Keine Energiewende ohne Wärmewende

Gastautor Portrait

Dr. Matthias Hensel

BDI

Der Vorsitzende der BDI-Initiative „Energieeffiziente Gebäude“ und des Unterausschusses „Energieeffizienz bei Gebäuden“ führt seit 2004 die Geschäfte der LUWOGE GmbH, einem Wohnungsunternehmen der BASF. Der Diplom Volkswirt trat nach Tätigkeiten an den Universitäten in Mainz und Hohenheim bereits 1988 in die Dienste des Chemiekonzerns ein.

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12. September 2014

Das verkannte Potenzial des Gebäudebestand
Auch wenn Politik und Öffentlichkeit im Hinblick auf die Umsetzung der Energiewende immer noch fast ausschließlich über die Ausgestaltung der Energieerzeugung und –verteilung diskutieren, rückt langsam aber sicher der Fokus auch stärker auf den Gebäudesektor.
Angesichts eines Energieverbrauchsanteils in Höhe von 40 % wird deutlich, dass in diesem Bereich enorme Einsparpotenziale liegen. Dies gilt erst recht, wenn man sich vor Augen führt, dass die technischen Lösungen zur Dekarbonisierung des Gebäudebereichs bereits heute auf dem Tisch liegen. Klar ist jedoch: Erreichen wir die ambitionierten Ziele im Gebäudesektor nicht, so wird das Großprojekt Energiewende nicht erfolgreich umsetzbar sein.
Zentraler Bestandteil des Gebäudebestands in Deutschland und der EU sind neben den klassischen Wohngebäuden vor allem auch Nichtwohngebäude, die aufgrund ihrer Größe, ihres Zustands sowie der jeweiligen Nutzung oftmals enorme Energieeffizienzpotenziale aufweisen. Obwohl der Anteil dieser im Regelfall deutlich größeren Gebäude – von der Grundschule bis zum Flughafenterminal – bei nur knapp 10 Prozent liegt, vereinen sie über ein Drittel des Gebäudeenergiebedarfs und sind damit für einen großen Anteil an Treibhausgasemissionen verantwortlich. Dieses Beispiel macht deutlich, dass im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes alle Bereiche des Gebäudesektors gleichberechtigt einbezogen werden müssen.  Haus

Leider neigt die Politik nach öffentlichkeitswirksamen Allheilmitteln zur Lösung von Problemen zu suchen. Gerade im Bereich der Gebäudeenergieeffizienz ist dies jedoch nicht möglich. Für alle Gebäudetypen müssen passgenau die richtigen Instrumente zur Verfügung gestellt werden. Große Gebäude müssen anders behandelt werden als kleine, Wohngebäude oftmals anders als Nichtwohngebäude, stadtbildprägende Altbauten anders, als „70er-Jahre-Gebäude“. Der Gebäudebereich ist kleinteilig, er benötigt langfristige Sicherheit und Planbarkeit für Investoren genauso dringend wie eine attraktive Förderkulisse.
Anders wird das Ziel nicht erreichbar sein: Die flächendeckende energetische Optimierung des gesamten Gebäudebestands. Gelingt uns dies jedoch, so wird damit der Grundstein zur Umsetzung der gesamten Energiewende gelegt.  

Bei einer Verwirklichung folgender vier Kernforderungen könnte es gelingen, die Energiewende im Wärmemarkt in Fahrt zu bringen und deutschen Unternehmen neue Märkte zu eröffnen:  

1.      Förderpolitik: Langfristig angelegtes und verlässliches Anreizsystem
Zur Auslösung einer Sanierungswelle ist kurzfristig vor allem ein attraktives steuerliches Anreizsystem notwendig. Allein mit den bisher bereitgestellten Mitteln und Förderinstrumenten wird es nicht gelingen, den erforderlichen Impuls in den Gebäudesektor zu tragen. Dies haben die Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt. Erforderlich ist ein „Dreiklang der Förderung“, bestehend aus den erfolgreichen Förderprogrammen der KfW, der Förderung durch das Marktanreizprogramm (MAP) ergänzt durch die Förderung für Projektentwickler sowie eines neu zu schaffenden steuerlichen Anreizsystems. 

2.      Ordnungspolitik: Zuverlässige und planbare rechtliche Rahmenbedingungen
Private Gebäudeeigentümer müssen in der Entscheidung zur energetischen Sanierung wie auch in der Wahl der Technologien und Energieträger frei sein. Es darf keinerlei Bevorzugung oder Benachteiligung spezieller technologischer Lösungen bzw. Energieträger geben.

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3.      Ganzheitlicher Ansatz
Zu einem ganzheitlichen Ansatz gehört auch, neben den Wohngebäuden die wichtige Gruppe der Nichtwohngebäude stärker in den Fokus zu rücken. Sie stellen damit neben den Wohngebäuden die zweite wichtige – vielfach vernachlässigte – Säule dar.
Auch der Ersatzneubau kann unter Umständen sinnvoll sein und sollte daher in diesen Fällen der energetischen Sanierung eines Bestandsgebäudes gleichgestellt werden. 

4.      Nachhaltig wirkende Marktinstrumente
Eine qualifizierte Energieberatung ist der Schlüssel zu mehr energetischer Gebäudesanierung. Für eine staatlich geförderte Energieberatung sollten Mindestanforderungen an den Prozess und den Leistungsumfang wie auch einfache Maßnahmen der Qualitätssicherung eingeführt werden.
Der Markt für Gebäudeenergieeffizienz braucht innovative Energiedienstleistungen – beispielsweise Energiecontracting. Die Politik muss die Entwicklung und Markteinführung solcher Dienstleistungen unterstützen und vorantreiben.
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Redaktionelle Hinweise
BDI-Initiative Energieeffiziente Gebäude
BDI-Energieeffizienzkongress am 13. Oktober 2014
Die Energiewende als Effizienzwende
Wissenschaftler fordern Wärmewende

Diskutieren Sie mit

  1. Windmüller

    vor 10 Jahren

    Herr Hensel hat in seinem Beitrag recht. Ich verstehe auch nicht, warum man in Deutschland solche Probleme mit energetischer Sanierung hat. Ich habe mein Haus vor 15 Jahren mit Solarkollektoren zur solaren Warmwasserbereitung und Heizungsunterstützung ausgestattet. Vor 9 Jahren habe ich das Dach mit Flachs gedämmt, in diesem Frühjahr ist die Fassade gedämmt worden. Da ich neben dem Gasbrennwertgerät mit Holz heize ( Vergaserkessel im Keller ), brauchte ich in den letzten 12 Monaten 85 Kubikmeter Gas. Und der Wohnkomfort steigt in einem gedämmten haus auch schlagartig.

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