Energiewende mit Bürgerenergie ambitioniert fortsetzen

Gastautor Portrait

Dr. René Mono

Bündnis Bürgerenergie e.V.

Dr. René Mono ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Bündnis Bürgerenergie e.V. und seit Juni 2011 Geschäftsführer der 100% erneuerbar stiftung. Er studierte Medienmanagement, arbeitete für die deutsch-chilenische Handelskammer in Santiago de Chile und den Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft in Hamburg. Als Kommunikationsberater war er zunächst bei der CNC AG tätig, seit 2004 für Pleon und Ketchum Pleon. Dort war er zuletzt Member of the Board und Leiter der globalen Energie-Practice.

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12. Mai 2014

Hermann Scheer, einer der Pioniere und Vordenker der Energiewende, hat gerne vom Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) als Instrument zur Demokratisierung des Energiesystems gesprochen. Er hatte recht. Dies zeigen die Blüte der Bürgerenergie, die wir zurzeit erleben, und insbesondere der Boom der Bürgerenergiegenossenschaften.

In Deutschland gibt es fast 900 Bürgerenergiegenossenschaften. Jeden dritten Tag wird momentan eine neue Energiegenossenschaft gegründet. Mit Fug und Recht gelten Genossenschaft als die demokratischste Form eines Unternehmens.

Besonders bei Bürgerenergiegenossenschaften, aber auch bei anderen Bürgerenergiegesellschaften wie Bürgerwindparks zeigt sich eine weitere Besonderheit: Ausschlaggebendes Investitionsmotiv der Gesellschafter ist weniger die erwartete Rendite. Vielmehr geht es den Menschen darum, selbst die Verantwortung für Klimaschutz und das Gelingen der Energiewende zu übernehmen. Zweitwichtigstes Motiv ist die Aufwertung der eigenen Region.

Solange das EEG ihre Investitionen abgesichert hat, waren diese ehrbaren Motive der Bürgerinnen und Bürger stark genug, um die Energiewende dynamisch voranzutreiben.

Windkraft18520[1]

Heute ist Bürgerenergie der Marktführer der Energiewende. Fast jede zweite Kilowattstunde Ökostrom wird in Deutschland mit Anlagen produziert, die Bürgerinnen und Bürgern gehören. Über 34 Gigawatt oder 47 Prozent der bis Ende 2012 installierten Leistung zur Stromproduktion aus Erneuer­baren Energien sind in Bürgerhand.  Viel spricht dafür, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung aus diesem Grund den Ausbau von Erneuerbaren Energien nach wie vor eindeutig unterstützt.

Deshalb muss Bürgerenergie aus Sicht des Bündnis Bürgerenergie e.V. im Zentrum der Energiewende-Politik stehen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Statt eine Dezentralisierung der Marktstrukturen einzuleiten, die der dank der Bürgerenergie erreichten Akteursvielfalt entspricht, setzt die Bundesregierung auf einen zentralen Markt. Nach ihrem Willen sollen weiterhin wenige große Unternehmen die Macht beim Stromhandel haben. Dass dies weder der dezentralen Verteilung der Erneuerbaren-Energie-Anlagen, noch den Möglichkeiten der Bürgerenergie noch dem Wunsch der Verbraucher entspricht, ist ihr scheinbar egal. Nur so ist die einseitige Festlegung auf die Marktprämie und Ausschreibungen zu verstehen.

Unsere Sicht auf den künftigen Strommarkt ist eine andere: Bürgerenergie-Akteure, kleinen und mittel­stän­dischen Marktteilnehmern wie Stadt- und Gemeindewerken muss der Zugang zum Strommarkt erhalten bleiben. Hohe Investitionsrisiken, die eine Refinanzierung von Energieprojekten unmöglich machen, und hohe Hürden für den Markteintritt sind zu vermeiden.

Dezentralen Ausbau zur bedarfsgerechten Stromerzeugung fördern 

Dabei sollte auf Dezentralität gesetzt werden. Erneuerbare Energien sind überall in Deutschland verfügbar. Daraus ergibt sich ein unschlagbarer Vorteil: Erneuerbare Energien können verbrauchsnah Strom erzeugen. Die regionale Vermarktung Erneuerbarer Energien entspricht daher ihrer Natur und ist die logische Form ihrer Nutzung. Eine effiziente Kopplung von Erzeugung und Verbrauch von Ökostrom ist vor allem in dezentralen Märkten mit einem breiten Technologiemix möglich. Zahlreiche Energiegenossenschaften und andere Bürgerenergie-Akteure haben in den letzten Monaten an hochinnovativen Geschäftsmodellen in diesem Bereich gearbeitet und auch erfolgreich in die regionalen Märkte eingeführt. Die EEG-Novelle gefährdet nun deren Existenz.

