Klimaschutz in der Landwirtschaft erfordert eine globale Perspektive

Gastautor Portrait

Prof. Dr. Regina Birner

Agrarökonomin, Expertin für nachhaltige landwirtschaftliche Entwicklung

Prof. Dr. Regina Birner leitet seit 2010 den Lehrstuhl „Sozialer und institutioneller Wandel in der landwirtschaftlichen Entwicklung“ am Hans-Ruthenberg-Institut der Universität Hohenheim. In Forschung und Lehre befasst sie sich aus globaler Perspektive mit den Herausforderungen einer nachhaltigen landwirtschaftlichen Entwicklung. Sie verfügt über mehr als 25 Jahre Forschungserfahrung in Afrika, Asien und Lateinamerika und ist auch als Beraterin für internationale Organisationen wie die Weltbank und die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) tätig. Regina Birner hat an der TU-München-Weihenstephan Agrarwissenschaften studiert und an der Universität Göttingen promoviert und habilitiert. Seit 2012 ist sie Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Foto: Universität Hohenheim/Jan Winkler

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21. Oktober 2020
Foto: Prof. Dr. Regina Birner

Die Landwirtschaft ist vom Klimawandel besonders stark betroffen, denn sie ist weit mehr als andere Wirtschaftssektoren von der Witterung abhängig. Dies stellt die Landwirtschaft weltweit vor enorme Herausforderungen: Sie muss sich dem Klimawandel anpassen und gleichzeitig ihre Produktivität bis zum Jahr 2050 um etwa 60% steigern, um dann eine Weltbevölkerung von über 9,5 Milliarden Menschen ernähren zu können. Die Landwirtschaft trägt aber auch erheblich zum Klimawandel bei. Der Weltklimarat schätzt, dass auf globaler Ebene die Landwirtschaft, Forstwirtschaft und andere Landnutzungen für nahezu ein Viertel aller vom Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich sind. Wie kann sich die Landwirtschaft einerseits an den Klimawandel anpassen und andererseits zur Verringerung der Treibhausgas-Emissionen beitragen?

Klimawandel und Landwirtschaft global denken

Zweifellos ließen sich die Treibhausgas-Emissionen der deutschen Landwirtschaft erheblich reduzieren, wenn man die Tierhaltung in Deutschland einschränken würde.

Prof. Dr. Regina Birner

Klimawandel ist ein globales Problem, das nur durch eine solidarische Zusammenarbeit der internationalen Staatengemeinschaft gelöst werden kann. Die Vereinten Nationen bemühen sich schon seit der 1992 verabschiedeten Klima-Rahmenkonvention um eine globale Lösung. Ein Meilenstein ist das Pariser Klima-Abkommen, das 2015 abgeschlossen wurde. Es strebt eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf deutlich unter 2 Grad an. Dieses ambitionierte Ziel kann nur erreicht werden, wenn auch die Landwirtschaft ihren Beitrag dazu leistet. Dabei muss die Landwirtschaft aus globaler Perspektive betrachtet werden, denn sie ist durch Handelsbeziehungen global vernetzt. Verdeutlichen lässt sich das am Beispiel der Tierhaltung. Zweifellos ließen sich die Treibhausgas-Emissionen der deutschen Landwirtschaft erheblich reduzieren, wenn man die Tierhaltung in Deutschland einschränken würde. Schließlich ist sie für fast 40% der Treibhausgas-Emissionen der deutschen Landwirtschaft verantwortlich. Wenn sich aber der Konsum von tierischen Produkten wie Fleisch oder Käse in Deutschland nicht ändert, dann werden entsprechend mehr dieser Produkte importiert und für den Klimaschutz ist nichts erreicht.

Solche Verlagerungseffekte betreffen auch den Öko-Landbau. Diese Bewirtschaftungsform hat viele Vorteile, zum Beispiel im Hinblick auf den Insektenschutz und die Erhaltung der biologischen Vielfalt. In Bezug auf den Klimaschutz ist der Öko-Landbau dem konventionellen Landbau aber nicht überlegen. Das liegt vor allem daran, dass die Erträge im Öko-Landbau im Durchschnitt um mehr als 20% niedriger liegen als im konventionellen Landbau. Wenn sich die Konsumgewohnheiten nicht ändern, müsste als Folge einer Ausweitung des Ökolandbaus in Deutschland mehr Land in anderen Regionen der Welt bewirtschaftet werden. Für das Klima ist damit nichts gewonnen.

Verbraucher*innen haben eine Schlüsselrolle

Auch kommt es darauf an, es den Verbraucher*innen leichter zu machen, sich klimafreundlich zu ernähren.

