Watt kommt? Pläne und Erwartungen an die Energiewende 2016

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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07. Januar 2016

Welche Entwicklung nimmt die Energiewende 2016? Neugierig schauen wir mal auf die Webseiten beim zuständigen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Das dort vorgestellte Programm ist ebenso überschaubar wie bekannt. Gemessen an den Zielen des Weltklimagipfels von Paris im Dezember geht es beim BMWi nur um Peanuts. Die Bundesumweltministerin, für Energie nur in Teilaspekten zuständig, fährt da ganz andere Kaliber auf: Runter mit den massiven deutschen Stromexporten! lautet ihre öffentlich erhobene Forderung.  Vielleicht könnte man in diesem Zusammenhang gleich noch das Problem der viel zu hohen Quecksilberemissionen aus den deutschen Braunkohlekraftwerken lösen? Und sonst? Was könnte die Energiewende 2016 bringen, was sollte sie bringen?

Im Projektfahrplan des BMWI (s. Abbildung) stehen so wichtige Dinge wie das EEG 3.0 nebst Ausschreibungen, die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes mit neuem Marktdesign, der Netzentwicklungsplan und andere auf der vor zwei Jahren erstellten To-do-Liste für 2016. Das BMWi ist in der Regierung zuständig für die Energiewende, aber nur ein Akteur neben vielen anderen. Daher wird die Energiewende 2016 umfassender ausfallen als aktuell beim BMWi nachzulesen.

Energiewende in 2016

Korrektur des Ausschreibungsmodells ist eine gesellschaftspolitische Notwendigkeit

Seit dem 1. Januar müssen EE-Anlagen ab 100 kW-Leistung in die Direktvermarktung gehen, statt einer Einspeisevergütung erhalten sie dann den Marktpreis plus eine Marktprämie sowie eine Managementprämie. Dass dieses Modell nur bedingt tauglich ist, den Übergang von einer 30%-EE-Versorung in Richtung 50 oder 60% kosteneffizient zu gestalten, hatte das Öko-Institut in einem Gutachten für Agora aufgezeigt. Hier besteht Nachsteuerungsbedarf in Richtung einer besseren Abbildung des MarktgeschenMarktnähe. Nicht haltbar wird auch das vorgesehene Ausschreibungsmodell sein, weil es zu einer absehbaren Konzentration auf dem Anbietermarkt führen und Bürgerenergiemodelle ausschließen wird. Dem Bundesenergieminister mag es gleichgültig sein, wer die benötigte Energie erzeugt. Gesellschaftspolitisch können wir uns derartige Rückschritte nicht erlauben. Bürgerbeteiligung – nicht nur, aber auch bei Energieprojekten – ist ein Wert an sich. Daher muss in 2016 eine gesetzliche Regelung her, die der Bürgerenergie einen angemessenen Anteil am Zubau ermöglicht. Alternativ könnten EVUs oder andere Unternehmen das Gesetz aushebeln und die Bürgerinnen und Bürger Huckepack nehmen, indem sie ihnen einen Teil ihrer Projekte zur Verfügung stellen oder sie beteiligen. In der neuen, auf Partnerschaft aufgebauten Energiewelt wäre das kein schlechtes Marketing.

Kein Plan bei der Elektromobilität für Energiewende 2016

Die Elektromobilität spielt bei den Planungen des BMWi keine Rolle. Energetisch ist das im Rahmen der Zielmarken ebenso vernünftig wie wirtschaftspolitisch eine Katastrophe. Vernünftig im System, weil eine wesentliche Steigerung der Elektromobilität nur Sinn macht, wenn der Ausbau der Erneuerbaren Energien im adäquaten Umfang schritt hält. Bei der derzeitigen Deckelung, die beim solaren Zubau noch weit unterschritten wird, wäre eine starke Zunahme der Elektromobilität kontraproduktiv.

Wirtschaftspolitisch könnte ein Weiter-So bei der Elektromobilität in Deutschland zum Fiasko werden.  Wer geglaubt hat, dass der VW-Skandal und die fast täglich aus Kalifornien eingehenden Nachrichten über die Fortschritte in der E-Mobilität alle verantwortlichen Wirtschafts- und Verkehrspolitiker aus dem Schlaf gerissen hätte, hat sich bis dato getäuscht. Eine Strategie für diesen wichtigen Zweig der Energiewende in 2016? Nicht sichtbar.