Das Bündnis Bürgerenergie e.V. setzt sich daher für ein Marktdesign ein, das dem dezentralen Charakter der Erneuerbaren Energien entspricht und den energiewirtschaftlichen Paradigmenwechsel vollzieht: Im Mittelpunkt steht nicht mehr alleine die Erzeugung von Erneuerbaren Energien, sondern auch die Nachfrage nach (regionalem) Grünstrom. Zwischen Erzeugern und Verbrauchern erwächst eine direkte Beziehung. Letztere nutzen selbst erzeugten regenerativen Strom und beziehen ihren Grünstrom unmittelbar aus ihrer Umgebung. Das EEG sollte daher den Weg zu einer echten Direktversorgung – z.B. durch Eigenverbrauch, Direktverbrauch und Direktbelieferung eröffnen.

Bürgerenergie wird sich nur dann dynamisch weiterentwickeln, wenn die Förderung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien den besonderen Anforderungen kleiner und regionaler Projekte gerecht wird. Nur so bleibt eine vielfältige Akteursstruktur im Energiemarkt erhalten. Und nur so wird die Akzeptanz und Dynamik der Energiewende gewahrt.

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Redaktionelle Hinweise zur weiterführenden Lektüre

Zum Bündnis Bürgerenergie

100% erneuerbar stiftung

Reaktion auf die Gründung 

Diskutieren Sie mit

  1. Dirk Kaiser

    vor 10 Jahren

    Herr Wagner, Sie sollte sich schon meine Beiträge ansehen, bevor Sie sie pauschal kritisieren...
    Ich hatte sehr wohl geschrieben, dass ich gegen eine solche Konstellation wäre... hatte lediglich zu Bedenken gegeben, dass die Umstände/Ursachen, die zu den jeweiligen Schwierigkeiten geführt haben (Platzen von Spekulationsblasen auf der einen Seite, radikaler politischer Umschwung auf der anderen Seite), nicht die Gleichen sind.
    .
    Außerdem würde mich einmal interessieren, woran Sie glauben, festmachen zu können, dass die Energiewirtschaft damals "verschenkt" wurde? Wieder einmal nur eine pauschale Unterstellung, um zu polemisieren?
    Auf Seiten der Politik sitzen also nur "Dummköpfe", die sich beim Verkauf der Aktien von VEBA und Co an der Börse von den ganzen institutionellen und Kleinanlegern "übers Ohr hauen" lassen? Nun, es sind immerhin die gleichen Politiker, die jetzt so stringend die Energiewende vorantreiben.... :-)
    .
    Wachen Sie auf, die Unternehmen wurden von Gutachtern bewertet und die Politik befand sind nicht in der Situation, irgendjemandem Geschenke zu machen!
    .

  2. Windmüller

    vor 10 Jahren

    Herr Kaiser - sei bewerten den Atomausstieg als "enteignungsgleichen Eingriff"
    Sie haben ein tolles Weltbild. Die KKW sind nicht ansatzweise hinreichend versichert, wie Fukushima gezeigt hat..
    Tepco wurde deshalb verstaatlicht. Die Kosten der Atomhavarie hat der japanische Steuerzahler an der Backe.
    In Deutschland versucht man, die Altlasten des Atomzeitalters auf den Steuerzahler abzuwälzen.
    Wer enteignet hier eigentlich wen ?
    Die entgangenen Nuklearfreuden setzt die Stromwirtschaft mit 15 Mrd an ??
    Demnächst werde ich von Brauereien noch zu Strafzahlungen verdonnert, wenn ich nicht jeden Tag drei Humpen Bier lenze ?

  3. Dirk Kaiser

    vor 10 Jahren

    Herr Wagner,
    es ging mir um Ihre Aussage von vor einigen Wochen wonach Ihre Solarmodule nach 10 (?) Jahren immer noch 110% Ihrer Leistung bringen :-)
    .
    Dass Sie beim Bau von Kerntechnischen Anlagen schlechte Kontrollen und bei jeder kleinen Panne einen GAU erwarten, überrascht mich nicht...

