Interview mit Daniela Antoni: „Oft werden Bäume so stark verstümmelt, dass sie Schaden nehmen.“

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Redaktion

Stiftung Energie & Klimaschutz
25. April 2025

Zum Tag des Baumes erklärt die Baumsachverständige Daniela Antoni, wie Stadtbäume durch falschen Schnitt zerstört werden. Dabei schützen sie die Menschen vor den Folgen des Klimawandels.

Sie sind Baumsachverständige. Klingt ungewöhnlich. Warum haben Sie diesen Beruf ergriffen?

Noch immer nehmen wir der Natur in Deutschland jeden Tag 60 Hektar weg. Darunter leiden auch die Bäume.

Daniela Antoni

Bäume waren immer meine Leidenschaft. Als wir in der vierten Klasse mal ein Gedicht verfassen sollten, habe ich schon etwas über Bäume geschrieben. In der Pubertät habe ich viel über die Abholzung des Regenwaldes gelesen und deshalb später angefangen, Forstwissenschaften zu studieren. Waldökologie hat mich besonders interessiert. Nach der Uni konnte ich in einem Sachverständigenbüro für Stadtbäume anfangen. Ein Glücksfall, weil es davon nicht viele gibt.

Die Zahl der Stadtbäume in Deutschland ist seit Jahren insgesamt rückläufig. Was macht ihnen am meisten zu schaffen?

Wichtigste Ursache sind die Folgen des Klimawandels. Extreme Wetterereignisse wie Trockenheit, Stürme und Hitze schaden den Bäumen. In vielen Fällen sind sie so geschwächt, dass pathogene Pilze leichtes Spiel haben und sie mit Krankheiten infizieren. Hinzu kommt der wachsende Flächenverbrauch. Noch immer nehmen wir der Natur in Deutschland jeden Tag 60 Hektar weg. Darunter leiden auch die Bäume.

Aber müssen gefällte Bäume nicht als Ausgleichsmaßnahme nachgepflanzt werden?

Ja, aber das ist in vielen Fällen eine Milchmädchenrechnung. Um einen 100 Jahre alten Baum und seine Rolle im Ökosystem zu ersetzen, muss man etwa 300 Bäume nachpflanzen. Das geschieht praktisch nie. Die meisten Städte sehen ein bis fünf Bäume aus Ausgleichspflanzung vor.

Welche Funktionen erfüllen Bäume in unseren Städten?

Sie speichern klimaschädliches CO2 und erzeugen Sauerstoff. Außerdem spenden sie Schatten und kühlen unsere überhitzten Städte. Alte Bäume können das dank ihrer Masse viel besser als junge. Sie haben darüber hinaus viel mehr Höhlen und Risse, die Platz für Vögel, Fledermäuse, Insekten oder Moose und Flechten bieten. Außerdem sind alte Bäume widerstandsfähiger gegenüber Krankheiten. Die Sterblichkeitsrate junger Bäume ist viel höher. Rund ein Drittel überleben die ersten zwei Jahre nicht. An manchen Stellen stirbt sogar die Hälfte aller Neupflanzungen wieder ab.

Wie lässt sich der Baumbestand in den Städten besser schützen?

Die wenigsten Bäume brauchen tatsächlich einen Schnitt und wenn doch, dann genügen oft kleine Eingriffe.

Daniela Antoni

Baumschutzsatzungen können ein geeignetes Mittel sein. Darin legen Kommunen fest, welche Bäume auf welche Weise geschützt sind. Kriterien sind unter anderem der Stammdurchmesser oder die Baumart. Während es in den großen Städten meist solche Satzungen gibt, fehlen sie oftmals in kleineren Gemeinden. Auch einige Großstädte verzichten auf Baumschutzsatzungen, weil sie nicht in die Eigentumsrechte der Grundstücksbesitzer eingreifen wollen. Dieser Flickenteppich macht den Baumschutz schwierig. Was wir brauchen, sind bundeseinheitliche Regeln.

Gerade im Frühjahr sieht man in deutschen Städten häufig, wie Bäume geschnitten werden. Ist das nützlich?

Die wenigsten Bäume brauchen tatsächlich einen Schnitt und wenn doch, dann genügen oft kleine Eingriffe.

Aber das passiert nicht?

Nein, oft werden Bäume so stark verstümmelt, dass sie Schaden nehmen und wir sie lange vor Ende ihrer natürlichen Lebenszeit verlieren.

Woran liegt das?

Den Mitarbeitenden fehlt oft das Wissen. Kommunen schreiben die Aufträge zur Baumpflege aus, private Firmen bewerben sich. Den Zuschlag erhält in der Regel der billigste Anbieter. Das ist aber nicht unbedingt der beste.

Was ist die Folge?

Durch einen drastischen Schritt wird der Baum zum Beispiel seiner Krone beraubt – was folgt ist eine Art Panikreaktion. Der Baum treibt nach vielen unterschiedlichen Richtungen aus. Diese empfindlichen Nottriebe können die Krone aber nicht ersetzen und sie knicken bei Sturm leicht ab.

Wie lässt sich herausfinden, ob ein Baum geschnitten werden muss?

Fachleute erkennen das. Manchmal reicht es, einen Ast zu kürzen, der ungünstig wächst. Solche kleinen Schnitte sind nicht nur besser für den Baum, sondern auch für die kommunalen Kassen. Ein Radikalschnitt ist immer teurer und wenn der Baum später entnommen werden muss, fallen weitere erhebliche Kosten an.

Warum neigen Kommunen und Gartenbesitzer dazu, Bäume im Zweifelsfall zu fällen?

Ein häufiges Motiv ist Angst. Denn Baumbesitzer unterliegen der sogenannten Verkehrssicherungspflicht. Das bedeutet, sie können haftbar gemacht werden, wenn der Baum umstürzt und Schäden verursacht. Das passiert in Städten allerdings sehr selten und lässt sich durch regelmäßige und sachgemäße Kontrolle verhindern.

Werden Bäume denn nicht regelmäßig kontrolliert?

Doch, aber das Personal ist oft nicht qualifiziert – auch, weil keine geregelte Ausbildung existiert. Nur wenige haben studiert, viele müssen sich das Wissen in Fachvorträgen und Tagesseminaren aneignen. Im Zweifelsfall lässt ein Kontrolleur den Baum dann lieber fällen, bevor er das Risiko eingeht, sich haftbar zu machen. Mehr Sachverstand würde die Situation also erheblich verbessern.

Vielen Dank für das Gespräch!

Daniela Antoni

Sachverständige für Bäume

Daniela Antoni ist studierte Waldökologin und Forstwissenschaftlerin. Sie arbeitet als zertifizierte Baumkontrolleurin und Sachverständige für Stadtbäume. Sie ist Autorin des Bestimmungsfächers „Pilze an Stadtbäumen“ und klärt darüber auf, vor welchen Herausforderungen Stadtbäume angesichts des Klimawandels stehen. Mit ihrer Initiative Habitatbaum setzt sie sich für Artenvielfalt durch den Erhalt alter Bäume ein.

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