Und dann ist da noch die Entwicklung der Erneuerbaren auf den globalen Märkten. Solar- und Windenergie werden ihren Boom in 2016 und darüber hinaus fortsetzen. Allein im Sektor Solar wird bis 2030 eine Investitionssumme von einer Billionen US $ bewegt werden. 100.000 MW-Leistung sollen allein in Indien neu entstehen. Auch hier wäre es dringend nötig, darüber nachzudenken, welche Rolle Deutschland – noch vor wenigen Jahren Weltmeister beim Zubau und in der Produktion – bei dieser globalen Entwicklung spielen kann und sollte.

Auch über den Ausstieg aus der Kohle sollten wir in 2016 reden. Das ist allemal billiger als ein paar Kraftwerke für Milliarden in eine Reserve zu stecken, die kein Mensch mehr braucht.

Und über den Atomausstieg wird zu sprechen sein. Was passiert mit den Rücklagen? Werden sie gesichert und in einen Fonds überführt? Der Staat und die Atomunternehmen sollten sich verbindlich darüber einigen, wer welche Kosten zu tragen hat. Die Pflichten für die Entsorgung und den Rückbau liegen bei den Unternehmen. Müssen sie auch dafür haften, dass die Zwischenlagerung Jahrzehnte länger dauert als geplant und der Staat bislang unfähig war, für eine Endlagerung zu sorgen? Die Zusammensetzung der zuständigen Kommission gibt Anlass zur Hoffnung.

Zu reden wäre in 2016 über den Ölpreis. Wäre es nicht sinnvoll, ihn über flexible Steuern auf einem Mindestpreis zu stabilisieren, damit zu billige Treibstoffe die Energiewende nicht hemmen? Wäre das vielleicht ein europäisches Projekt, das die Ausgaben für die Flüchtlingshilfe in Teilen kompensieren könnte?

Die großzügigen Ausnahmen bei der EEG-Umlage für die Industrie, auch sie sollte ein Thema in 2016 sein. Die Unternehmen sparen Milliarden Dank historischer Tiefpreise an den Strombörsen. Noch mehr Milliarden sparen sie Dank der recht weichen europäischen Währung, die ihnen im internationalen Geschäft gegen D-Mark-Zeiten Wettbewerbsvorteile schafft. Ein Ende der Befreiung von der EEG-Umlage in 2016 wäre sozial ebenso geboten wie aus Gründen eines fairen Wettbewerbs.

Die Energiewende fand politisch in Deutschland in 2015 kaum statt. Ohne einen ehrgeizigen Plan, ohne Änderungen an den bis eingeschlagenen Pfaden und ohne den politischen Willen, die Energiewende führend zu gestalten, wird auch die Energiewende als politisches Projekt in 2016 Stückwerk bleiben. Wissenschaft und Wirtschaft werden die Energiewende 2016 wieder voran treiben. Möge die deutsche Politik Schritt halten können.

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  1. Windmüller

    vor 8 Jahren

    Zunächst ein frohes neues Jahr 2016 ! Es ist schön, dass auch in diesem Jahr hier wieder ein toller Dialog auf hohem Niveau stattfindet.
    Da ich von Natur aus Optimist bin, denke ich, dass die Energiewende auch 2016 weiter ihren Weg nimmt. Es ist allerdings schade, dass in Deutschland weiter Milliarden Euro auf Grund ideologischer Verbohrtheit verluftigt werden. Vor Jahren hatte man den Bau vieler neuer Steinkohlekraftwerke geplant. Umweltschützer erklärten damals schon, dass der Bau überflüssig sei. Nun hat man einige Blöcke gebaut ( Moorburg, Datteln IV oder Hamm ), und räumt nun kleinlaut ein, dass man die Kraftwerke eigentlich gar nicht gebraucht hätte. An vielen Stellen macht man Unsinn, um die Energiewende in negativem Licht dastehen zu lassen. Man könnte mit smart grid Zählern Verbrauch und Erzeugung ein wenig besser ein Einklang bringen. Man will es nicht. Stattdessen jammert man lieber, dass an einigen Tagen Strom einen negativen Preis hat, und man Abnehmern für unseren Strom noch Geld zahlt, wenn sie den Strom abnehmen. Aber trotzdem ist schon viel erreicht worden. Wenn man bedenkt, dass an einem Wintertag wie heute 6 GW an PV Stromleistung erreicht werden, dann ist das etwas, was früher niemand zu träumen gewagt hätte.

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