe. Zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2040 entwickeln wir einen umfassenden Klimamobilitäts- und Verkehrsentwicklungsplan. Dessen Kern bildet eine neue Radstrategie, die wir derzeit mit einem niederländischen Planungsbüro erbarbeiten.
Als zentraler Bestandteil der Verkehrswende spielt der ÖPNV beim Klimaschutz eine wichtige Rolle. Mit unserem Programm „Mobilitätsnetz“ haben wir zwischen 2015 und 2020 das Straßenbahnnetz massiv ausgebaut. Wie in Heidelberg wollen viele Kommunen das ÖPNV-Angebot ausbauen. Allerdings ist die Finanzierung des Ausbaus und der Modernisierung des öffentlichen Nahverkehrs finanziell nicht gesichert. Hier muss sich der Bund maßgeblich in die Förderung einbringen, um die Ziele der Verkehrswende nicht zu gefährden.
Heidelberg als Labor für zukunftsfähiges Bauen
Auch in der Stadtentwicklung haben wir den Laborgedanken etabliert. Auf dem Gebiet des ehemaligen Güterbahnhofs entsteht mit dem neuen, weitgehend klimaneutralen Stadtteil Bahnstadt eine der größten Passivhaussiedlungen der Welt. Der Energiebedarf bei dieser Bauweise liegt um bis zu 80 Prozent niedriger als in herkömmlichen Wohngebäuden. Die Einsparung an CO2-Emissionen für das Heizen beträgt bis zu 94 Prozent pro Person und Jahr im Vergleich zur herkömmlichen Bauweise.
Gerade im Bauwesen als weltweit größter Ressourcenverbraucher und Abfallproduzent ist es unabdingbar, neue Wege gehen. Auf der Konversionsfläche Patrick-Henry-Village (PHV) wollen wir wichtige Erkenntnisse zum „Neuen Bauen“ gewinnen. Hier soll mit dem Projekt „Circular City – Heidelberg“ ein Grundstein für effizientes Baustoffrecycling und zukunftsgerechtes Bauen gelegt werden. Bestehende Gebäude auf dem Areal wollen wir als eine Art Rohstofflager für künftige Bauprojekte nutzen.
Als erste Stadt in Europa möchten wir im PHV das Konzept des Urban Mining, dem „Bergbau in der Stadt“, mit einem digitalen Gebäude-Material-Kataster in die Praxis umsetzen. Statt neuer, oft energieintensiv produzierte Materialien einzusetzen, wollen wir bestehende Rohstoffe zurückgewinnen und vor Ort aufbereiten. Das spart nicht nur Ressourcen, sondern schützt auch das Klima.
Anpassungskonzepte zeigen den Weg in eine klimaresiliente Zukunft
Neben der Erreichung der Klimaneutralität ist es wichtig, unsere Städte fit für die Auswirkungen des Klimawandels zu machen. Dazu gehören u.a. Maßnahmen zum Hochwasserschutz, Hitzeschutz und zur Prävention. Versiegelte Städte heizen sich immer stärker auf. Deshalb wollen wir die Klimaresilienz von Bestands- und Neubauten oder auch ganzen Quartieren stärken. In Heidelberg entsiegeln wir mit dem OASIS-Programm im Stadtgebiet Flächen und werten sie mit Grünflächen, Blühwiesen, Baumpflanzungen, Wasser oder neuem Stadtmobiliar auf. Das schafft in den heißen Monaten dringend benötigten Schatten und verbessert neben dem Mikroklima auch die Aufenthaltsqualität. Eine „Kühle Karte“ zeigt unseren Bewohnerinnen und Bewohnern zudem an heißen Tagen, wo es schattige, kühle Orte zum Verweilen gibt oder wo man sich mit frischem Trinkwasser versorgen kann.
Mit dem Klimascanner haben wir ein innovatives Screening-Tool im Einsatz, mit dem sich Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel ad hoc im Bestand, bei Bebauungsplänen oder bei Neuplanungen simulieren, bewerten und optimieren lassen. Er ermöglicht eine faktenbasierte Bewertung von Maßnahmen zur Anpassung an Klimafolgen bereits vor dem Planungsverfahren.
Transformationsprozesse brauchen gesellschaftliche Akzeptanz
Umfassende Transformationsprozesse zu Klimaschutz und Klimaresilienz können nur erfolgreich umgesetzt werden, wenn sie von der Bevölkerung akzeptiert und mitgetragen werden.
Umfassende Transformationsprozesse zu Klimaschutz und Klimaresilienz können nur erfolgreich umgesetzt werden, wenn sie von der Bevölkerung akzeptiert und mitgetragen werden. Deshalb gehen wir als Stadt auf vielen Feldern mit gutem Beispiel voran. In den letzten 30 Jahren haben wir beispielsweise den Energieverbrauch der städtischen Gebäude um zwei Drittel gesenkt. Wo technisch möglich installieren wir PV-Anlagen auf unseren Liegenschaften. Daneben unterstützen wir Bürgerschaft, Unternehmen und Vereine mit Förderprogrammen zur rationellen Energieverwendung, zur Energieeffizienz, zur umweltfreundlichen Mobilität oder zum nachhaltigen Wassermanagement. Außerdem informieren wir zum nachhaltigen Konsum, setzen Anreize für das energieeffiziente Bauen und Sanieren oder zum nachhaltigen Wirtschaften, und beraten detailliert zu den Themen Energie und Klima.
Gesellschaftlicher Wandel beginnt mit den jungen Generationen. Als jüngste Stadt Deutschlands haben wir das Programm Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) an Schulen etabliert. BNE befähigt Kinder und Jugendliche, die komplexen Herausforderungen unserer Zeit zu verstehen und an ihrer Lösung mitzuwirken. Das Programm fördert ein tieferes Verständnis für ökologische, soziale und wirtschaftliche Zusammenhänge. Kinder und Jugendliche lernen, wie ihr Handeln die Umwelt und die Gesellschaft beeinflusst.
Vernetzte Städte: Herausforderungen des Klimawandels gemeinsam meistern
Die Herausforderungen des Klimawandels können wir nur gemeinsam lösen. Dazu braucht es starke Partnerschaften innerhalb der Stadtgesellschaft und mit anderen Kommunen auf nationaler und internationaler Ebene. Städte sind die Motoren des Wandels. Sie haben das Potenzial, umfassende Veränderungen eigenständig anzustoßen. Doch oft werden unsere Gestaltungsgrundlagen auf höheren Ebenen beschlossen, ohne zuvor in Entscheidungsprozessen gehört zu werden. Deshalb engagieren wir uns intensiv in Städtenetzwerken wie dem Deutschen Städtetag, den U7, C40, Energy Cities oder dem Global Covenant of Mayors for Climate and Energy.
Wie anfangs betont: Die Zeit drängt. Wir brauchen mehr als gute Beispiele. Es braucht einen Paradigmenwechsel in unserem Denken und Handeln. Für die anstehenden Maßnahmen brauchen wir die umfassende Unterstützung auf EU-, Landes- und Bundesebene – auch und besonders finanziell. Jeder Einzelne, jede Kommune, jedes Unternehmen kann einen Beitrag leisten. Gemeinsam können wir eine lebenswerte Zukunft gestalten und eine nachhaltige Welt für unsere Kinder und Enkel schaffen.
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