Der CDU-Vorsitzende wird als Regierungschef Klimaschutz und Energiewende vorantreiben. Warum? Er hat keine andere Wahl, denn die planetaren Grenzen sind nicht verhandelbar.
Der künftige Bundeskanzler Friedrich Merz ist bislang nicht als engagierter Kämpfer für mehr Klimaschutz in Erscheinung getreten. Im Gegenteil: Er schimpfte über Windräder und auch zu Wärmepumpen, grünem Stahl, Verbrennerverbot oder Wärmegesetz fand er kritische Worte. Flugscham kennt er auch nicht. Merz ist Hobbypilot mit eigener Maschine und nutzte als Fraktionschef die Flugbereitschaft der Bundeswehr so viel wie kein anderer Kollege. Überdies hat er viele Jahre für Blackrock gearbeitet, einen mächtigen US-Investor, der vor kurzem das Klimabündnis großer Vermögensverwalter verließ und damit ein verheerendes Signal an die Finanzbranche gesendet hat. Die Indizienlage spricht also klar gegen Merz als Klimakanzler.
Kick für den Klimaschutz – anders geht es halt nicht
Vieles spricht dafür, dass der konservative Politiker zum Klimakanzler wider Willen mutiert [...]
Doch nur auf Beruf, Hobbys und populistische Bemerkungen im Wahlkampf zu schauen, greift zu kurz. Vieles spricht dafür, dass der konservative Politiker zum Klimakanzler wider Willen mutiert und zum Anführer einer Regierung, die der Transformation zu einer ökologischen Gesellschaft entscheidende Impulse verpasst. Der schlichte Grund: Es gibt keine andere Wahl.
Das klingt erstaunlich, wenn man bedenkt, dass es auf der politischen Prioritätenliste viele existenzielle Probleme gibt, die auf eine Lösung warten. Die US-Handelspolitik sprengt gerade die Weltwirtschaft, das westliche Verteidigungsbündnis löst sich auf, Preissteigerungen machen das Leben immer teurer und der Krieg rückt nach acht friedlichen Jahrzehnten ungemütlich nah an Westeuropa heran. Es sind wichtige Fragen, für die wir Antworten brauchen. Allerdings haben diese Probleme etwas gemeinsam: Sie lassen sich meist durch geschickte Politik entschärfen, aussitzen oder wegverhandeln.
Planetare Grenzen sind nicht verhandelbar
Anders sieht es bei Klimawandel und Artensterben aus. Menschen mögen kompromissbereit sein, die Erde nicht. Die planetaren Grenzen sind nicht verhandelbar. Sie folgen den Naturgesetzen. Im Moment mag die Klimapolitik nicht zu den vorrangigen Themen deutscher Politik gehören. Wenn jedoch das nächste Mal Starkregen Bäche in reißende Ströme verwandelt oder Feuer ausgetrocknete Landstriche vernichtet und viele Menschenleben in Gefahr sind – dann wird der Klimaschutz wieder an die Spitze der politischen Aufmerksamkeitsliga rücken. Der Entwurf des Koalitionsvertrags von Union und SPD deutet bereits daraufhin. Auch wenn man viel zwischen den Zeilen lesen sollte, wird klar, dass die bisherigen Säulen der deutschen Klimapolitik weiter gelten – zumindest auf dem Papier.
Eine Regierung Merz wird nicht anders können als klimapolitische Maßnahmen voranzutreiben. Zumal es in den nächsten Jahren sicher zu mehr Extremwetterereignissen kommen wird. Immer neue Berichte von Forschenden und UN-Organisationen warnen vor irreversiblen Folgen für das Klima, verbunden mit außergewöhnlich hohen volkswirtschaftlichen Kosten. Für eine Fortsetzung werden sich auch große Unternehmen einsetzen, die in klimafreundliche Technologien investieren, wie etwa Wasserstoff, Kreislaufwirtschaft oder Elektrifizierung der Industrieprozesse. Sie brauchen Planungssicherheit, und ihre Investitionen sind nur dann sinnvoll, wenn Klimaschutz langfristig politisch gewollt und wirtschaftlich attraktiv ist.
