Hintergrundpapier: Ohne schnelle Reform wird der Emissionshandel scheitern

Gastautor Portrait

Christiane Schatzmann

EnBW Energie Baden-Württemberg AG

Christiane Schatzmann-Felden studierte Politikwissenschaften in Bonn und absolvierte danach ein Zeitungsvolontariat. Anschließend arbeitete sie u.a. als Pressereferentin im Bundesministerium für Verkehr und als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundestag. Seit 2001 kümmert sie sich in der Berliner Hauptstadtrepräsentanz der EnBW als Projektleiterin um Kommunikationsformen rund um die Energiepolitik.

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18. Februar 2015

Emissionshandel-Agora„Ohne eine schnell wirkende Reform ist der Emissionshandel als Instrument der europäischen Klimapolitik tot. Nur die schnelle Einführung einer Marktstabilitätsreserve kann die CO2-Preise mittelfristig stützen. Das 40-Prozent-Klimaschutzziel in Deutschland kann allerdings nur durch zusätzliche Klimaschutzinstrumente bis 2020 erreicht werden“ – so lautet das Fazit, welches in einem Hintergrundpapier zum Emissionshandel von „Agora Energiewende“ gezogen wird.

Der Emissionshandel, von den EU-Staaten im Jahr 2005 eingeführt, sollte das zentrale europäische Instrument für den Klimaschutz sein. Allerdings leidet der Markt seit Jahren unter einem großen Zertifikateüberschuss mit der Folge sehr niedriger CO2-Preise. Um den Emissionshandel zu retten, wird der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments am 24. Februar 2015 über eine Reform des Zertifikatehandels abstimmen. Diese aktuellen Vorschläge beleuchtet und bewertet „Agora Energiewende“ in einem Hintergrundpapier mit dem Titel „Die Rolle des Emissionshandels in der Energiewende – Perspektiven und Grenzen der aktuellen Reformvorschläge“.

In dem Papier wird zunächst die Entwicklung des EU-Emissionshandels von 2005 bis heute kurz dargestellt. Es werden die Gründe und die Höhe des aktuellen Zertifikate-Überschusses erläutert. Zudem wird ein Überblick über die in verschiedenen Szenarien zu erwartenden Überschüsse bis 2030 gegeben. Weiterhin werden die Reformvorschläge zur sogenannten Marktstabilitätsreserve in ihren Wirkungen abgeschätzt, sowie die Rolle des Emissionshandels für die Energiewende und die Frage ergänzender nationaler Maßnahmen diskutiert.

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Die Autoren kommen zu folgenden Schlussfolgerungen:

  • Ohne eine schnell wirkende Reform ist der Emissionshandel als Instrument der europäischen Klimapolitik tot. Derzeit hat der EU-Emissionshandel einen strukturellen Überschuss von 2,5 Mrd. Zertifikaten, der bis 2020 auf 3,8 Milliarden noch weiter anwächst und ohne Reform auch 2030 noch bei 3,4 Mrd. Zertifikaten liegen wird. Erfolgt keine strukturelle Reform, bleibt der CO2-Preis damit dauerhaft unter 5 Euro/t CO2. In einem solchen Szenario wären die CO2-Emissionen mit und ohne Emissionshandel gleich hoch, das Instrument insofern überflüssig.
  • Bei den 2015 anstehenden Entscheidungen in der EU über die Marktstabilitätsreserve ist die Ausgestaltung entscheidend. Die vorgeschlagene Weiterentwicklung des Emissionshandelssystems in Richtung eines flexiblen Marktmengen-Mechanismus (Preis-Mengen-Steuerung statt reine ex-ante-Mengensteuerung) birgt die Chance, das Emissionshandelssystem zu retten. Wenn die Marktstabilitätsreserve ab 2017 eingeführt wird und die Backloading-Zertifikate in sie überführt werden, können die Überschüsse bis etwa 2027 soweit reduziert werden, so dass sich der CO2-Preis etwa ab 2022 langsam wieder erholt.
  • Mindestens bis 2020 ist jedoch eine Ergänzung des Emissionshandels durch nationale Instrumente notwendig. Selbst wenn die Marktstabilitätsreserve in einer ehrgeizigen Ausgestaltung beschlossen wird, würde sie bis 2020 nur geringe CO2-Preiseffekte entfalten. Daher ist zur Erreichung des deutschen Klimaschutzziels 2020 analog zum britischen Carbon Support Mechanism eine – wie auch immer ausgestaltete – ergänzende nationale Maßnahme nötig, um das deutsche Klimaschutzziel einer Reduktion der Treibhausgasemissionen um 40 Prozent bis 2020 zu erreichen. Der positive Effekt der Marktstabilitätsreserve in diesem Kontext ist es, dass nationale Klimaschutz-Maßnahmen im Emissionshandelssektor nun nicht mehr die Emissionen anderswo in Europa, sondern lediglich den Umfang der Reserve erhöhen.
  • Ein Review-Mechanismus der Marktstabilitätsreserve mit Blick auf unvorhergesehene Entwicklungen (z.B. im Bereich der Stromnachfrage) ist dringend erforderlich. Während die EU-Kommission bei der Berechnung der Marktstabilitätsreserve von kontinuierlichem Wachstum und steigendem Stromverbrauch ausging, ist dies derzeit nicht absehbar. Auch andere Trends könnten sich anders entwickeln als erwartet – so etwa im Bereich der Erneuerbaren Energien oder eines sinkenden Hedging-Bedarfs mit der Folge zu hoher Schwellenwerte bei der Marktstabilitätsreserve. Es ist insofern bereits 2018 notwendig, das Funktionieren der Marktstabilitätsreserve zu evaluieren und ggf. nachzubessern.

Das Hintergrundpapier können Sie in unserer Energiebibliothek herunterladen.
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Bei uns im Blog analysierten Sonja Peterson vom Kieler Institut für Weltwirtschaft und Christoph Bals von German Watch den EU-Emissionshandel.

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  1. Dominik Pöschel

    vor 9 Jahren

    Ich habe nicht den Eindruck dass die Staaten der EU an einem Strang ziehen was die Vermeidung des CO2 Ausstoßes bzw. eine Umweltfreundliche Energieerzeugung angeht. Hier kocht jeder sein eigenes Süppchen Hauptsache es KOSTET nix.

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