  4. Windmüller

    vor 10 Jahren

    Herr Wagner - um ehrlich zu sein, freue ich mich über den Wunsch der Stromkonzerne, ein VEB zu werden.
    Was haben wir "Ökostromer" über Jahre Prügel eingesteckt ? Wir haben teuren Strom produziert, während Kohle- und Atomstrom ja sooo billig war.
    Jetzt zeigt sich, wie teuer der Atomstrom ist, und welche Lasten noch auf uns zukommen.
    Ich würde mir nur wünschen, dass diese Lasten ( wie auch beim EEG ) brühwarm auf der Stromrechnung serviert werden.

  5. Dirk Kaiser

    vor 10 Jahren

    Ach Herr Windmüller, seien Sie doch froh, dass den Menschen hier "nur" die EEG-Umlage offen als Kosten der Energiewende "verkauft" wird und der Zusammenahng von weiteren Energiwendekosten (Netzausbau, EnEV usw.) vor den Menschen totgeschwiegen wird.
    .
    Der Bundesrechnungshof hat kürzlich festgestellt dass die Energiewende darüber hinaus den Steuerzahler jährlich rund 50 Mrd. Euro kosten (das ist mehr als die Eurorettung kostet!), davon
    .
    - 21 Mrd. Euro EEG-Umlage
    - 10 Mrd. steuerliche Beihilfen und Verwaltungskosten
    - gut 20 Mrd. Euro aus Förderprogrammen der Kreditanstalt für Wiederaufbau
    .
    Ob es tatsächlich zu einer Konstellation mit "bad-EVU" kommt, bleibt abzuwarten. Als Steuerzahler wäre ich dagegen.
    .
    Einen Unterschied gäbe es allerdings zu den "bad-Banken": Die Banken sind aufgrund von Spekulationen in wirtschaftliche Schieflage geraten, die EVU aufgrund eines enteignungsgleichen Eingriffs durch die Politik.
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  6. Dirk Kaiser

    vor 10 Jahren

    Der Hammer Satz:
    "Daraus ergibt sich ein unschlagbarer Vorteil: Erneuerbare Energien können verbrauchsnah Strom erzeugen. "
    *************************
    Jepp, das stimmt gezwungener Maßen, denn mit EE muss man seinen Verbrauch auch am "Dargebot" (Sonne, Wind) ausrichten, denn nach unserem Bedarf richten sich Sonne und Wind nicht!
    .
    Und jetzt kommts noch besser:
    "Ausschlaggebendes Investitionsmotiv der Gesellschafter ist weniger die erwartete Rendite. Vielmehr geht es den Menschen darum, selbst die Verantwortung für Klimaschutz und das Gelingen der Energiewende zu übernehmen. Zweitwichtigstes Motiv ist die Aufwertung der eigenen Region."
    ***
    Das ist Unfug! Den meisten Menschen geht es darum, günstige Energie zu beziehen. Man erzählt ihnen Geschichten von den bösen profitgierigen Energiekonzernen, die an den hohen Strompreisen Schuld sind und bietet ihnen als Alternative an eigenen, "umweltfreundlichen" Strom zu erzeugung und sich von den "Großen" unabhängig zu machen... Was der Autor unter "Aufwertung der Region" versteht, kann wohl auch nur ein EEG-Profiteur verstehen: Verspargelung der Landschaften, Solarfarmen... Aufwertung???
    .
    Rendite darf für die Bürger auch kein Investitionsgrund sein, denn die werden sie in den wenigsten Fällen erzielen - das Geld wird verdient, bevor die erste kWh erzeugt wird: (Projektierung, Gutachterbüros, Berater, Pachten, Finanzierung)... die Bürger dürfen sich dann mit dem "guten Gefühl" etwas für das Klima zu tun, begnügen.
    .
    http://de.scribd.com/doc/126560132/Bewertung-von-Windkraft-Beteiligungsangeboten
    .

  7. Dirk Kaiser

    vor 10 Jahren

    Nachtrag für Herrn Wagner:
    .
    http://www.zeit.de/2013/19/defekte-solaranlagen

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