Pariser Abkommen ist völkerrechtlich bindend
Will Merz nicht als Kanzler in die Geschichte eingehen, der die Klimaziele gegen die Wand fährt, muss seine Regierung handeln [...]
Auch rechtlich gibt es wenig Spielraum. So hat sich die Bundesrepublik durch das Abkommen von Paris völkerrechtlich verpflichtet, ihren Beitrag zu leisten, um die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Das EU-Klimagesetz sieht vor, dass der Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 steigt. Nur ein kleiner Teil dieses Weges ist bislang geschafft. Bleiben noch fünf Jahre, um das zu ändern. Will Merz nicht als Kanzler in die Geschichte eingehen, der die Klimaziele gegen die Wand fährt, muss seine Regierung handeln – auch, um Strafzahlungen der EU in zweistelliger Milliardenhöhe zu verhindern.
Nachlässige Klimapolitik würde außerdem gegen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2021 verstoßen. Die Richterinnen und Richter hatten festgestellt, dass eine nachlässige Klimapolitik die Rechte zukünftiger Generationen verletzt. In den letzten Jahren forderten auch zwei Oberverwaltungsgerichte die Bundesregierung auf, sich stärker für den Klimaschutz einzusetzen.
Wirtschaft profitiert vom Klimaschutz
Dass der künftige Kanzler trotz gegenteiliger Rhetorik den Klimaschutz voranbringen wird, dafür sprechen auch die wirtschaftlichen Vorteile einer Transformation des Energiesektors. Es ist mittlerweile bekannt, dass Strom aus Wind und Sonne wesentlich weniger kostet als der aus Gas oder Kohle. Mehr als die Hälfte der hierzulande erzeugten Elektrizität stammen bereits aus regenerativen Quellen.
Besonders die Photovoltaik verzeichnet einen Rekordzubau und wird als Schlüsseltechnologie für die Energiewende gesehen. Der von der Union geforderte Entbürokratisierung würde überdies den Netzausbau beschleunigen und die Energiewende zusätzlich vorantreiben. Ob das bei der Bevölkerung gut ankommt? Wahrscheinlich ja. Umfragen zufolge befürwortet eine große Mehrheit der Deutschen den Ausbau der erneuerbaren Energien.
Weitere Schubkraft für eine Energiewende à la Merz verspricht die Tatsache, dass fossile Emissionen in absehbarer Zeit teurer werden. Denn ab 2027 wird der europäische Emissionshandel ausgeweitet und die Verschmutzungszertifikate verknappt. In Deutschland wird dadurch jedes Jahr viel Geld in die Staatskasse fließen. Im Jahr 2024 waren es bereits 18,5 Milliarden Euro. Merz hat versprochen, die Einnahmen künftig an die Bürgerinnen und Bürgern zurückzugeben. Eine Idee, die stark an das Klimageld der Grünen erinnert und auch von der Klima-Union vorgeschlagen wird.
Die Grünen in der Union
Die Klima-Union tritt auch dafür ein, dass die Sektorziele für einzelne Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft wieder einzuführen.
Die Klima-Union ist zwar keine offizielle Parteigliederung, sondern ein Verein mit Mitgliedern von CDU und CSU. Sie wurde 2021 mit dem Ziel gegründet, eine effektive Klimapolitik innerhalb der Union zu fördern. „Die Koalitionsverhandlungen bieten die Chancen, Klimaschutz als wirtschaftliche Notwendigkeit zu verankern“, schreibt die Organisation auf ihrer Website. Die Klima-Union tritt auch dafür ein, dass die Sektorziele für einzelne Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft wieder einzuführen. Der Verein hat rund 1000 Mitglieder und sicher nicht so viel Macht wie etwa der Wirtschaftsrat der CDU, dennoch ist er nicht ganz ohne Einfluss in der Partei.
In den Wochen nach der Wahl hat Merz seine Kritik an der deutschen Klimapolitik schon entschärft. Auf Druck der Grünen ließ er 100 Milliarden Euro aus dem neuen Sondervermögen in den Klima- und Transformationsfonds fließen. Und er versicherte, sich seiner umweltpolitischen Verantwortung zu stellen – auch wenn er kein Grüner werden wolle. Muss er auch nicht. Klimakanzler würde reichen.
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