Prof. Eicke Weber: Energiewende ist Industriepolitik

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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23. Januar 2016
Stiftung Energie und Klimaschutz, Energiewende

Die Stiftung Energie & Klimaschutz lädt ein zum Debattenabend. Einer der Diskutanten wird Prof. Dr. Eicke Weber, ein Solarforscher von Weltruf, sein. Der Energiewendeblog hatte die Gelegenheit, mit Prof. Weber über seine persönliche Sicht auf das Energiewendejahr 2016 zu sprechen. Dabei kam nicht nur die Energie- und Klimapolitik zur Sprache, sondern auch die Industriepolitik.

DEZ-Blog: In diesem Jahr stehen unter anderem das Strommarktdesign und die erneute Novellierung des EEG mit der geplanten Ausschreibungspflicht auf der energiepolitischen Agenda der Bundesregierung. Was erwarten Sie, neue Impulse oder Bremsklötze für die Energiewende?

Prof. Weber: Ich erwarte weder Bremsklötze noch Impulse, sondern eine Fortsetzung der bisherigen unzureichenden Politik. Etwas über 1 Gigawatt neu installierter Fotovoltaik-Leistung in 2015 – das ist auch industriepolitisch viel zu wenig. Die Umsätze in der Weltwirtschaft 2015 lagen in der Automobilindustrie bei 800 Mrd. $, bei der Erneuerbaren Energien bei 330 Mrd. Euro mit stark steigender Tendenz. In Deutschland dreht sich die Wirtschaftspolitik rund ums Auto. Wir laufen so Gefahr, die Zukunft zu verschlafen.

Große Fehler: Berechnung der EEG-Umlage und Eigenverbauchsabgabe

DEZ-Blog: Brauchen wir Änderungen bei der Gestaltung der Energiewende?

Prof. Weber: Ja, unbedingt, wir haben mit den augenblicklichen Regelungen den PV Markt in Deutschland praktisch zum Erliegen gebracht! Große Fehler waren im Jahr 2009 die Umstellung auf einen Zwangsverkauf des eingespeisten erneuerbaren Stroms über die Strombörse, der dort die Preise in den Keller und damit die EEG-Abgabe in die Höhe trieb, sowie die große Ausweitung der Befreiung von der EEG-Umlage.  Im letzten Jahr kam dazu noch der Fauxpas der Eigenverbrauchsabgabe von 2ct/kWh, ein großer Fehler, weil damit die Technologie direkt von der Phase der Förderung in eine Phase der regulativen Belastung überführt wurde.

Daher ist es kein Wunder dass der deutsche PV Markt praktisch zum Erliegen gekommen ist: Vom 60 GW/a Weltmarkt 2016 erwarten wir nur noch ca. 1 GW/a Zubau in Deutschland! Bei diesem geringen Zubau bringt die Eigenverbrauchsabgabe nur noch max. € 20 Mio in den € 25 Mrd Topf der EEG-Umlage, ein Tropfen in diesen großen Topf! Ersatzlose Sterichung würde nichts an der EEG Umlage ändern, gäbe aber dem PV Markt in Deutschland ein Zeichen, dass die Bundesregierung den Zubau der PV – entsprechend dem selbst definierten Korridor von 2-2,5 GW/a – weiter im Fokus hat. Eine Abgabe in Höhe von nur 0,5 Cent oder 1 Cent pro Kilowattstunde auf den bisher von der Umlage befreiten Strom garantierte nicht mehr steigende, sondern bald fallende EEG-Umlagen.  Dies wäre für alle gerechter und würde bei der Industrie nur einen kleinen Teil der Windfall-Profits  abschöpfen, die sie durch die geringen Preise an der Strombörse genießt.

Europa braucht aktive Industriepolitik

DEZ Blog: Nicht erst seit dem Pariser Klimagipfel: Die Energiewende nimmt weltweit an Beschleunigung zu, in Deutschland wird sie langsamer. In Deutschland haben wir fast die gesamte PV-Industrie verloren. Was läuft da falsch?

