Interview mit Özden Terli: „Die Meteorologie ist nicht Schuld am Klimawandel“

weiterlesen
Wetter und Wolken

Der 23. März ist 2025 der dritte Tag des astronomischen Frühlings – und zugleich der Welttag der Meteorologie. Er erinnert an die Gründung der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) in Genf im Jahr 1950. Welche Rolle das Fach im Kampf gegen die Erderwärmung spielt, darüber haben wir mit Özden Terli gesprochen, der durch seine Arbeit als Meteorologe und Wettermoderator des ZDF bekannt ist.  

Gletscher schmelzen, die globalen Temperaturen steigen – hat sich die Rolle der Meteorologie angesichts der menschengemachten Klimawandels geändert? 

Früher haben eher die Wettervorhersagen das Bild der Meteorologie in der Öffentlichkeit geprägt. Heute ist immer häufiger vom Klima die Rede, also der langfristigen Entwicklung des Wetters. Diese Unterscheidung ist aber irreführend, da Wetter und Klima untrennbar miteinander verbunden sind. 

 

Meteorologie ist nichts anderes als die Physik der Atmosphäre.

Özden Terli

Weshalb? Klimaskeptiker behaupten doch schon nach ein paar verregneten Tagen im Sommer, dass der Klimawandel ein Fake sei. Ist es da nicht wichtig zu betonen, dass Klima nicht gleich Wetter ist? 

Meteorologie ist nichts anderes als die Physik der Atmosphäre. Schon während meines Studiums in Berlin hat die Klimatologie einen breiten Raum eingenommen. Wenn sich die Einflussgrößen des Klimas ändern, und die globale Durchschnittstemperatur steigt, dann wirkt sich das auf vielfältige Weise auf das Wetter aus.    

Die Warnungen vor dem Klimawandel verhallen oft ungehört.

Aber was ist mit den Klimaskeptikern? 

Ich glaube mittlerweile, es ist sinnlos, mit dieser Gruppe zu diskutieren. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es sich oft um gebildete Menschen handelt, die aber, aus welchen Gründen auch immer, nicht verstehen wollen. Diskussionen mit ihnen kosten enorm viel Zeit – und die haben wir nicht mehr, denn die globale Erhitzung schreitet immer schneller voran.  

Keine guten Voraussetzungen für langwierige Überzeugungsarbeit.

Nein, denn die Zusammenhänge sind sehr komplex. Nehmen wir die Mittelmeerregion. Wenn es dort wärmer wird, steigt die Temperatur des Wassers, dadurch verdampft mehr Feuchtigkeit, die über große Entfernungen transportiert wird und zu Extremwetter führen kann. Darüber hinaus verändern sich auch die Strömungen der Ozeane und die Bewegungen der Luftschichten. All das beeinflusst die Parameter in der Atmosphäre – und damit das Wetter.  

Wie wirken sich diese Herausforderungen auf die Meteorologie als Wissenschaft aus?

Wenn Regenmengen, die früher innerhalb eines Jahres heruntergekommen sind, heute an nur einem Tag niedergehen, dann muss sich die Forschung mit diesen Veränderungen auseinandersetzen. Gleiches gilt für Tiefdruckgebiete, die verstärkt von Norden nach Süden und umgekehrt ziehen. Normalerweise ist die Zugrichtung von West nach Ost. 

Die Warnungen vor dem Klimawandel verhallen oft ungehört. Erklärt Ihre Zunft diese Zusammenhänge verständlich genug?

Ich warne davor, der Meteorologie die Schuld dafür zu geben, dass auf politischer und gesellschaftlicher Ebene zu wenig passiert. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler warnen seit Jahrzehnten vor den Folgen der globalen Erhitzung und viele Kolleginnen und Kollegen setzen sich mit all ihrer Kraft dafür ein, die Problematik verständlich darzustellen. Doch ihrem Engagement sind auch Grenzen gesetzt. Evidenzbasierte Wissenschaft muss sich auf Fakten konzentrieren, ohne eine politische Agenda zu verfolgen – sonst verliert sie ihre Glaubwürdigkeit.  