Prof. Dr. Regina Birner

Aus diesen Überlegungen wird deutlich: Klimaschutz kann in der Landwirtschaft nur erreicht werden, wenn die Verbraucher*innen ihren Beitrag dazu leisten und sich „klimafreundlich“ ernähren. Auch hier stellt sich die Frage der globalen Gerechtigkeit. In Afrika liegt der Fleischkonsum unter 10 kg pro Kopf und Jahr. Dort ist eine Ausweitung des Konsums tierischer Lebensmittel zur Überwindung von Mangelernährung sinnvoll. In Deutschland liegt der Fleischverbrauch mit etwa 60 kg pro Kopf und Jahr deutlich über der Menge, die für eine gesunde Ernährung empfohlen wird.

Eine Reduktion des Fleischkonsums in Deutschland hätte daher sowohl für das Klima als auch für die Gesundheit positive Auswirkungen. Auch kommt es darauf an, es den Verbraucher*innen leichter zu machen, sich klimafreundlich zu ernähren. Klima-Label auf Nahrungsmitteln können dabei eine wichtige Rolle spielen. Auch Smartphone Apps haben ein großes Potenzial, die Verbraucher*innen bei der Wahl klimafreundlich erzeugter Lebensmittel zu unterstützen.

In der landwirtschaftlichen Produktion an den großen Stellschrauben drehen

Die Verantwortung für den Klimaschutz in der Landwirtschaft liegt natürlich nicht allein bei den Verbraucher*innen. Global betrachtet hat die Landwirtschaft hat ein gewaltiges ungenutztes Potenzial, den Klima-Fußabdruck der Nahrungsmittel durch nachhaltigere Produktionsmethoden und durch Innovationen zu senken. In Regionen der Welt mit intensiver Landnutzung und hohen Erträgen, wozu auch Deutschland zählt, gibt es zwei große Stellschrauben für den Klimaschutz im Pflanzenbau: die Moorböden schützen und die Emissionen beim Einsatz von Stickstoff-Düngern verringern. Die Proteste der Bauern gegen die Düngeverordnung im Frühjahr 2020 zeigen, dass es hohe politische Hürden gibt, diese Ziele zu erreichen.

Klima-smarte landwirtschaftliche Entwicklung im globalen Süden fördern

In den Regionen der Welt, in denen die landwirtschaftlichen Erträge niedrig, kommt es auf eine „klima-smarte“ landwirtschaftliche Entwicklung an, die auf drei Prinzipien beruht: die Produktion nachhaltig steigern, die Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel fördern und soweit möglich, die Treibhausgas-Emissionen der Landwirtschaft zu verringern.

In vielen Regionen Afrikas liegen die Getreideerträge im Durchschnitt bei einer Tonne je Hektar, obwohl mit klima-smarten Methoden, z.B. einer konservierenden Bodenbearbeitung in Verbindung mit verbesserten Sorten und angemessener Düngung die drei- bis vierfache Menge geerntet werden könnte. Ein anderes Beispiel für klima-smarte Landwirtschaft ist die Integration von Obstbäumen als Schattenbäumen in Kaffee-Plantagen: Sie spenden Schatten für die Kaffeepflanzen, tragen zur Speicherung von Kohlenstoff bei und liefern hochwertige Nahrungsmittel.

Das Potenzial von Innovationen nutzen

Die enorme Herausforderung, vor der die globale Landwirtschaft steht, kann nur gemeistert werden, wenn das Potenzial von Innovationen konsequent genutzt wird. Besonders vielversprechend ist die „digitale Revolution“. Sie ermöglicht eine Präzisionslandwirtschaft, bei der Satellitendaten, Sensoren, Computer-basierte Modelle und moderne Steuerungstechniken genutzt werden, um zum Beispiel den Einsatz von Düngemitteln optimal an Unterschiede im Ertragspotenzial innerhalb eines Feldes anzupassen. Auch kleinbäuerliche Betriebe in Entwicklungsländern nutzen schon heute die Vorteile der Digitalisierung, wenn sie z.B. mit der Plattform „iCow“ Tipps auf ihr Handy für die landwirtschaftliche Produktion erhalten. Daher gibt es gute Gründe, trotz der großen Herausforderungen mit Zuversicht in die Zukunft zu blicken.

Interessiert am nächsten Debatten-Abend?

Unseren Debatten-Abend mit dem Thema „Landwirtschaft – Verursacher, Opfer oder Klimaschützer?“ können Sie am 22. Oktober 2020 ab 19:00 Uhr bis 20:15 Uhr online über den Livestream verfolgen. Am Livestream haben Sie zusätzlich die Möglichkeit, den Expertinnen und Experten online per Chat Fragen zu stellen.

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