Prof. Weber: Wir sollten uns in Europa insgesamt fragen, ob wir für den Wettbewerb mitSolar, Industriepolitik autoritär geführten Staaten die richtige Wirtschaftspolitik machen. Chinas Solarindustrie bekam keine direkten Subventionen vom Staat, sondern Bürgschaften, die die Kredite billig machten. In Europa wäre das aus Wettbewerbsgründen verboten. Europa macht Regionalpolitik, keine aktive Industriepolitik. Wenn wir im internationalen Wettbewerb bei der Entwicklung von Technologien bestehen wollen, müssen wir auch industriepolitisch Akzente setzen.
Noch ist Deutschland Technologieführer in der Fotovoltaik. Weil aber bei uns kein nennenswerter Absatz mehr da ist, werden wir nicht vom Wachstum des PV-Marktes profitieren, der von derzeit 60 GW auf 100 GW neu installierter Leistung in 2020 zulegen wird.

DEZ-Blog: Sie sehen also skeptisch ins Jahr 2016?

Prof. Weber: Ganz und gar nicht. Die Erneuerbaren Energien werden auch in 2016 rasant zulegen. Skeptisch bin ich in Bezug auf Deutschland. Wir sind im Begriff, große Chancen zu verspielen:  In der Klima- und Umweltpolitik aber auch in der Industriepolitik.

DEZ-Blog: Vielen Dank für das Gespräch.

(Update 25.01: Dies ist eine aktualisierte Fassung. Die vorherige Wiedergabe des Gesprächs enthielt einen Rechenfehler und darauf abbauend, einen so nicht haltbaren Finanzierungsvorschlag. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.)

Zur Person: Prof. Dr. Eicke R. Weber ist Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg und Inhaber des Lehrstuhls für Physik / Solarenergie an der Fakultät für Mathematik und Physik und an der Technischen Fakultät der dortigen Albert-Ludwigs-Universität. Das Fraunhofer ISE ist das größte Solarforschungsinstitut Europas.
Prof. Weber beschäftigte sich als Materialforscher vorwiegend mit Defekten in Silicium und III-V-Halbleitern und ist in den letzten Jahren besonders auch an der Frage interessiert, wie sich aus Silicium ohne Chlorchemie (‚upgraded metallurgical oder umg-Si’) gute Solarzellen herstellen lassen. Mehr auf Seiten des Fraunhofer Institutes.

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Der Debattenabend „Energiepolitischer Ausblick“ findet statt am:

Mittwoch, 10. Februar 2016 um 18:00 Uhr

BW-Bank, Kleiner Schlossplatz 11, 70173 Stuttgart

Es referieren und diskutieren:

  • Thomas Bareiß, MdB, Energiebeauftragter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
  • Prof. Dr. Eicke R. Weber, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE, Präsiden der Association of European Renewable Energy Research Centres EUREC, Mitglied im Scientific Board der Energy Watch Group
  • Tilman Schwencke, Geschäftsbereichsleiter Strategie und Politik BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.
  • Dr. Hans-Josef Zimmer, Mitglied des Vorstands der Energie Baden-Württemberg AG

Ihre persönliche Einladung

Für unsere Leser steht ein kleines Kontingent an kostenlosen Eintrittskarten bereit. Bitte melden Sie sich mit dem Stichwort „Energiewendeblog“ unter Angabe Ihres Namens und Ihrer Adresse an über energieundklimaschutzBW@enbw.com.

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  1. Windmüller

    vor 8 Jahren

    Ja mei - ist denn jetzt schon Fasching ?? Professor Eicke Weber möchte bei der Landtagswahl in Baden Württemberg für die FDP in den Landtag einziehen. Da fordert er blaues Wachstum, und fordert, dass die Wirtschaft höhere Strompreise zahlt, und der Bürger entlastet wird. Das sind ja unglaubliche Töne aus dem FDP Fanblock. Aber wie sagt Franz Alt immer so süffisant: Wenn man den Fortschritt schon nicht aufhalten kann, dann will man doch wenigstens an der Spitze des Fortschritt marschieren.

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