Wie wichtig ist die internationale Zusammenarbeit in der Meteorologie angesichts des Klimawandels?

Auf Ebene der WMO tauschen die zuständigen Behörden der Länder Daten und Wissen aus. Das machen sie meines Erachtens auch sehr gut. Und so lange sich die einzelnen Länder nicht voneinander abschotten, wird das weitergehen.  

Angesichts der akuten Krisen in der Welt ist es in den vergangenen Monaten still geworden um die internationalen Bemühungen in Sachen Klimaschutz. Auch im deutschen Wahlkampf spielte das Thema kaum eine Rolle. Für wie gefährlich halten Sie diese Entwicklung?

Warum der Klimaschutz im Wahlkampf keine Rolle gespielt hat –ich verstehe es nicht. Alle, die sich auch nur halbwegs mit der Materie beschäftigen, müssten wissen, dass Klimaschutz ein extrem wichtiges Querschnittsthema ist. Es haben ja 2015 alle Staaten das Pariser Abkommen unterschrieben und 2024 war das erste Jahr, in dem die dort gesetzte Marke von 1,5 Grad Temperaturanstieg überschritten wurde.  

Sie versuchen als Meteorologe und Journalist seit langem die Folgen des Klimawandels zu erklären. Frustriert es Sie, das so wenig passiert?

Mittlerweile fällt es mir tatsächlich schwer, das zu verarbeiten. Regierungen wie die der USA kürzen die Mittel für die Klimaforschung. Es gibt Hinweise, dass jahrzehntelange meteorologische Messreihen, die für die Wissenschaft extrem wertvoll sind, nun beendet werden. Ich sehe gerade in der Politik eine zunehmende Ignoranz gegenüber den Erkenntnissen der Klimaforschung. Es herrscht die fatale Annahme, dass es schon irgendwie gut gehen wird. Aber es wird nicht gut gehen. Die Folgen der Erhitzung werden sich verschärfen, und wir werden sie immer stärker spüren. Leider kann man es nicht anders sagen: Die politischen Fehlentscheidungen von heute werden in Zukunft viele Menschenleben kosten.   

Vielen Dank Herr Terli für das Gespräch

Özden Terli

Meteorologe und ZDF-Wettermoderator

Klimawandel und Meteorologie

Özden Terli (geboren 1971 in Köln) verfasste bereits während seines Meteorologiestudiums Wetterberichte für Fernsehen, Zeitung, Radio und Internet. Input für seine kreativen Wettersendungen holte er sich unter anderem bei seiner Diplomarbeit am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung. Dem breiten Publikum wurde er ab 2009 als Moderator für wetter.com bekannt. Seit 2013 präsentiert er als Mitglied der Wetterredaktion des ZDF die Wetterberichte im „ZDF-Mittagsmagazin“, dem „heute-journal“ und in den ZDF-„heute“-Nachrichten und schreibt Artikel für heute.de mit Schwerpunkt Wetter und Klima. Insbesondere die Veränderungen im Klimasystem, die auf das Wetter wirken und seine Arbeit beeinflussen thematisiert Terli in regelmäßigen Abständen. 2021 wurde er mit dem Umweltmedienpreis der „Deutschen Umwelthilfe“ ausgezeichnet, 2022 erhielt er einen der Preise „Journalist des Jahres“ im Bereich Wissenschaft als auch eine Grimme-Nominierung in der Kategorie „Journalistische Leistungen“. 2025 folgte eine zweite Nominierung für den Grimme-Preis in der gleichen Kategorie. 

Diskutieren Sie mit

Ich akzeptiere die Kommentarrichtlinien sowie die Datenschutzbestimmungen* *Pflichtfelder

Artikel bewerten und teilen

Interview mit Özden Terli: „Die Meteorologie ist nicht Schuld am Klimawandel“
0
0