Energiewende braucht Stabilität statt vorschnelles Zweifeln

Gastautor Portrait

Moritz Jungmann

General Partner, Future Energy Ventures

Moritz Jungmann ist General Partner bei Future Energy Ventures, einem der führenden europäischen Investoren im Bereich Energy Tech. Er unterstützt Start-ups, die an der digitalen, dezentralen und klimaneutralen Energiezukunft bauen – von Netzintelligenz bis zu flexibler Infrastruktur. Als ehemaliger Gründer verbindet Moritz industrielle Größenordnung mit Startup-Geschwindigkeit, um die Energiewende voranzutreiben. Seit 2017 leitet er das Berliner Büro von FEV.

weiterlesen
01. Juli 2025

Mit dem Amtsantritt von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche kommt Bewegung in die Energiepolitik. Ihr Appell zu mehr „Technologieoffenheit“ und einer Neubewertung des Tempos beim Photovoltaik-Ausbau hat viele Diskussionen ausgelöst. Doch eines ist unmissverständlich: Versorgungssicherheit und der beschleunigte Ausbau erneuerbarer Energien sind keine Gegensätze, sondern zwei Seiten derselben Medaille.

Deutschland steht vor der Herausforderung, den Anteil erneuerbarer Energien im Strommix bis 2030 auf mindestens 80 % zu erhöhen. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an die Netzstabilität. Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) warnt, dass politische Unsicherheiten in den letzten Jahren zu Verzögerungen beim Ausbau von Wind- und Solarenergie geführt haben. Klarheit und Verlässlichkeit sind daher entscheidend, um die Energiewende weiter zu beschleunigen.

Vorsichtige politische Kommunikation birgt Risiken für Investitionen

Der EU Green Deal bleibt unverzichtbar – doch seine Umsetzung erfordert mehr Pragmatismus und Skalierbarkeit statt idealistischer Planung.

Moritz Jungmann

Die jüngsten politischen Impulse aus Berlin und Brüssel zeigen: Die Energiepolitik steht vor komplexen Herausforderungen. Ministerin Katharina Reiches „großer Hammer“-Strategie wirkt bisher nicht als Beschleuniger, sondern eher als Quelle von Unsicherheit. Statt klarer Perspektiven dominiert das Zögern – und das kann den Investitionsdruck massiv erhöhen.

Jahrelange Erfahrung hat gezeigt, dass eine verlässliche Gaskraftkapazität von etwa 20 GW eine unverzichtbare Brücke für die Energiewende darstellt. Sie stabilisiert das Netz und macht Preisschwankungen handhabbar. Das Festhalten an dieser Größenordnung ohne ernsthafte Erkundung alternativer Szenarien wirkt jedoch wie eine Botschaft aus der Vergangenheit. Ohne flexible Backup-Lösungen drohen eingeschränkte industrielle Produktion und wachsende öffentliche Ablehnung.

Der EU Green Deal bleibt unverzichtbar – doch seine Umsetzung erfordert mehr Pragmatismus und Skalierbarkeit statt idealistischer Planung. Die Energiewende wird nur dann gelingen, wenn Berlin und Brüssel ihre Strategien eng koordinieren und eine Balance zwischen Nachhaltigkeit und Systemresilienz finden.

Warum ambitionierter Ausbau und Versorgungssicherheit zusammengehören

Der Ausbau von Photovoltaik und Windkraft muss mit Hochdruck weitergehen. Diese Technologien sind die tragenden Säulen einer klimaneutralen Stromversorgung. Jeder Rückschritt bei Genehmigungen oder Förderung schwächt das Tempo und das Vertrauen von Investoren.

Doch Ausbau allein reicht nicht: Der Netzausbau darf nicht länger das Nadelöhr sein. Deutschland braucht leistungsfähige Übertragungs- und Verteilnetze, um Strom aus windreichen Küstenregionen und sonnigen Süden effizient zu transportieren. Verzögerungen bei Genehmigungen und Bauarbeiten müssen dringend abgebaut werden.

Gleichzeitig sind Speicherlösungen, Power-to-X-Technologien und flexible Verbrauchsmodelle essenziell. Sie ermöglichen, Schwankungen im Angebot auszugleichen und Überschüsse in nutzbare Energieformen zu überführen – vom Wasserstoff bis zu Wärmespeichern. Flexibilität im Verbrauch, etwa durch intelligente Industrieprozesse oder Ladeinfrastruktur für E-Autos, macht das System insgesamt robuster.

Langfristige Planungssicherheit ist der Schlüssel zum Erfolg

Investitionen in Erneuerbare und Netze sind kapitalintensiv und brauchen Planungssicherheit. Nur wenn Unternehmen, Kommunen und Bürger auf stabile politische Rahmenbedingungen vertrauen können, wird das nötige Tempo erreichbar. Dazu gehört ein klarer Kurs beim Kohleausstieg, ein stabiles Erneuerbare-Energien-Gesetz und eine glaubwürdige CO₂-Bepreisung.

Der CO₂-Zertifikatepreis liegt aktuell bei etwa 80 Euro pro Tonne, was fossile Energieträger zunehmend unwirtschaftlich macht. Ein konsequenter Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas ist deshalb ökologisch und wirtschaftlich alternativlos.

Die Energiewende braucht Stabilität und Entschlossenheit

Die Energiewende ist kein Sprint, sondern ein Marathon, der entschlossen und mit klarer Linie angegangen werden muss. Die Politik trägt Verantwortung für:

  1. Beschleunigten Ausbau von Solar- und Windkraft
    2. Massiven Netzausbau, um Engpässe zu vermeiden
    3. Förderung von Speichern, Power-to-X und Flexibilitätsoptionen
    4. Priorisierung der Digitalisierung als Rückgrat der Infrastruktur
    5. Langfristige Planungssicherheit zur Vertrauensbildung bei Investoren

Unsicherheit und vorsichtiges Abwägen dürfen den dringend benötigten Wandel nicht ausbremsen. Nur so kann Deutschland sein Versprechen eines klimaneutralen Energiesystems einlösen und gleichzeitig Versorgungssicherheit gewährleisten.

Diskutieren Sie mit

Ich akzeptiere die Kommentarrichtlinien sowie die Datenschutzbestimmungen* *Pflichtfelder

Artikel bewerten und teilen

Energiewende braucht Stabilität statt vorschnelles Zweifeln
0
0