Elektromobilität: „Eine Steckdose findet jeder“

Gastautor Portrait

Prof. Ulrich Wagner

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt

Prof. Dr.-Ing. Ulrich Wagner ist seit dem 1. März 2010 Vorstand für die Forschungsbereiche Energie und Verkehr im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Bereits in seiner Promotion an der TU München befasste er sich mit dem Thema Elektromobilität und untersuchte die "Energieausbeute von Traktionsbatterien" in Elektroautos. Wagner ist Mitglied im Vorstand der VDI-Gesellschaft Energie und Umwelt und in der Arbeitsgruppe Forum Technologie der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

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06. August 2014

Brauchen wir eine neue Infrastruktur für die Elektromobilität? Was muss zuerst da sein, die Ladesäulen, damit sich batteriebetriebene Fahrzeuge schneller am Markt durchsetzen, oder mehr Fahrzeuge, damit sich die Ladesäulen lohnen? Die Energie- und Verkehrsforscher im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt halten den Ausbau der Elektromobilität für einen wichtigen Schritt hin zu einer nachhaltigen Mobilität. Sie gehen davon aus: Ja, wir brauchen eine neue Infrastruktur, aber nicht kurzfristig als Voraussetzung für den Einstieg in die Elektromobilität.

Eine Stromtankstelle pro zwei Elektrofahrzeuge
Zum jetzigen Zeitpunkt fahren zirka 20.000 Elektrofahrzeuge in Deutschland und es gibt bereits 10.000 Stromtankstellen. Sie stehen oft leer oder sind durch andere Autos zugeparkt und warten vergeblich auf ihren Einsatz. Auch wenn die Zahl der Neuzulassungen von Elektroautos derzeit steigt, durch immer mehr Angebote von Serienwagen seitens der Autohersteller dürfte die Anzahl der Stromtankstellen im urbanen Raum zunächst noch ausreichen.

Zudem: Fahrer von Elektroautos haben einen großen Vorteil, sie können ihr Fahrzeug an fast jeder Steckdose „auftanken“. Anders geht es hier Fahrern EnBW_Ladestation_car2goKleingasbetriebener Fahrzeuge, die auf eine spezielle Infrastruktur angewiesen sind, insbesondere bei Wasserstoff betriebenen Brennstoffzellenfahrzeugen. Im Durchschnitt stellen 70 Prozent der Halter in Deutschland ihre Autos auf dem eigenen Grundstück ab und haben damit Stromanschluss. Laut einer Studie, bei der DLR-Verkehrsforscher eine repräsentative Befragung zur Nutzung von Elektrofahrzeugen durchführten, nutzen fast alle privaten Halter die Lademöglichkeiten auf dem eigenen Grundstück. Darüber hinaus nutzen zehn Prozent werktags Lademöglichkeiten an ihrem Arbeits- oder Ausbildungsort. Andere Angebote spielen hingegen nur eine untergeordnete Rolle. Ähnlich sieht es bei gewerblich genutzten Elektrofahrzeugen aus, die üblicherweise auf dem Betriebsgelände geladen werden.

Anders die Situation bei längeren Fahrten, hier wünschten sich die Befragten öffentliche Ladeinfrastruktur entlang der Route oder am Zielort. Der kalifornische Elektroauto-Hersteller Tesla reagiert bereits auf diese Bedürfnisse und hat für seine Kunden Anfang des Jahres den Ausbau von Schnell-Ladestationen an EnBW_LadesituationAutobahnraststätten in Deutschland angekündigt. In 20 Minuten soll die Batterie zur Hälfte wieder aufgeladen sein. Dieser Vorstoß, wie auch andere entlang von Autobahnen, bieten wesentliche Erfahrungen für den Ausbau der Elektromobilität und schaffen erste Standards. Bei einer Ladezeit von 20 Minuten für eine halbe Batteriefüllung ist das Ende der Fahnenstange aber hoffentlich noch nicht erreicht. Vielversprechend, weil bequem, ist zum Beispiel auch das induktive Laden der Batterie, das aber bei weitem nicht als ausgereift gelten kann. Ein flächendeckender Ausbau von Landeinfrastruktur macht erst Sinn, wenn die Entwicklung hier weiter vorangeschritten ist und es verbindliche Standards gibt.

Fahrzeugkosten sind entscheidender als flächendeckende Infrastruktur
Der Erfolg der Einführung von Elektrofahrzeugen wird grundsätzlich über den Preis entschieden und hängt weniger davon ab, wie viel öffentliche Lade-Infrastruktur bereits vorhanden ist. Noch sind Elektrofahrzeuge wesentlich teurer als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Erst wenn Halter diesen Mehrpreis absehbar durch die günstigeren Fahrtkosten wieder einsparen, entscheiden sie sich für Elektrofahrzeuge. Das zeigen ganz deutlich die hohen Neuzulassungen in den skandinavischen Ländern, vor allem in Norwegen, wo der Kauf eines Elektroautos steuerlich massiv subventioniert wird und gleichzeitig die Kosten für Benzin und Diesel wesentlich höher sind als in Deutschland.

Die aktuelle Situation bei privaten und öffentlichen Lademöglichkeiten bietet ausreichend Möglichkeiten für eine starke Ausweitung der E-Fahrzeugflotte. Die Erweiterung der Lade-Infrastruktur durch Stromversorger, Kommunen, Mobilitätsanbieter etc. wird dem steigenden Bedarf sukzessive folgen. Der schnelle Ausbau der Elektromobilität soll also nicht von vermuteten Einschränkungen durch die Infrastruktur gebremst werden!
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Redaktionelle Hinweise:
Infografik zur Elektromobilität
Tesla baut Infrastruktur Supercharger aus
Elektromobilität als Querschnittsthema beim DLR
Zum Institut für Verkehrsforschung des DLR

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  1. Erich Görgens

    vor 10 Jahren

    Hallo Herr Professor Wagner, ich bin sicher wir brauchen "autarke" E-Fahrzeuge auf der Straße, der Schiene , dem Wasser und in der Luft. Die benötigen aber keine Lade-Infrastruktur, ihnen genügt die bisherige Batterie. Bei Interesse finden Sie mehr zu diesem Thema in meinem Kommentar Nr. 37 auf der Seite von Herrn Grass: https://www.dialog-energie-zukunft.de/umfrage-herausforderungen-energiewende/#comment-2193 Ich freue mich auf Ihr Feedback!

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